Dienstag, 30. Oktober 2018

Als oberster Lobbyist der heimischen Waffenindustrie ignoriert der französische Staatschef Macron den Jemen-Krieg

Krieg und Demagogie


Von Hansgeorg Hermann
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Handelsvertreter für Mordwerkzeuge: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf der Marinemesse »Euronaval« in Paris (23.10.2018)
Der Ort und der Zeitpunkt waren gut gewählt. Am Dienstag vergangener Woche erwischten Journalisten den französischen Staatschef Emmanuel Macron und seine Armeeministerin Florence Parly auf der größten Marineausstellung der Welt, dem »Salon Euronaval« in Paris. Doch ihre Frage, ob die Regierung wegen des getöteten saudiarabischen Journalisten Dschamal Chaschukdschi Waffenlieferungen an dessen Mörder aus dem dortigen Königshaus zumindest überdenken wolle, ließ der oberste Lobbyist der heimischen Waffenindustrie unbeantwortet. Frankreich exportierte allein im vergangenen Jahr Rüstungsgüter im Wert von rund 2,6 Milliarden Euro in den Nahen und Mittleren Osten. Nie gingen dort die Geschäfte besser.
Was er vom deutschen Nachdenken über ein eventuelles Einfrieren der Waffenlieferungen an Saudi-Arabien hält, sagte Macron dann doch ziemlich deutlich am vergangenen Freitag während seines Staatsbesuchs in der Republik Tschechien: »Das ist pure Demagogie«, ließ er Kanzlerin Angela Merkel, die CDU und ihre sozialdemokratischen Helfer von Prag aus wissen: »Das hat rein gar nichts mit Chaschukdschi zu tun. Man muss nicht alles durcheinanderbringen.« Das ist richtig, über den Tod des Journalisten empört sich gegenwärtig zwar – zu Recht – die ganze Welt. Das größere, von der europäischen und US-amerikanischen Waffenindustrie generierte Verbrechen spielt sich allerdings im Jemen ab.
Riad interveniert dort seit 2015 militärisch mit dem Ziel, den von schiitischen Ansarollah vertriebenen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi wieder an die Macht zu bringen. In dem von Saudi-Arabiens Kronprinzen Mohammed bin Salman losgetretenen Stellvertreterkrieg mit dem Iran verloren bisher nach vorsichtigen Schätzungen rund 10.000 Menschen ihr Leben. Da die Saudis mit ihren – unter anderem aus Frankreich gelieferten – Fregatten Jemens wichtigsten Hafen Hodeida blockieren, kommt keine Nahrung mehr ins Land, Millionen Menschen, vor allem Kinder, sind vom Hungertod bedroht. Nach Angaben internationaler Hilfsorganisationen bombardieren saudische Flugzeuge Hodeida »25- bis 30mal« am Tag, zerstört wurden Straßen, Krankenhäuser, Schulen und die Elektrizitätsversorgung, die Wasserversorgung ist zusammengebrochen.
Die wahhabitische Monarchie führt die Liste der arabischen Kundschaft Frankreichs an. Allein im vergangenen Jahr lieferten die Waffenschmieden des Landes der Diktatur am Golf von Persien Kriegsgerät im Wert von 1,6 Milliarden Euro – rund 11,1 Milliarden Euro waren es in den vergangenen zehn Jahren insgesamt. Tony Fortin, Sprecher und Präsident des unabhängigen Pariser Instituts »Observatoire des arme­ments« (Rüstungskontrolle), ist sicher, dass die Waffenlieferungen der Europäer, an erster Stelle der Franzosen, den Krieg im Jemen »vorbereitet und erst ermöglicht haben«. Seine Organisation ist eine der europäischen Filialen der ICAN, der »International Campaign to Abolish Nuclear Weapons«. Der Pariser Tageszeitung Libération sagte Fortin in der vergangenen Woche: »Der Waffentransfer ist vor und während des Jemen-Konflikts geradezu explodiert – man muss dazu wissen, dass Verträge über Waffenlieferungen in der Regel rund fünf Jahre vor dem (geplanten, jW) Konflikt vorbereitet werden.«
Selbstverständlich enthalten die Verträge Frankreichs mit Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrain, Jordanien, Kuwait und Marokko auch die Einweisung am Kriegsgerät sowie Wartung und Lieferung von Ersatzteilen. Observatoire-Sprecher Fortin: »Das kann noch Jahrzehnte so weitergehen. Einige Unternehmen haben sich inzwischen dort niedergelassen und arbeiten Hand in Hand mit den Saudis. In Abu Dhabi hat die französische Armee einen Stützpunkt. Er ist sozusagen das Schaufenster der Rüstung Marke Frankreich.«
Auf Merkels offenbar wachsende Bedenken wegen der Geschäfte mit arabischen Despoten angesprochen, ließ Macron die Journalisten auf der Euronaval wissen: »Ich kann nicht jedesmal reagieren, wenn irgendein (Staats)dirigent etwas sagt.« Und an die Fragenden gewandt: »Daher werde ich Ihnen nicht antworten.«

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