Mittwoch, 28. August 2019

[Chiapas98] Umzingelung durchbrochen (nd 22.8.2019)

nd 22.8.2019
 
Politik / EZLN
 
Umzingelung durchbrochen
 
Zapatisten erweitern ihr autonomes Einflussgebiet in Südmexiko
 
Von Luz Kerkeling
 
Die linke, indigen geprägte Bewegung der Zapatistischen Armee zur nationalen Befreiung (EZLN) hat ihren Einfluss im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas deutlich erweitert. Nach über Tausend basisdemokratischen Gemeindeversammlungen und Mobilisierungsarbeit im Untergrund in den vergangenen drei Jahren wurden ohne Waffengewalt weitere regierungs- und parteiunabhängige Parallelstrukturen aufgebaut. Diese Gremien, die als »Räte der guten Regierung« bezeichnet werden, organisieren aufgrund des Versagens, der Ausbeutungspraxis und der Repression des mexikanischen Staates erfolgreich eigenständig Bereiche wie Bildung, Frauen- und indigene Rechte, Gesundheit, solidarische Ökonomie, Sicherheit sowie die Vernetzung mit linken sozialen Bewegungen in ganz Mexiko und weltweit.
 
Die Sitze der zapatistischen Räte werden als »Caracoles« (deutsch: Schneckenhäuser) bezeichnet und fungieren als autonome Verwaltungszentren für jeweils mehrere Zehntausend Menschen. Sie koordinieren die autonomen Landkreise, Dörfer und Städte. Das Besondere ist, dass die Struktur »von unten nach oben« funktioniert - alle Mandate sind stets nur von der Basis »geliehen« und alle Beauftragten können jederzeit abberufen werden.
Neben den fünf bereits existierenden Caracoles wurden nun sieben weitere gegründet, darüber hinaus stieg die Anzahl der autonomen Landkreise von 27 auf 31. In einem Kommuniqué mit dem Titel »Wir haben die Umzingelung durchbrochen« vom 17. August schreibt Subcomandante Moisés, Sprecher der EZLN: »Nach Jahren der geheimen Arbeit, trotz der Belagerung, trotz der Lügenkampagnen, trotz der Diffamierungen, trotz der Militärpatrouillen, trotz der Nationalgarde, trotz der als soziale Programme getarnten Aufstandsbekämpfungskampagnen, trotz des Vergessens und der Verachtung sind wir gewachsen und stärker geworden. Gegen die Verachtung der Mächtigen, die uns als unwissend und dumm abtun, setzen wir Intelligenz, Wissen und Vorstellungskraft ein.«
 
Chiapas ist seit dem zweiwöchigen bewaffneten Aufstand der EZLN von 1994 einer der militarisiertesten Bundesstaaten Mexikos. Doch ausgerechnet die sozialdemokratische Regierung unter Präsident Andrés Manuel López Obrador hat die Militarisierung sogar noch weiter vorangetrieben. Der Präsident hat eine 58 000 Mann starke »Nationalgarde« gegründet, da die Sicherheitskräfte für ihre Zusammenarbeit mit den Drogenbanden berüchtigt sind. Mit insgesamt über 230 000 Soldaten sind so viele Militärs wie noch nie im Einsatz und leisten vermeintlich polizeiliche Arbeit zum Schutz der Bevölkerung, die nicht von der Verfassung gedeckt ist.
 
Die Hochrüstung der Streitkräfte wird von Menschenrechtsorganisationen massiv kritisiert. Besonders pikant ist, dass das Militär meistens nicht dort stationiert ist, wo die Kriminalitätsrate pro Kopf besonders hoch ist, sondern wo ökonomische Großprojekte wie Berg- und Tagebau, agrarindustrielle Monokulturen wie Ölpalmen oder Tourismusprojekte geplant oder bereits im Entstehen sind, etwa auf der Halbinsel Yucatán und in Nord-Chiapas. Auch die ressourcenreichen und indigen geprägten Nachbarbundesstaaten Oaxaca und Guerrero sind von der Militarisierung betroffen. Gleichzeitig erfüllt Mexiko mit der Kontrolle der Grenze zu Mittelamerika die Aufgabe, Menschen abzuwehren, die in die USA migrieren wollen.
 
Dennoch bleibt die Ausweitung der Caracoles ein Erfolg. Präsident López Obrador sah sich ob des großen Rückhalts der EZLN in der Bevölkerung vor Ort genötigt, die Ausweitung der zapatistischen Strukturen öffentlich zu begrüßen.
 
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1124670.ezln-umzingelung-durchbrochen.html
 
 
 
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