Tageszeitung junge Welt
23.08.2019, Seite 7 / Ausland
EZLN Mexiko
Belagerung durchbrochen
Zapatisten verkünden Ausweitung des Einflussgebiets im mexikanischen Bundesstaat Chiapas
Von Manu Fürtig
Am vergangenen Wochenende hat die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) eine Ausweitung ihres Einflussgebiets imsüdmexikanischen Bundesstaat Chiapas verkündet. In einem am 17. August veröffentlichten Kommuniqué heißt es, die Organisation habesieben neue »Caracoles« gegründet sowie vier neue »autonome Gemeinden« geschaffen. Diese befinden sich in Amatenango del Valle, Chicomuselo, Chilón, Motozintla, Ocosingo, San Cristóbal de las Casas sowie Tila. Die »Caracoles« sind politisch-kulturelle Institutionen, die gleichzeitig als Sitz der basisdemokratischen »Räte des guten Regierens« dienen. Damit verfügt die Bewegung nun über insgesamt 43»zapatistische Zentren«, in denen das Leben unabhängig von staatlichen Strukturen organisiert wird.
Die Erweiterung des Einflusses über die Grenzen des bisherigen Aufstandsgebiets sei das Resultat kontinuierlicher Arbeit der zapatistischenBasis, insbesondere »der Frauen und jungen Zapatistas«, so Subcomandante Moisés, der als Verfasser des Kommuniqués auftritt. »Nach Jahren der verschwiegenen Arbeit, trotz Belagerung, Lügenkampagnen, Diffamierungen, Militärpatrouillen, Nationalgarde, der als Sozialprogramme getarnten Aufstandsbekämpfung, des Vergessens und der Verachtung sind wir gewachsen und stärker geworden.« Nun
habe man »die Belagerung durchbrochen« – unter anderem durch eine Vielzahl von Gemeindeversammlungen, auf denen über Art und Weiseder Organisierung diskutiert worden sei. So hätten die Aufständischen unzählige Male ihre Gebiete verlassen, um mit den Menschen der Region ins Gespräch zu kommen und die Situation zu analysieren. All dies, ohne dass es den zahlreichen Polizei- und Militäreinheiten, die das zapatistische Gebiet zunehmend belagerten, aufgefallen sei.
Teil dieser Einheiten ist auch die neugegründete Nationalgarde, die direkt dem mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obradorunterstellt ist. Dieser hatte die Gründung neuer »autonomer Gemeinden« am Montag in seiner morgendlichen Pressekonferenz zunächstbegrüßt. Dabei ist das Verhältnis zwischen López Obrador und den Zapatisten durchaus angespannt. So wird in dem Kommuniqué als ein weiterer Grund für das Anwachsen der organisatorischen Strukturen der EZLN die repressive Politik der letzten Jahre, insbesondere seit Beginn der Amtszeit des neuen Präsidenten genannt. So seien seit Dezember 2018 bereits Dutzende soziale Aktivisten umgebracht worden.
Die nun verkündete Eröffnung der neuen Zentren spricht dafür, dass es der zapatistischen Bewegung gelungen ist, ihre Basis in der Bevölkerung zu vergrößern. Die EZLN war 1994 erstmals öffentlich in Erscheinung getreten. Am 1. Januar, dem Tag des Inkrafttretens des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA, besetzten bewaffnete Kämpfer gleichzeitig fünf Rathäuser in Chiapas und erklärten der mexikanischen Regierung den Krieg. Diese zeigte sich nach zwölf Tagen zu Verhandlungen über einen Waffenstillstand bereit, in dessen Nachgang die EZLN in mehreren Gemeinden eine De-facto-Autonomie schuf.
Neu am Vorgehen der zapatistischen Bewegung ist, dass sie explizit dazu einlädt, die neu geschaffenen »Zentren des autonomen Widerstands und der zapatistischen Rebellion« mitzugestalten. Des weiteren lädt die EZLN zu zahlreichen Treffen ein, darunter ein »Forum zur Verteidigung des Territoriums und der Mutter Erde«. Dieses soll im Oktober stattfinden und zusammen mit dem Nationalen Indigenenkongress organisiert werden und dazu dienen, gemeinsam Lösungen für die Problematiken der indigenen Bevölkerung zu finden. Auch Treffen mit internationaler Beteiligung wie das Kunstfestival »Comparte« sind geplant.
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