Dienstag, 30. Oktober 2018

Überlastung treibt Krankenpflegekräfte in die Leiharbeit


Dossier

Für eine gesetzliche Personalbemessung im GesundheitswesenImmer mehr Krankenpfleger wechseln von ihrer Festanstellung in die Leiharbeit, weil sie sich als feste Kräfte überlastet fühlen. Das ergaben Recherchen von NDR 1 Niedersachsen und “Hallo Niedersachsen”. Offenbar sind die Arbeitsbedingungen in den Kliniken mittlerweile so schlecht, dass viele Krankenpflegekräfte nur noch den Weg in die Leiharbeit sehen, weil sie sich so besser vor Mehrarbeit geschützt sehen. (…) Brigitte Horn von der Gewerkschaft ver.di in Hannover beobachtet diese Entwicklung bereits seit einigen Monaten. Sie spricht im Interview mit dem NDR sogar von einem Trend und einem neuen Phänomen in der Krankenpflege. Die Kliniken seien mittlerweile in der Pflege auf Leiharbeiter angewiesen, sagt Helge Engelke, Direktor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft. (…) Diesen Trend bemerkt auch eine Leiharbeitsfirma, die Pflegekräfte ausleiht: Derzeit steige die Zahl der vermittelten medizinischen Fachkräfte jährlich um 15 Prozent, sagt Thomas Pietruschinski, Geschäftsführer von Pluss Personalmanagement in Hannover. 80 Prozent der Bewerber haben zuvor fest angestellt in einem Krankenhaus gearbeitet, so eine Disponentin der Firma. (…) Auch offizielle Zahlen belegen die hohe Arbeitsbelastung als Grund für die Flucht in die Leiharbeit…” NDR-Pressemitteilung vom 18.06.2017 externer Link – darin keine Rede davon, daß die Kliniken planen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern… Siehe dazu:
  • Der Großgrundbesitzer und die absolute Inhaltsleere: “Die Unternehmen der Zeitarbeitsbranche zahlen weder Ausbildungsumlage noch sonst irgend etwas” New 
    “… Und das muss heute mal sein, dass es schon abnorm ist, dass wir auf der einen Seite von Pflegenotstand reden, auf der anderen Seite und aber ne Horde von Leasingfirmen leisten, die sich zum einen in den aufgerufenen Preisen übertreffen als auch in der Wahl der Methoden der Mitarbeiterrekrutierung. Da munkelt man, dass es Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen geben soll, die 3000 € Prämie von eben jener Zeitarbeitsfirma erhalten, wenn sie aus den Einrichtungen der Auftraggeber noch ein paar Mitarbeiter abwerben. Da sind Sie jetzt aber baff, Herr Plett!!! Da lungern die Recruiter auf den Parkplätzen bei Schichtwechsel rum, treiben sich als Besucher getarnt in Einrichtungen rum oder werben ganz ungeniert mit Zahlen, die einer normalen festangestellten Kraft die Tränen in die Augen reiben – und warum? Nun, es geht hier um Verantwortung: Die Kolleginnen und Kollegen, die jeden Tag sich ihrer Verantwortung stellen, müssen sich gefallen lassen, dass es Unternehmen gibt, die Personal aus der Verantwortung herauslösen, um Profite zu generieren. (…) wichtig ist nur, dass es dringend geboten wäre, wenn hier der Gesetzgeber einschreiten würde, denn es sind alles Gelder, die im Endeffekt der Solidargemeinschaft genommen werden. Die Unternehmen der Zeitarbeitsbranche zahlen weder Ausbildungsumlage noch sonst irgend etwas. Sie warten einfach nur bis ein neuer Ausbildungsgang fertig wird, um dann die Lorbeeren des Wartens zu ernten. Die Früchte des Zynismus sozusagen…” Beitrag von 27. Oktober 2018 (Der Pflegegockel) im Blog Frau Sofas Gedanken externer Link
  • Pflegenotstand: Flucht in die Leiharbeit  
    „30 Jahre lang arbeitete der Berliner Krankenpfleger Johannes Kutz fest angestellt in ein- und demselben Haus, vor drei Jahren wechselte er zu einer Zeitarbeitsfirma. Freiwillig. »Ich hatte die Faxen dicke«, sagt Kutz. Der 55-Jährige, spezialisiert auf Anästhesie, hat erlebt, wie die Arbeit im Krankenhaus immer anstrengender wurde. »Es gab immer mehr ältere und kränkere Patienten und zugleich wurde Personal abgebaut.« Am meisten litt Kutz unter den Dienstzeiten. Weil er unverheiratet ist, blieben überdurchschnittlich viele Spät- und Wochenenddienste an ihm hängen. Mitsprachemöglichkeiten beim Erstellen der Dienstpläne gab es kaum. »Es hat einfach keinen Spaß mehr gemacht.« Ein Wechsel in ein anderes Haus war für ihn keine Lösung. »Über kurz oder lang wäre ich auf dieselben Probleme gestoßen«, ist Kutz überzeugt .Jetzt ist er bei der pluss Personalmanagement GmbH unter Vertrag, einem bundesweit agierenden Zeitarbeitsunternehmen, das sich unter anderem auf die Überlassung von medizinischen Fachkräften spezialisiert hat. Dort verdient er genauso viel wie vorher. 2200 netto bei einer 80-Prozent-Stelle. Aber ums Geld ging es ihm ohnehin nicht. »Mein größter Pluspunkt: Ich kann mir die Dienstzeiten aussuchen«, sagt er. Heute arbeitet er überwiegend im Frühdienst, von Montag bis Freitag, bekommt kurzfristig freie Tage, muss seinen Urlaub nicht mehr ein Jahr im Voraus planen. »Ich habe noch nie in meinem Leben so regelmäßig gearbeitet.« (…) In Krankenhäusern und Pflegediensten ist die Zahl der Leiharbeiter im vergangenen Jahr um 50 Prozent gestiegen, wie aus aktuellen Daten der Bundesagentur für Arbeit vom Juli hervorgeht. Waren im Dezember 2016 noch 14 390 Gesundheits- und Krankenpfleger auf Zeitarbeitsbasis beschäftigt, sind es ein Jahr später bundesweit 21 751. Nimmt man Rettungsdienste und Geburtshilfe hinzu, werden aus 16 665 Leiharbeitern 25 344. In der Altenpflege hat sich hingegen wenig verändert. Hier ist die Anzahl fast gleich geblieben, im vergangenen Dezember waren es 12 853. Trotz der steilen Wachstumskurve ist der Anteil von Leiharbeit in der Branche allerdings – gemessen an insgesamt mehr als einer Million Pflegekräfte – immer noch relativ gering. (…) Gewerkschaften stehen vor einem Dilemma. Leiharbeit kann für den Einzelnen Entlastung bringen, zugleich verschärft sie jedoch strukturelle Probleme. »Individuell ist der Wechsel in die Leiharbeit oft nachvollziehbar. Für die Versorgung der Patientinnen und Pflegebedürftigen und für die Zusammenarbeit im Team ist es aber verheerend«, sagt Sylvia Bühler, im ver.di-Bundesvorstand zuständig für den Bereich Gesundheit. Auch für die kollektive Interessenvertretung ist sie ein Hindernis. Durch Leiharbeit wird die ohnehin bereits aufgespaltene Krankenhausbelegschaft weiter zersplittert, was gewerkschaftliche Organisierung und Mitbestimmung erschwert…“ Artikel von Ines Wallrodt vom 04.09.2018 in neues Deutschland online externer Link
  • Leiharbeit in der Altenpflege: „Ich geh da nicht mehr hin!“  
    Leiharbeitsfirmen werden für Altenpflegekräfte immer attraktivere Arbeitgeber. Unter anderem bietet sich ihnen dort die Möglichkeit, Einsätze zu verweigern.
    „Zeitarbeit in der Pflege ist immer scheiße.“ Diesen Satz sagt ausgerechnet der Betreiber einer Bremer Leiharbeitsfirma für Altenpflegekräfte. Nicht nur deswegen möchte Joachim Grunert* nicht, dass sein richtiger Name in der Zeitung steht. Er verleiht seine Angestellten unter anderem an die beiden Bremer Pflegeeinrichtungen des Betreibers Alloheim – allerdings nur noch in den Nachtdienst. „Für die Tagschichten mag ich dort niemanden mehr hinschicken“, sagt er. Als „absolut chaotisch“ beschreibt Grunert die Zustände in den Heimen von Deutschlands zweitgrößter Pflege-Kette: „Es gibt dort viel zu wenig und teilweise völlig ungeeignetes Personal, die Versorgung der Bewohner ist eine Katastrophe, es fehlt an Material – teilweise gibt’s dort nicht einmal Windeln.“ Im Nachtdienst könne das eingesetzte Personal immerhin noch selbst entscheiden, wie es arbeiten wolle, „da ist die Struktur ein bisschen anders“. (…) „Zeitarbeitsfirmen schießen wie Pilze aus dem Boden“, sagt Grunert. Und in den beiden Bremer Alloheimen betrage der Anteil der Leiharbeiter 50 Prozent: „Da kann man sich schon vorstellen, wie schlecht die Menschen dort versorgt werden.“ Dabei sind die eingesetzten LeiharbeiterInnen keineswegs inkompetent. „Aber wie soll ich denn gut und angemessen zum Beispiel mit einem demenzkranken Menschen umgehen, wenn ich ihn gar nicht kenne und wenn mir nichts über ihn erzählt wird?“, sagt Grunert. Die Kommunikation gerade mit demenzkranken Menschen funktioniere oft nur durch bestimmte Themen oder einzelne Schlüsselwörter: „Die kennt ein Zeitarbeiter aber nicht.“ Während der Einsatz von Fremdkräften für die Pflegebedürftigen schlecht ist, sind die Arbeitsbedingungen für die LeiharbeiterInnen indes besser als die Festanstellung in einer Einrichtung – und der Grund, warum sich immer mehr Pflegekräfte bei Zeitarbeitsfirmen beschäftigen lassen: „Sie werden besser bezahlt, sie haben die Wahl, Überstunden abzufeiern oder ausgezahlt zu bekommen, sie haben flexiblere Möglichkeiten, Urlaub zu nehmen“, sagt Grunert. LeiharbeiterInnen unterlägen keinem sozialen Druck innerhalb eines festen Teams und: „Sie dürfen Einsätze verweigern.“
    …” Artikel von Simone Schnase vom 3.4.2018 bei der taz Bremen externer Link
  • Neue Zahlen zu im Pflegebereich tätigen Leiharbeitern  
    “… Nach einer Mitte März vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung vorgelegten Studie gibt es derzeit 17 000 offene Stellen in deutschen Pflegeheimen. Gründe seien hauptsächlich der bundesweite Fachkräftemangel sowie die abnehmende Qualität der Bewerber für diesen Beruf. Einem Medienbericht zufolge nahm überdies die Zahl der im Pflegebereich tätigen Leiharbeiter in den vergangenen Jahren zu. Spahn hatte zu seinem Amtsantritt auch angekündigt, den Pflegeberuf attraktiver zu machen, etwa über eine bessere Bezahlung. (…) Wie die „Passauer Neue Presse“ (Samstag) unter Berufung auf eine Antwort der Bundesagentur für Arbeit auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion berichtete, waren vergangenes Jahr bundesweit 10.181 Beschäftigte in der Gesundheits- und Krankenpflege, bei Rettungsdiensten und der Geburtshilfe als Leiharbeitskräfte beschäftigt. Im Jahr 2014 waren es demnach 7374 gewesen. Im Bereich der Altenpflege habe es 2017 mehr als 7500 Leiharbeitskräfte gegeben; drei Jahre zuvor seien es 5850 gewesen. Dem Bericht zufolge verdienen Leiharbeitskräfte deutlich weniger als regulär Beschäftigte. Bei Vollzeit habe deren Bruttolohn in den Bereichen Pflege, Rettungsdienst und Geburtshilfe Ende 2016 bei 3203 Euro monatlich gelegen – bei Leiharbeitskräften bei 2579 Euro. Der Bruttomonatsverdienst für Vollzeitbeschäftigte in der Altenpflege lag demnach Ende 2016 bei 2436 Euro – bei Leiharbeitskräften im Durchschnitt bei 2131 Euro…” dpa-Meldung vom 31.03.18 in der Berliner Zeitung online externer Link: “Pflegenotstand: Spahn will ausländische Pflegekräfte nach Deutschland holen”
  • Immer mehr Pfleger flüchten in Leiharbeit  
    Immer mehr Krankenpfleger entscheiden sich für einen Wechsel in die Leiharbeit. Die Zeitarbeitsfirmen werben mit weniger Arbeitsstress bei gleichem Lohn. Das lassen sich viele nicht zweimal sagen. (…) Immer mehr Pflegekräfte flüchten in die flexible Leiharbeit. Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit stieg die Zahl der Leiharbeiter in der Branche von 2013 bis 2017 um knapp 27 Prozent. Arbeiteten im Juni 2013 bundesweit rund 22.600 Krankenpfleger, Altenpfleger, Helfer und Spezialisten als Zeitarbeitnehmer, waren es 2017 bereits rund 28.800. (…) Im Bereich der Altenpflege fällt in Mitteldeutschland der Drang in die Leiharbeit noch deutlicher aus. Laut Statistik der Landesagentur für Arbeit Sachsen gab es in den Jahren 2013 bis 2017 bei jenen Pflegekräften, die sich über Zeitarbeitsfirmen vermitteln lassen, einen Zuwachs von über 100 Prozent. (…) Viele Zeitarbeitsfirmen werben in ihren Anzeigen mit höheren Löhnen. Wie hoch sie tatsächlich ausfallen, will von den Zeitarbeitsfirmen keiner sagen. Neben guter Bezahlung versprechen die Firmen ihren Leiharbeitern, sie nicht mehr jener hohen Arbeitsbelastung auszusetzen, die sie zur Genüge kennen. (…) Fallen Kollegen durch Krankheit, Schwangerschaft oder Urlaub aus, müssen ihre Kollegen Überstunden leisten. Oder aber die Arbeitgeber fragen nach einer Pflegekraft bei einer Zeitarbeitsfirma an. In vielen Krankenhäusern sei die Not inzwischen so groß und die Stammbelegschaft so knapp ausgestattet, meint die Sprecherin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), Johanna Knüppel, “dass sie bei kurzfristigen Personalausfällen gar nicht mehr anders können, als auf Leiharbeit zurückzugreifen, auch wenn sie viel Geld kostet.” Das sei in der Gesamtrechnung dennoch billiger, als Betten oder Plätze unbelegt lassen zu müssen, so Knüppel…” Text der Sendung von Annett Müller und Anja Neubert  am 25. März 2018 im MDR FERNSEHEN externer Link
  • Klinikverbund Gesundheit Nord: Leiharbeit treibt die Kosten in die Höhe 
    “… „Wir beobachten seit Längerem, dass es einen gespalteten Leiharbeitsmarkt gibt“, sagt Regine Geraedts, Referentin für Arbeitsmarktpolitik bei der Arbeitnehmerkammer in Bremen. Eigentlich sei die Leiharbeit ein Kostensparmodell für Unternehmen. (…) Im Gesundheitsbereich bei Pflegefachkräften oder Ärzten wandelt sich die Situation hingegen. Die Vorteile für Unternehmen werden zu Nachteilen. „Für uns ist die Leiharbeit kein Sparmodell“, sagt Karen Matiszick, Sprecherin bei der Geno. „Der Arbeitsmarkt ist leer gefegt und umkämpft.“ Somit gebe es ein großes Interesse an den Fachkräften. Vor allem Ärzte könnten in dieser Situation relativ viel Geld verlangen. Doch auch Krankenpfleger wechseln immer häufiger von einer Festanstellung in die Leiharbeit. Einer der Gründe: Die Arbeitsbedingungen in den Kliniken sollen mittlerweile so schlecht sein, dass viele Pflegekräfte die Leiharbeit als Lösung sehen. (…) Wegen des extrem schwierigen Arbeitsmarktes sei der Klinikverbund Geno immer wieder darauf angewiesen, offene Stellen vorübergehend mit Leiharbeitnehmern zu besetzen, erklärt Sprecherin Matiszick. Das betreffe die Pflegekräfte genauso wie die Ärzte. (…) Um vakante Stellen im Gesundheitsbereich zeitnah zu besetzen, setzen Krankenhäuser und Kliniken bundesweit zum einen auf Leiharbeiter und zum anderen immer wieder auf Arbeitskräfte aus dem Ausland. Auch in Bremen gibt es Unternehmen, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert haben…” Beitrag von Pascal Faltermann vom 4. März 2018 beim Weser-Kurier online externer Link

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen