Sonntag, 17. Juni 2018

Freie Wahlen zu verkaufen (Horst Schäfer)

Da im Kapitalismus alles käuflich ist, gilt das auch für Wahlen. Das mögen sich die Chefs und Drahtzieher der US-britischen Firma Strategic Communication Laboratories Group (SCL) und ihrer US-Tochter Cambridge Analytica (CA) gedacht haben, als sie die Datensätze von 87 Millionen Kunden von Facebook für massive illegale Wählerbeeinflussung nutzten. Sie ermöglichten damit 2016 gegen ein Millionen-Honorar die Wahl von US-Präsident Donald Trump.

SCL machte sich auch mit weltweiten militärischen Desinformations-Kampagnen einen Namen und arbeitete dabei mit der britischen Regierung, der NATO und dem Pentagon zusammen.

Beide Firmen – CA und SCL strukturieren sich gerade wegen »Insolvenz« um – waren schon ein besonderes Kaliber.

Als Vizepräsident von Cambridge Analytica agierte Steve Bannon, Chef der rechtsextremen Breitbart News, Wahlkampfleiter von Trump, später Chefstratege im Weißen Haus und Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates NSC. Zu den Hintermännern und Finanziers gehörten der US-Multimilliardär Robert Mercer sowie John Bolton. Das ist der alte Mann mit dem Schnauzbart, ein in der Wolle gefärbter heißer Krieger, der neuerdings oft neben Trump sitzt, weil der ihn zu seinem Sicherheitschef und wichtigsten Berater – seinem Henry Kissinger – ernannt hat.

Über Bolton sollte man noch wissen, dass er zu den Autoren eines reaktionären Memorandums von September 2000 gehört, dem »Projekt für das Neue Amerikanische Jahrhundert«. Dort steht, für seine Verwirklichung sei ein »Transformationsprozess« nötig, der »wahrscheinlich noch lange auf sich warten lassen wird, wenn nicht ein katastrophales und katalytisches Ereignis eintritt – wie ein neues Pearl Harbor«. Genau ein Jahr später war der schlimme Terroranschlag in New York City.

Seit Jahren wirbt Bolton auch aggressiv für einen Regime-Wechsel im Iran.

Diese Geschichte hat aber auch mit einem der Scharfmacher gegen Russland in der Bundesregierung zu tun, mit Außenminister Heiko Maas (SPD). Einen Tag nach dem US-amerikanisch-französisch-britischen Raketenüberfall auf Syrien billigte Maas diesen Völkerrechtsverstoß und behauptete im ZDF als zusätzliche Begründung für den Terrorangriff: »Wir haben die Beeinflussung von Wahlen im Westen durch russische Organisationen.«

Beweise dafür lieferten weder er noch all die anderen, die seit Monaten ähnliche Meldungen in die Welt setzen, um nach der Methode »Haltet den Dieb« von eigenen Schweinereien abzulenken. Hier der neueste Desinformations-Hit nach dem Zusammenbruch der Skripal-Affäre: Die Unabhängigkeitsbestrebungen der Katalanen wurden laut Bundesverfassungsschutz von Russland angestiftet …

Zur Wahlbeeinflussung liegen schon seit Monaten handfeste Fakten vor, die Maas und der Bundesregierung allerdings nicht zu passen scheinen. Denn seit dem Skandal um CA und SCL sind die schmutzigen Methoden dokumentiert, mit denen der Westen »freie« Wahlen käuflich macht.

Cambridge Analytica und SCL unter ihrem Co-Chef Alexander Nix waren die Unternehmen, mit deren Hilfe Parteien oder Regierungen Wahlen kaufen konnten. Nix hat mehrfach stolz verkündet, seine Firmen hätten dutzende Wahlen in der ganzen Welt beeinflusst.

Laut ihrer eigenen inzwischen abgeschalteten Website hat SCL, so die englische Wikipedia, seit 1994 in rund 20 Staaten Wahlen mit psychologischen Mitteln und Desinformationskampagnen beeinflusst, darunter in Großbritannien, Italien, Lettland, der Ukraine, Albanien, Rumänien, Indien und Indonesien. SCL habe darauf verwiesen, dass ihre »Methodik« von Regierungsbehörden in Großbritannien und den USA »genehmigt oder unterstützt wurde«.

Die US-Journalistin Sharon Weinberger berichtete, SCL habe auch damit geworben, bei der erfolgreichen Vorbereitung von Staatsstreichen geholfen zu haben. Wie die New York Timesschreibt, habe sich die Firma im Auftrag der britischen Regierung mit pakistanischen Dschihadisten »befasst« und die militärische US-Aufklärung im Iran, in Libyen und Syrien unterstützt.

Die Präsidentschaftswahl von Trump war der größte Erfolg von CA. Dank Facebook war es möglich, die psychologische Wahlbeeinflussung bis auf kleinste Wählergruppen in den USA herunterzubrechen. Die Firma brüstete sich auch, Einfluss auf den Brexit-Volksentscheid Großbritanniens genommen zu haben.

Einige der besonders schmierigen Varianten der Wählerbeeinflussung wurden bekannt, als der britische TV-Sender Channel 4 Mitte März 2018 Mitschnitte eines mit versteckter Kamera gefilmten Treffens von angeblich potenten Wirtschaftsbossen aus Sri Lanka – alles Mitarbeiter des Senders – mit Alexander Nix und zwei seiner Kollegen veröffentlichte.

Die Leute von CA kamen gleich zur Sache: Man könne zum Beispiel »einige sehr schöne Mädchen« – so aus der Ukraine – zum alternativen Wahl-Kandidaten schicken. CA ließ durchblicken, Konkurrenten könnten erpresst und verleumdet und es könne »Schmutz ausgegraben« werden. Man verfüge über Leute, »die für MI5 und MI6« (des britischen Geheimdienstes) tätig waren und heute bei CA beschäftigt seien, denn »wir arbeiten zusammen mit solchen speziellen Organisationen«, die »solche Informationen finden«.

CA füttere dann das Internet damit. Alles geschehe, »ohne dass irgendjemand denkt, es ist Propaganda«. Man gehe »sehr subtil« vor, arbeite mit Tarnnamen sowohl der Personen als auch der Firma und sorge dafür, »dass es keine Dokumente mit unserem Namen gibt«.

Nix unterstrich. »Wir können gefälschte Pässe und Websites herstellen« und als Studenten oder Touristen auftreten. Zur Wahlbeeinflussung genutzt würden  auch »Wohltätigkeitsorganisationen und Aktivistengruppen – wir füttern sie mit Material und sie machen die Arbeit.«

CA habe gerade »ein sehr erfolgreiches Projekt in einem osteuropäischen Land« durchgeführt. Der Einfluss von CA war verdeckt, denn »sie kamen als Geister und gingen als Geister«. Man verschwinde, »ohne eine Spur zu hinterlassen«.

Als die »Wirtschaftsbosse« aus Sri Lanka wissen wollten, wie sie die Leistungen von CA bezahlen könnten, hieß es: »Über einige britische und israelische Firmen.«

Müssen sich jetzt die Käufer »freier« Wahlen nach der Insolvenz von CA und SCL Sorgen machen? Natürlich nicht. Beide Firmen haben offenbar mit fast identischen Chefs, Mitarbeitern, Geldgebern und sogar der alten Adresse einen neuen Wahlverkäufer gegründet: CA und SCL heißen jetzt Emerdata.

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