Dienstag, 30. Oktober 2018

Merkel sagt Staatsgeld für Flüssiggasterminal an der Nordseeküste zu. Konzession an Trump für Duldung von »Nord Stream 2«?

Kein Gewinn erforderlich


Von Reinhard Lauterbach
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Gastanker an der Anlegestelle zur Verladung von Flüssiggas im niedersächsischen Stade (1.6.2018)
Die Bundesregierung ist offenbar bereit, einige hundert Millionen Euro in den Bau eines Flüssiggasterminals an der deutschen Nordseeküste zu investieren. Dies berichtete vor einigen Tagen zuerst das Wall Street Journal. Als Standort seien Brunsbüttel, Stade oder Wilhelmshaven im Gespräch. Die Höhe der staatlichen Subvention für das Terminal betrage allein an Bundesmitteln 500 Millionen Euro, außerdem könnten noch Fördergelder der Bundesländer Schleswig-Holstein oder Niedersachsen sowie der EU fließen. Die Welt zitierte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der Aussage, es komme dabei nicht darauf an, ob das Terminal gewinnbringend arbeite; es handle sich um eine strategische Entscheidung. Sie lautet: Diversifizierung der Rohstoffquellen der BRD. Bisher wird der deutsche Gasbedarf zu etwa 60 Prozent über verschiedene Pipelines aus Russland gedeckt, der Rest aus Norwegen und den Niederlanden, beides mit abnehmender Tendenz wegen zur Neige gehender Vorräte.
Die Entscheidung für den Bau eines Flüssiggas- oder LNG-Terminals kann immerhin kurzfristig dazu taugen, den politischen Druck gegen den Bau des zweiten Strangs der Ostseepipeline »Nord Stream 2« zu parieren. Zumindest wenn man Donald Trump für einen Menschen hält, den man an seine Worte von gestern erinnern darf, sollte damit dem US-Interesse Rechnung getragen sein, durch Fracking gewonnenes Flüssiggas in Deutschland wenigstens anbieten zu können – in Konkurrenz zu anderen Herkunftsländern wie Katar, Algerien oder sogar Australien. Zeit vergeht in jedem Falle: Der Bau des Terminals ist eine Sache, die Jahre dauert, außerdem müsste auch eine entsprechende Tankerflotte gebaut werden.
»Nord Stream 2« aber behielte in diesem Szenario zumindest kurzfristig zwei seiner strukturellen Vorteile: den relativ fortgeschrittenen Bau und die Kostenvorteile des Pipelinegases. Obwohl Dänemark nach wie vor die Genehmigung verweigert, die Pipeline in seinen Gewässern zu verlegen, hat die ausführende Gesellschaft an beiden Enden, in den deutschen wie in den finnischen Gewässern, bereits mit der Verlegung der Röhren begonnen. Auch die Anschlussleitung »Eugal«, die Gas aus »Nord Stream 2« von der Ostseeküste nach Süden in die Tschechische Republik (und von dort weiter in die Slowakei und nach Südpolen) transportieren soll, wird in Brandenburg und Sachsen schon gebaut. Man will offenkundig vollendete Tatsachen schaffen. Und ob die Leitung letztlich wegen einer eventuellen Umgehung der dänischen Hoheitsgewässer etwas länger wird, macht nach Betreiberangaben angesichts eines Investitionsvolumens von 10 Milliarden Euro keinen großen Unterschied.
Zu den Kosten des Pipelinegases hat die Branchenseite oilprice.com vor kurzem eine neue Berechnung vorgelegt. Danach würden die Selbstkosten des russischen Gases aus dem Feld »Juschno-Russkoje« (es liegt trotz seines Namens – »Südrussisches« – im hohen Norden Sibiriens, knapp südlich der Eismeerküste) bei 2,85 US-Dollar pro »Britischer Wärmeeinheit« (das ist die Einheit, in der Energiemengen auf dem Markt berechnet werden; sie entspricht 26,4 Kubikmeter Erdgas) liegen – gegenüber mindestens sechs Dollar für US-Flüssiggas. Mit dieser Annahme einer Preisdifferenz von etwa 100 Prozent rechnet das Portal zurückhaltend; andere Quellen geben Unterschiede von bis zu 300 Prozent an.
Entsprechend sind die Flüssiggaslobbyisten derzeit dabei, diesen Kostennachteil mit allen Mitteln zu verschleiern. Polen etwa, das sich ab 2022 von russischen Gaslieferungen ganz unabhängig machen will, erklärte neulich mit triumphaler Geste, es habe einen Vertrag mit der US-Gasfirma Venture Global LNG über die Lieferung von jährlich 2,7 Milliarden Kubikmeter US-Flüssiggas ab 2022 geschlossen. Das entspricht etwa 30 Prozent der Gasmenge, die Polen bisher bei Gasprom kauft. Gemogelt wurde auf der Pressekonferenz aber offensichtlich beim Preis: Der staatliche polnische Gaskonzern PGNiG jubelte, das Gas sei billiger als das russische. Bei näherem Hinsehen bestätigt sich dies aber nicht. Denn der Preis versteht sich »Free on Board«, d. h. frei Verladehafen am Golf von Mexiko. Die Transportkosten kommen also noch dazu. Und die sind proportional der Entfernung, über die das Gas verschifft werden muss – vor allem wegen der Zahl der Schiffe, die bei gegebener Entfernung erforderlich ist, um eine kontinuierliche Belieferung sicherzustellen.
Darauf setzten übrigens Russland und, vielleicht sogar in einer stillschweigenden Allianz, die Bundesrepublik. Denn in den Artikeln über den Bau des künftigen LNG-Terminals an der Nordseeküste war am Rande auch von Plänen für ein ähnliches Terminal in Rostock die Rede – mit Kapitalbeteiligung des russischen Energiekonzerns Nowatek und beinahe vor der Haustür des neuen LNG-Terminals, das Russland im Hafen von Ust-Luga westlich von St. Petersburg errichtet. Wenn also »Nord Stream 2« doch aus politischen Gründen nicht gebaut werden sollte, könnte Russland auch Flüssiggas anbieten – nur dann eben teurer als das aus der Röhre, zum eigenen Nutzen und zum Schaden der Konsumenten. Umweltbedenken wie bei der Pipeline könnten hier nicht vorgeschoben werden: Schließlich beziehen Polen und Litauen ihr LNG auf demselben Wege.

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