„… Auch im Bündnis Zwangsräumung verhindern will man diesen Mietendeckel verteidigen. Sprecher Malte Schmieder spricht vom „weitgehendsten Markteingriff in der Geschichte der BRD“. Weil es nun ernsthaft um die Rendite gehe, werde es „dirty“. Was das heißt, war schon zu lesen. „Die Linken zünden Berlin an“, schrieb die Berliner Morgenpost über die Mietendeckel-Vorschläge. Dort und im Tagesspiegel wurde am Montag über den Einfluss der radikalen Linken auf die Senatorin gemutmaßt. Die Politik erinnere an die Streitschrift „Das Rote Berlin“, die das postautonome Bündnis Interventionistische Linke (IL) vergangenes Jahr herausgegeben hatte; Mietenexperte Andrej Holm sei das Bindeglied. IL-Sprecher Stefan Alt sagte auf Anfrage, sie würden sich freuen, wenn sie so viel Einfluss hätten. Tatsächlich aber spreche weder Lompscher mit ihnen noch gäbe es Verbindungen zu Holm. „Wir wollen mehr, als R2G jemals umsetzen wird“, so Alt und nennt die Demokratisierung des Wohnungssektors und die „Abschaffung des privaten Wohnungsmarktes“ als Ziel. „Die Investoren werden nach jeder Lücke suchen, gegen alles klagen“, ist Alt überzeugt, daher sei deren Vergesellschaftung unausweichlich…“ – aus dem Artikel „Jetzt wird’s dirty“ von Erik Peter am 26. August 2019 in der taz online , worin die ersten Reaktionen durchaus verschiedener Seiten Gegenstand sind. Zu weiteren Reaktionen auf die Idee einer Mietsenkung und dem dadurch verursachten Niedergang (des Wirtschaftsstandortes? Des Abendlandes? Des christlichen Kulturkreises? – in jedem Fall: Welcome) fünf aktuelle Beiträge:
- „Mietendeckel in Berlin: „Sozialistischer und verfassungswidriger Amoklauf““ von Timot Szent-Ivanyi am 26. August 2019 in der FR online zu Koalitions- und anderen Parteireaktionen auf eine theoretisch mögliche Mietsenkung: „… Das geht nun selbst den wohlmeinenden Koalitionspartnern viel zu weit: SPD und Grüne sind am Montag auf Distanz zu den Plänen der Berliner Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) für einen Mietendeckel gegangen. Zwar müsse die „spekulative Gier auf dem Wohnungsmarkt“ gestoppt werden, sage SPD-Vize und Innensenator Andreas Geisel. „Auf dem Weg dorthin dürfen wir das Augenmaß aber nicht verlieren“, warnt er: „Nicht der radikalste Vorschlag ist der beste, sondern der wirksamste Vorschlag.“ Für die Grünen sagte Vize-Regierungschefin und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop, man müsse einen „vernünftigen Interessenausgleich zwischen Mieterschutz und einem rechtmäßigen Eingriff in den überhitzten Berliner Mietenmarkt erreichen.“ Nicht jeder Vermieter dürfe unter Generalverdacht der Spekulation gestellt werden. (…) Auch in der Bundes-SPD gab es heftige Kritik. Der Mittelstandsbeauftragte der Partei, Harald Christ, forderte den Rücktrtt von Lompscher; sie schade dem Wirtschaftsstandort Berlin. Die Union erneuerte ihre Ablehnung. Der Rechtspolitiker der Unionsfraktion Jan-Marco Luczak sagte, es werde nicht einmal der Versuch unternommen, die Interessen von Eigentümern und Mietern auszugleichen. „Der Wohnungsmarkt wird damit geradewegs in eine sozialistische Planwirtschaft geführt, Mieten werden staatlich festgesetzt, staatlich überwacht und Vermieter kriminalisiert“, kritisierte der CDU-Politiker. Er sprach von einem „sozialistischen und verfassungswidrigen Amoklauf“. Die FDP will das Vorhaben durch ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall bringen…“
- „Sind so Ideen von Mieterschutz“ von Stefan Alberti am 27. August 2019 in der taz online über die eilige Reaktion des Koalitionärs: „… Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hat am Dienstag wenig Zweifel daran gelassen, dass es einen Mietendeckel nicht so wie von seiner Senatskollegin Katrin Lompscher (Linke) gewünscht geben wird. Kollatz verwies dazu auf Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts, wonach eine Miethöhenregulierung nicht zu dauerhaften Verlusten für Vermieter oder zu verfallenden Gebäuden führen. Das, was derzeit in der Diskussion ist, nannte Kollatz lediglich „Ideen“ in der federführenden Senatsverwaltung für Stadtentwicklung – „was davon später in einen Gesetzentwurf aufgenommen wird und was nicht, ist noch offen“. Am Wochenende waren eben diese Überlegungen bekannt geworden, in denen es auch um Mietsenkungen geht. Demnach sollen nach Alter und Ausstattung der Wohnung nur noch Kaltmieten von 3,42 bis 7,97 Euro möglich sein – die Lage soll dabei keine Rolle spielen. Ausgenommen wären Neubauten ab 2014. Bundesweit löste das Verblüffung bis Widerstand aus: „Eine Subvention der gut gestellten Berliner in ihren mondänen Altbauwohnungen in Charlottenburg oder längst auch in Prenzlauer Berg“, urteilte am Dienstag etwa die Süddeutsche Zeitung. Als einige SPD-Politiker im Januar einen Mietendeckel vorgeschlagen hatten, verstanden die diesen Deckel so, die Mieten für fünf Jahre nicht abzusenken, sondern einzufrieren...“
- „Bürgerliche Beißreflexe gegen den Mietendeckel in Berlin“ von Christopher Stark am 27. August 2019 bei telepolis kommentiert seine Sammlung von einschlägigen Beiträgen abschließend unter anderem so: „… Die Mehrheit der Bevölkerung in Berlin (und anderen Großstädten) hat die Mantren vom heiligen freien Markt satt. Sie wollen einfach nur leben können und nicht der Spielball internationaler Investoren und Spekulanten sein. Es geht um nichts weniger als um das Menschenrecht Wohnen. Und wenn es nicht der Deckel sein soll, dann wäre es eine Überlegung wert, alle Wohnungen zu Genossenschaftswohnungen umzuwandeln. Oder noch besser: zu Wohnungen des Miethäusersyndikats. Worauf warten wir? Das alles ist noch recht handzahm, vergleicht man mal die Wut der 1970er Jahre mit der schon damals vorherrschenden Marktradikalität (die heute freilich noch hundertmal schlimmer geworden ist, als man es damals hätte ahnen können). Zur Besetzung des Berliner Bethanien-Krankenhauses im Westberlin der 1970er Jahre sang die Band “Ton Steine Scherben” bereits 1972 so treffend: “Der Senator war stinksauer, die CDU war schwer empört – Dass die Typen sich jetzt nehmen, was ihnen sowieso gehört.”
- „Die Europäische Bürgerinitiative „Housing for All“ fordert eine soziale Wohnungspolitik“ von Werner Rügemer in der Ausgabe 5/2019 der ver.di Mitgliederzeitung publik weist unter anderem auf die „Vorgeschichte“ und die Bedeutung der heutigen Explosion der Mietpreise hin: „… Selbst der Internationale Währungsfonds (IWF) in Washington, gewiss kein Kapitalismus-Kritiker, warnt: Die Explosion der Wohnungsmieten und Wohnungspreise in den Städten der reichen Staaten gefährdet die wirtschaftliche Entwicklung. 60 Prozent Mietsteigerung seit einem Jahrzehnt. Die Erfüllung von „basic needs“, der Grundbedürfnisse für die Mehrheit der Menschen, nämlich auskömmliche Arbeit, gesunde Ernährung, sicheres Wohnen, ist gefährdet, so der IWF. Mit anderen Worten: Es geht um die elementaren Menschenrechte. Die Immobilienspekulation in den USA hatte 2008 die Finanz- und Wirtschaftskrise ausgelöst. Trotzdem wurden Banken und Investoren nicht an die Kandare genommen, im Gegenteil. Der größte Kapitalorganisator der westlichen Welt, BlackRock, berät die Zentralbanken, auch die Europäische Zentralbank (EZB). Und die gaben BlackRock&Co üppige Kredite zum Nullzins, damit unter anderem in Deutschland mit Vonovia, Deutsche Wohnen, LEG und TAG in wenigen Jahren die größten Wohnungskonzerne zusammenkauft werden konnten. Berlin, München, Warschau, Barcelona, Stockholm, Salzburg – gezielt werden in den „Schwarmstädten“ Wohnungen aufgekauft, wo ohnehin schon Wohnungsnot herrscht und wo noch mehr Menschen zuziehen. Die „Konservativen“ unter Margret Thatcher in Großbritannien haben in der EU, der Europäischen Union, den Anfang gemacht. Die CDU/CSU/FDP-Regierung unter Kanzler Helmut Kohl, CDU, hat die Gemeinnützigkeit der Wohnungsgenossenschaften aufgehoben, hat die Eigenbedarfskündigung der Wohnungskäufer eingeführt, hat in ihrem Privatisierungswahn die Eisenbahnerwohnungen verkauft. Dann holte die SPD/Grüne-Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder, SPD, die „Heuschrecken“ Fortress, Cerberus, Permira, Whitehall ins Land. Und schließlich kamen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, die ganz Großen wie BlackRock...“
- „Mietenpolitik = Terrorismus? Warum bezahlbarer Wohnraum auf der Straße erkämpft werden muss“ von Stefan Schneider am 26. August 2019 bei Klasse gegen Klasse über Reaktionen wie jener in der „Morgenpost“: „… Das ist nicht einfach nur überzogenes Getöse einer verängstigten Spekulanten-Freundin. Es ist eine konkrete Kampfansage. In den Kommentaren konservativer Berliner Zeitungen und in den Presseerklärungen der Wohnungskonzerne ist überall derselbe Tenor zu hören: Wenn ihr wirklich ernst machen wollt mit einer Wohnungspolitik, die effektiv den steigenden Mieten den Riegel vorschieben kann, gehen wir auf die Barrikaden und schießen aus allen Rohren. Wer uns an die Rendite will, den*die brandmarken wir als Terrorist*in. Doch es schwingt bei ihnen auch ein Fünkchen Hoffnung mit: Es ist ja nur ein Referent*innenentwurf, der noch nicht einmal intern abgestimmt ist. Wahrscheinlich scheitert er eh an den Koalitionspartnern SPD und Grüne…“
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