Montag, 25. Februar 2019

Französisches Regierungsmitglied betont gegenüber BRD Notwendigkeit gemeinsamen Aufrüstens

EUROPÄISCHE RÜSTUNGSPOLITIK

Le Maire verlangt »Entgegenkommen«


Der französische Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hat von der Bundesregierung ein »Entgegenkommen« bei Waffenexporten in Drittstaaten gefordert. »Es ist nutzlos, durch verbesserte Kooperation zwischen Frankreich und Deutschland Waffen herzustellen, wenn man nicht in der Lage ist, sie zu exportieren«, sagte Le Maire Welt am Sonntag. Wolle man »wettbewerbsfähig und effizient sein«, müsse man »in der Lage sein, auch in Länder außerhalb Europas zu exportieren«, sagte Le Maire. Gegenwärtig sind die in der Bundesrepublik für Waffenexporte in Drittstaaten geltenden Regeln vergleichsweise restriktiver als in Frankreich. Die beiden Staaten haben vereinbart, künftig noch enger bei der Entwicklung und Produktion von Waffen zusammenzuarbeiten. Der kürzlich geschlossene Vertrag von Aachen sieht beispielsweise einen »gemeinsamen Ansatz für Waffenexporte« vor. Deutschland müsse in dieser Hinsicht zu Kompromissen bereit sein, sagte Le Maire.
Der französische Minister begründete seine Mahnung mit einer düsteren Weltlage. »Wir leben in einer gewalttätigen Welt, in wirtschaftlicher und verteidigungspolitischer Hinsicht«, sagte Le Maire. Verteidigungsmittel, eine starke Armee und »aus wirtschaftlicher Sicht« mehr Innovation, Investitionen und »mehr Schutz«: Dies sei Le Maire zufolge »genau das«, was Frankreich gemeinsam mit der Bundesrepublik und den übrigen europäischen Staaten aufbauen wolle.
Die Regierungen Frankreichs und auch Großbritanniens haben die deutsche Rüstungsexportpolitik zuletzt heftig kritisiert und gefordert, dass die Bundesregierung europäische Gemeinschaftsprojekte wie den Eurofighter oder den Tornado von einem Exportstopp gegen Saudi-Arabien ausnehmen soll. Der deutsch-französische Luftfahrtkonzern Airbus fordert dies ebenfalls.
Die Bundesregierung hatte im November nach der Ermordung des regierungskritischen Journalisten Dschamal Chaschukdschi (engl.: Jamal Khashoggi) im saudischen Generalkonsulat in Istanbul alle Rüstungsexporte in das Königreich abgebrochen – einschließlich bereits genehmigter. Dabei soll es um Geschäfte im Wert von etwa 1,5 Milliarden Euro gehen. Die Unterbrechung wurde zunächst auf zwei Monate befristet, Ende Dezember aber bis zum 9. März verlängert. NATO-Mitgliedsstaaten wie das Vereinigte Königreich und Frankreich schließen dagegen weiter Waffengeschäfte mit dem saudischen Herrscherhaus ab. (AFP/Reuters/jW)

CHINESISCHES KINO In Zeiten des Wandels

Ästhetisch ermutigend, aber der Sozialismus fehlt. Die Filme der Volksrepublik China auf der diesjährigen Berlinale
Von Kai Köhler
Wer das Programm eines Filmfestivals zusammenstellt, muss bereit sein zum Wagnis. Im Normalfall liegen die Werke noch nicht fertig vor. Entscheidungen fallen auf der Grundlage von Rohfassungen; zumeist spielen auch die Namen der Beteiligten eine Rolle, deren Ruhm oder die Erinnerung an Pleiten.
Wenn dann im Vorfeld des Festivals Pressevorführungen laufen, sieht man zuweilen nicht die Endversionen. Es wird dann angesagt, dass noch an der Farbgebung oder der Klangmischung gearbeitet werden muss. Das kann sogar noch für die Fassung gelten, die das Publikum während des Filmfests sieht und die noch bearbeitet wird, bevor der Film in die Kinos kommt. Ganz ungewöhnlich ist es aber, wenn ausgewählte Werke zurückgezogen werden, weil die Postproduktion nicht fertig sei.
Dies geschah bei der diesjährigen Berlinale (7. bis 17. Februar) mit gleich zwei Filmen aus der Volksrepublik China. Wenige Tage vor Beginn des Festivals wurde »Shao nian de ni« (»Better Days«) abgesagt; man hätte die Geschichte einer Schülerin sehen können, die sich auf die lebensentscheidende Uniaufnahmeprüfung vorbereitet, mit Mobbing konfrontiert ist und in weitere Schwierigkeiten gerät, als ein Kleinkrimineller sie beschützt. Weil der Film für die Jugendsektion »Generation« vorgesehen war, wurde dieser Ausfall noch wenig beachtet. Um so größer war die Aufmerksamkeit, als vier Tage vor der Premiere Zhang Yimous »Yi miao zhong« (»One Second«) wegfiel. Hier ging es um einen weltbekannten Regisseur und einen Beitrag zum Wettbewerb um die Hauptpreise. Zudem war der politische Bezug offensichtlicher: Dieser Film spielt während der Kulturrevolution.

Nur ein Kind

Natürlich wurde sofort vermutet, es handele sich um Zensur; natürlich lässt sich das so wenig beweisen wie widerlegen. Käme es jemals zu einem Indizienprozess, so könnte man auf den zweiten chinesischen Wettbewerbsbeitrag verweisen, auf »Di jiu tian chang« (»So Long, My Son«) von Wang Xiaoshuai. Gäbe es einen Zensor, der diesen Film ins Ausland ließ, so müsste der sehr weitherzig oder sehr dumm sein.
Im Zentrum steht ein Elternpaar Yaojun und Liyun, gespielt von Wang Jingchun und Yong Mei, die zu Recht Auszeichnungen als bester Darsteller und beste Darstellerin erhielten. Diese beiden kommen mit ihrem Adoptivsohn nicht zurecht. Bald begreift man, dass es kein Wunder ist, wenn dieser Junge sich ihnen entzieht: Bis hin zum aufgezwungenen Namen muss er den Ersatz spielen für den biologischen Sohn der Eltern, der bei einem Badeunfall ertrunken ist.
Nur sehr allmählich, in immer neuen Rückblenden, wird die gesellschaftliche Dimension des Familienkonflikts deutlich. Als Arbeiterin war Liyun mit einem zweiten Kind schwanger. Ihre Freundin Haiyan, die für die Durchsetzung der Ein-Kind-Politik verantwortlich war, zwang sie zur Abtreibung. Die Bilanz des Betriebs blieb rein, es gab kein einziges zweites Kind – und in einer demütigenden Prozedur werden Yaojun und Liyun als familienpolitisch verantwortungsbewusst ausgezeichnet.
Die Kritik trifft also nicht die Fehler der Kulturrevolution, von denen sich die chinesische KP längst distanziert hat. Die Rückblenden spielen, politisch brisanter, in den 1980er Jahren, der Zeit des bis heute anerkannten Deng Xiaoping, und die Ein-Kind-Politik galt bis 2015. Als Nebenaspekt zeigt Wang einen engstirnigen Kampf gegen westliche Unterhaltungsmusik, nach der zu ausgelassen zu tanzen ins Gefängnis führen konnte. Bald greifen auch marktwirtschaftliche Reformen, und nach ein paar hohlen Phrasen liest der Fabrikdirektor die Namen derjenigen vor, die entlassen werden und damit die Betriebsgemeinschaft verlieren, die Zwang und Heimat zugleich bedeutet.
Man könnte den Konflikt allgemein fassen: Der berechtigte Wunsch nach Familie einerseits, die Notwendigkeit andererseits, das Bevölkerungswachstum zu beschränken. Schließlich kann auch die übermäßige Beanspruchung natürlicher Ressourcen zu Not führen – die Ein-Kind-Politik wurde nicht aus Willkür und Freude am diktatorischen Zwang beschlossen, sondern aus vernünftigen Gründen. Nur lässt sich der berechtigte Wunsch nach Kindern heute kaum als filmische Handlung in einen Gegensatz zum berechtigten Gedanken an die Folgen von morgen bringen. Wang macht also etwas, was einfach ist und verkürzt: Der Badeunfall, bei dem der Sohn von Yaojun und Liyun ertrinkt, ist ausgerechnet vom Sohn Haiyans verschuldet. Nun haben die Eltern statt zwei Kindern kein einziges mehr; und Wang zeigt beklemmend die Situationen von Schuldbewusstsein, mühsam bewahrter Haltung und unausgesprochener Nicht-Vergebung, die daraus folgen.
Yaojun und Liyun fliehen in die Provinz, scheitern mit ihrem Adoptivsohn und kehren erst Jahrzehnte später in die Metropole zurück. Die Familie von Haiyan hat den Aufstieg geschafft. Die Stadt ist jetzt modern und für die früheren Arbeiter unkenntlich geworden. Bei einer Autofahrt winkt Yaojun einer Mao-Statue zu, die ihn wenigstens an die Vergangenheit erinnert; das Denkmal steht vor einer Einkaufspassage mit dem Namen »Victory Mall«. Ob nun Mao gesiegt hat oder der Kapitalismus – immerhin bedeutet das etwas Vertrautes, die Erinnerung an Konflikte der Vergangenheit, die das Leben des Elternpaars geprägt haben.
Warum fahren sie überhaupt in die Großstadt? Die todkranke Haiyan, die auf Verzeihung hofft, hat sie gerufen. Für sie ist es zu spät, sie nimmt sterbend die ehemaligen Freunde kaum mehr wahr. Doch ihr Sohn, dem als Arzt der soziale Aufstieg gelungen ist, setzt sich der Vergangenheit aus und gesteht, in welchem Maße er als Kind am Ertrinken seines Freundes beteiligt war.
Haiyan, die Jahrzehnte geschwiegen hat, stirbt ungetröstet – ihr Sohn, der sich zur Offenheit entschließt, versöhnt sich mit Yaojun und Liyun. Das ist eine politische Aussage: Es ist notwendig, über das Vergangene zu sprechen. Gegenwärtige ökonomische Erfolge machen die Erinnerung an frühere politische Härten nicht überflüssig.
Damit verbunden ist eine ästhetische Stärke. Auch deutsche Romane oder Filme versuchen oft, politische Geschichte über Familiengeschichte zu fassen. Doch häufig sind dabei die einzelnen politischen Positionen mechanisch von einzelnen Figuren besetzt, die dann das Gemeinte zu demonstrieren haben. Bei Wang Xiaoshuai hingegen ist der Inhalt ganz über die Geschehnisse vermittelt. Dieses Geschehen wird nun nicht chronologisch nacherzählt; vielmehr sind die Zeitebenen vielfach verschachtelt, und zumindest nichtchinesische Zuschauer haben zunächst Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Doch die Anstrengung lohnt. Wang macht die zeitliche Tiefendimension des Geschehens erlebbar, was auch die außerordentliche Dauer des Films von etwa drei Stunden rechtfertigt.
Der Film zeigt eine Gesellschaft voller Gegensätze, doch sind diese Gegensätze nicht antagonistisch. Die Menschen erleben unendlich viel Bitteres, von Tragik aber kann keine Rede sein. Statt entgegengesetzter Prinzipien, die zum Zusammenstoß führen, sieht man Leid und Trost. Vorbild ist das Melodram, das nicht durch eine äußere Handlung, sondern durch eine Dynamik der Gefühle zusammengehalten wird. Das heißt auch, dass das Melodram nur Konflikte innerhalb eines Bestehenden durchführen kann, das Bestehende aber grundsätzlich akzeptiert ist.

Melodram

Unter den anderen chinesischen Filmen auf der Berlinale passt am ehesten »A Dog Barking at the Moon« von Xiang Zi in diesen Rahmen. Auch hier wird eine Vorgeschichte allmählich geklärt, nämlich die der unglücklichen Ehe von Huang Tao und Li Jiumei. Und auch hier geht es um verpasste Chancen und um daraus folgendes Leid, das sich über Jahrzehnte hinweg auswirkt. Huang Tao hat bei der Heirat nicht verraten, dass er homosexuell ist, und wendet sich später zur Verzweiflung seiner Frau Männern zu.
In der Gesellschaftsschicht, die Xiang Zi zeigt, ist Geld kein Problem, und so kann man sich ausführlich der Bitternis und den daraus folgenden Gehässigkeiten widmen. Daraus entstehen hochemotionale Szenen, und dennoch ist die Gefühlsstrategie eine andere als in »So Long, My Son«. Hier nun ist das Melodram wirksam durch lustige Einschübe ausbalanciert. Dazu trägt zunächst die Tochter Huang Xiaoyu bei, die von einem Studienaufenthalt in den USA zurückkehrt und anfangs durch Vernunft versucht, die Lage zu klären; und unfreiwillig ihr US-Ehemann, der Chinesisch kaum und die Konflikte gar nicht versteht.
Die Lage eskaliert, als Li Jiumei in die Fänge einer buddhistischen Sekte gerät, die – entsprechende Spenden vorausgesetzt – den schwulen Ehemann zu »heilen« verspricht. Die Tochter meldet die Sekte bei der Polizei als verbrecherischen »Kult« und erntet familiären Tadel: nicht etwa als angebliche Denunziantin, sondern weil nun Racheakte der Sekte zu befürchten seien. Die Staatsmacht erscheint nicht als Gefahr, sondern als Rettung vor einer pseudoreligiösen Bedrohung, deren perfide Doppelstrategie aus Heilsversprechen und Geldeintreiberei die Regisseurin eindrücklich gestaltet.
Das führt zu neuen Konflikten, fast zum Zerwürfnis zwischen der Tochter und der Mutter, die immer mehr als starrsinnig und hasserfüllt erscheint. Wie sehr der Glaube die Hoffnung der Hoffnungslosen ist, zeigt sich am Ende noch eindrücklicher als zunächst vermutet. Die »Krankheit« ihres Mannes, die Li Jiumei zu heilen hofft, ist die eigene. Auch sie hat, wie sie zuletzt der Tochter gesteht, geheiratet, um der (wohl erwiderten) Zuneigung zu ihrer besten Freundin eine Grenze zu setzen.
Auch in diesem Film geht es um frühere Repression, hier der männlichen wie weiblichen Homosexualität, und wie dies den Betroffenen das Leben verdirbt; wobei die Frau, die die heterosexuelle Norm verinnerlicht hat, im Mittelpunkt steht und der glücklichere Vater kaum vorkommt. Der Trick ist, die Tochter als Katalysator des Geschehens einzusetzen – die Tochter, die ihr Leben doch der sozial erzwungenen Heirat verdankt. Das garantiert eine emotional wirksame Zuspitzung und führt zu einer befreienden Katharsis. Und es gibt Hoffnung für die Zukunft: Der US-Amerikaner, so wenig er begreift, ist doch ein liebevoller Ehemann, und die Tochter von Jiumeis Freundin tritt klug, selbstbewusst und ohne Rücksicht auf die dummen unter den Konventionen auf.

Landschaften und Städte

Neben Menschen sind es Orte, die im Zentrum von Filmen stehen. Das gilt etwa für den Wettbewerbsbeitrag »Öndög«, der zwar in der Mongolei produziert wurde, doch unter der Regie von Wang Quan’an, einem der wichtigsten chinesischen Filmemacher. Hier ist es die Steppe, die die Bilder prägt – und zwar eine ungeheuer steppenartige Steppe, die sich mit kargem Grasbewuchs völlig platt ausbreitet. In den meisten Szenen stehen die wenigen Protagonisten in der Öde wie auf einer Bühne. Es geschieht wenig: Ein junger Polizist wird dazu abgestellt, mitten im Nichts eine Leiche zu bewachen; eine Hirtin kümmert sich in der kalten Nacht, die er draußen verbringen muss, in jeder Hinsicht um sein leibliches Wohl. Dazwischen ein paar Fahrten oder Ritte, ein geschlachtetes Schaf und die Geburt eines Kalbs, ein Minimum an Dialogen, aber dennoch kein Pathos des Ursprünglichen. Das Ungeschick des Jungen, der Pragmatismus seiner Wohltäterin und die Handlungen einer überschaubaren Zahl von Nebenfiguren werden mit einer heiteren Lakonik gezeigt. Der sehr menschenfreundliche Film hätte durchaus eine Auszeichnung verdient.
Anders als die herbstliche mongolische Steppe ist die sommerliche Großstadt Hangzhou feucht-heiß. Zhu Xin lässt in seinem Regiedebüt »Man you« (»Vanishing Days«) die 14jährige Senlin einige Ferientage lang die Stadt und die umliegende Landschaft durchstreifen. Eindrucksvoll ist hier, wie spürbar Hitze und Auflösung werden. Dem entspricht, dass kaum ein linearer Verlauf erkennbar ist. Ein paar wiederkehrende Leitmotive, Familienerinnerungen, bestimmte Plätze und Rückgriffe auf allmählich vertraute Kameraeinstellungen bilden eine Art Muster. Auch in diesem Film sind, wie in »So Long, My Son« und »A Dog Barking at the Moon«, in der Elterngeneration zwei Paare miteinander verknüpft, und manchmal zweifelt man, wessen Tochter Senlin ist. Doch geht es hier kaum um soziale Realitäten, sondern eher um Wachträume, die zuweilen schön und öfter beängstigend sind. Die Gefahr ist indessen, dass Zhu es sich zu leicht macht, weil er alles mit allem verknüpfen kann, und das Ergebnis willkürlich wirkt.
Sehr viel knapper ist eine andere Stadtbesichtigung, nämlich »Chun nuan hua kai« (»From Tomorrow on, I Will«), eine Gemeinschaftsarbeit von Wu Linfeng und dem in Belgrad geborenen Ivan Markovic. Der Nachtwächter Li ist für ein großes, neuerrichtetes Geschäftsgebäude verantwortlich. Man sieht ihn bei der Arbeit und wie er tagsüber die Stadt durchstreift. Bei allem, was er tut, wirkt er ein wenig fremd – auch gegenüber den Mitbewohnern in seiner armseligen Unterkunft, deren Abriss bevorsteht. Soziale Probleme, materielle Unterschiede sind unübersehbar, doch bilden sie eher Hintergrund als Hauptthema des Werks. Vielmehr geht es um eine inszenierte Alltagsbeobachtung. Zu diesem Zweck ist Li die ideale Zentralfigur: Als Nachtwächter ein wenig außerhalb der Gesellschaft, als Einzelgänger ohne viel Einfluss auf die Geschehnisse um ihn herum, als leistungsbereiter Arbeiter ohne größere Konflikte.
Das Thema Stadtumbau ist Ansatzpunkt in »The Shadow Play« von Lou Ye. Schauplatz ist die südchinesische Küstenstadt Guangzhou (es gibt Me­tropolen, von denen man hierzulande wenig weiß). Gleich die zweite Szene zeigt Jugendliche in einem älteren Stadtteil. Ein Alarmruf kommt an, und sofort halten sie Knüppel in der Hand und ziehen, bald durch andere Bewohner verstärkt, zum Rand ihres Viertels. Dort ist schon das Abbruchkommando aufgefahren, in Voraussicht des Kommenden durch einen Schlägertrupp verstärkt, der denn auch zu tun bekommt. Minuten später mischen sich auch Kampfkommandos der Polizei ins Getümmel. Noch am selben Abend wird der Leiter der Baufirma ermordet.
Der Unterschied zu den bisher vorgestellten Filmen ist klar. Lou Ye setzt auf zügige Ereignisfolgen und zugespitzte Konfrontationen. Eine oft wild bewegte Handkamera und ein schwindelerregend rascher Schnitt unterstützen den Eindruck, dass ungeheuer viel passiert. Wer seine Augen dem aussetzen mag, sieht einen solide gebauten Thriller, der genreübliches Personal beschäftigt (skrupelloser Geschäftsmann, undurchschaubare Tochter sowie ein Ermittler, der bald selber in Schwierigkeiten gerät …) und durch geschickt verschachtelte Zeitebenen einer einfachen Story immer neue Wendungen gibt. Freilich gerät der soziale Konflikt bald in Vergessenheit, und es stellt sich heraus, dass private Verstrickungen zu dem Mord (der nicht der einzige bleibt) geführt haben. Der Film, der am deutlichsten politisch einsetzt, stellt sich zuletzt als einer der unpolitischsten chinesischen Festivalbeiträge heraus.

Aufstrebende Jugend

Wer das Programm eines Filmfestivals zusammenstellt, sollte sich auf Kritik gefasst machen. Über die Auswahl der Wettbewerbsfilme auf der Berlinale zu schimpfen, gehört fast schon zum guten Ton, und auch über die Sektion Panorama waren diesmal nur wenige freundliche Worte zu hören. Zu Recht gelobt wurde hingegen die Sektion Generation, die Kinder- und Jugendfilme versammelt. Hier sind zwei chinesische Beiträge zu erwähnen.
Von besonderem Interesse ist dabei »Di yi ci de li bie« (»Ein erster Abschied«) von Wang Lina. Eine einfache Geschichte, einfach und ruhig erzählt: Der kleine Isa muss akzeptieren, dass der Vater die pflegebedürftige Mutter in ein Heim gibt, weil zu Hause niemand auf sie aufpassen kann; und er muss Abschied nehmen von seiner besten Freundin, Kalbinur, die in die Stadt auf eine bessere Schule geschickt wird. Man sieht eine überschaubare Welt, die noch weitgehend durch verwandtschaftliche Beziehungen und kleinbäuerliche Arbeit geprägt ist, in die jedoch die Moderne mit Fürsorgeeinrichtungen und der Notwendigkeit von Bildung eingreift.
Ort der Handlung ist ein Dorf im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang, und abgesehen von einigen Lehrern sind die handelnden Personen Uiguren. Der Film ist also zweisprachig: Im Dorfalltag wird Uigurisch gesprochen, an der Schule teils Uigurisch, teils Mandarin. Viele der Eltern verstehen kaum Chinesisch; dabei ist unbestritten, dass das Erlernen von Sprache und Schriftzeichen für die Chancen der nächsten Generation zentral ist. Dies ist der Grund, weshalb Kalbinur auf eine Schule wechselt, in der einsprachig auf Chinesisch unterrichtet wird.
Wer hier eine Unterdrückung der Uiguren zu erkennen meint, sollte sich fragen, welche Rolle Englisch an deutschen Schulen und Universitäten spielt. Die Kenntnis einer überregionalen Verkehrssprache (zumal wie in der Volksrepublik der Hauptsprache des eigenen Staats) ist heute unverzichtbar. Wang Lina zeigt eine Welt im Wandel, deren Bewohner den Wandel akzeptieren. Das ist im Einzelfall, etwa für Isa, schmerzlich, aber gleichzeitig eine persönlichkeitsbildende Erfahrung.
In einer gänzlich anderen Welt lebt Peipei, die Hauptfigur von Bai Xues »Guo chun tian« (»The Crossing«): nämlich in täglichem Wechsel zwischen den benachbarten Großstädten Hongkong und Shenzhen. Die erste Szene führt in ihre Schule, in die sie mit ihrer besten Freundin zu spät kommt. Der Unterricht wird erlitten, bis endlich die Pause kommt und damit das große Geschäft: Die beiden haben Handys über die Zollgrenze zwischen beiden Städten geschmuggelt und verkaufen sie nun an ihre begeisterten Mitschülerinnen. So wollen sie eine Reise zu zweit ins winterliche Japan finanzieren und endlich einmal Kälte erleben.
Zumal Peipei erweist sich als so strebsam, wie Kalbinur es auf ihrer Chinesisch-Schule hoffentlich wird. Jedoch auf anderem Gebiet: Ziemlich rasch erweitert sie, statt für Prüfungen zu lernen, den Umfang ihrer Handelstätigkeit. Bald hat sie Kontakt zur organisierten Unterwelt und wird als Kurierin eingesetzt. Voraussetzung ist ihr Charakter: In einer frühen Schlüsselszene feiert sie auf einer Yacht mit reichen Freunden eine Party und wird aufgefordert, ins Meer zu springen – was sie sogleich tut, obwohl sie nicht schwimmen kann. Nur knapp wird sie gerettet.
So wagt sie mehr und mehr und entfremdet sich von ihrer Freundin (weil sie mit deren Freund Hao zu eng beim Schmuggel zusammenarbeitet). An die Japan-Reise ist nicht mehr zu denken, das Geldhecken wird zum Selbstzweck. Doch geht es nicht um Kritik an einer nachwachsenden Handelskapitalistin. Peipei bleibt, bei allen Fehlern, eine Sympathieträgerin, die sich durch belebte Städte und öde Transitzonen kämpft.
Schließlich wagt sie zuviel und will auf eigene Faust zusammen mit Hoa am Schmuggelring vorbei eine größere Ladung Handys über die Grenze bringen. Das schlägt fehl, und nur das Eingreifen der Polizei rettet sie vor den Folgen. Über dieses etwas pädagogische Ende hat sich die Regisseurin in einem Interview selbst unzufrieden geäußert – aber was wäre möglich gewesen? Peipei davonkommen zu lassen und die Jugend zur Identifikation mit einer künftigen Unterweltgröße einzuladen? Oder das Gegenteil zu zeigen, dass die Anstrengung zur Strafe führt, und die Heldin als Wasserleiche mit durchschnittener Kehle in den Pazifik hinaustreiben zu lassen?

Wo bleibt der Sozialismus?

Die Frage, was mit der jugendlichen Geschäftsfrau geschehen soll, die sich nur leider hinsichtlich der Machtverhältnisse verkalkuliert hat, ist viel interessanter als die, was ein Zensor getan oder gelassen haben mag. Bedeutende Kunst ist schließlich auch unter der Zensur entstanden und hat, mehr oder weniger schnell, Verbreitung gefunden. Hier jedenfalls wird die Perspektive einer mutigen Unternehmerin eingenommen, die man nicht eingeknastet sehen mag. Sie kassiert ihren Profit durch Risikobereitschaft, entsprechend hoch ist die Gewinnspanne. So entspricht ihr Tun marktwirtschaftlicher Moral. Nur leider ist ihr Geschäftsmodell illegal.
Das Ende ist milde. Sie wird kaum bestraft, und in den Abspann einmontiert ist eine Szene, die sie mit ihrer Freundin wiedervereint zeigt. Wäre es dagegen eine Lösung gewesen, sie erfolgreich, aber vereinsamt zu zeigen? Doch sind erfolgreiche Leute selten einsam. Realismus und Moral gehen hier offensichtlich kaum zusammen. Der filmisch nicht gelöste Konflikt entspricht einer Politik, die Kapitalisten nutzt, um den Sozialismus aufzubauen; wobei die Frage: »Wer wen?« nicht abschließend beantwortet ist.
In einer wichtigen Hinsicht nimmt Peipei eine Sonderrolle ein. Bis auf den Nachtwächter Li und das Personal von »Öndög« sind alle anderen wichtigen Figuren durch eine Position innerhalb der Familie bestimmt. Die Familien können durch frühere Konflikte destruktiv wirken (»So Long, My Son«, »A Dog Barking at the Moon«), durch Unbildung oder Krankheit beeinträchtigt sein (»Ein erster Abschied«), zum Schauplatz mafioser Kämpfe werden (»The Shadow Play«) oder in unklare Verhältnisse zerfließen (»Vanishing Days«). Aber gerade durch eine solche Negation bleibt die Familie Bezugspunkt: Wenn man klagt, dass etwas nicht richtig sei, heißt das ja, dass es Bedeutung hat. Dies verwundert nicht: Zeiten raschen Wandels erschweren die Orientierung, und da bieten Religion (die nur in »A Dog Barking at the Moon« vorkommt, und dort negativ) sowie der überschaubare Nahbereich Familie scheinbar Lösungen an.
Peipei hat auch das nicht mehr. Ihr Vater ist Hafenarbeiter auf der einen Seite des Landes, ihre Mutter – angedeutet – Sexarbeiterin auf der anderen Seite. Wenn sie überhaupt einen Orientierungspunkt hat, so wäre es die Freundschaft.
Anders formuliert: Was fehlt? In keinem der Filme gibt es eine organisierte politische Perspektive. Parteiarbeit wird nur in »So Long, My Son« zum Thema; und dort negativ und außerdem gut dreißig Jahre zurückliegend. Filmästhetisch ist der Berlinale-Auftritt der Volksrepublik China durchaus ermutigend, mit einer Vielzahl individueller Gestaltungsweisen. Politisch hingegen fällt auf, dass jede Auseinandersetzung mit einem möglichen Weg zum Sozialismus fehlt.

Urteil im Korruptionsfall um nordrhein-westfälische Hochburg der Pferdezucht

PROVINZPOSSE

In Katar vergaloppiert


Es ging um edle Pferde, Luxushotels und lukrative Geschäfte mit einer Reitschule in Katar. Am Freitag hat das Amtsgericht in Warendorf drei leitende Angestellte des nordrhein-westfälischen Landgestüts der gemeinschaftlichen Vorteilnahme für schuldig befunden und verhängte Geldstrafen zwischen 3.300 und 6.400 Euro. Das berichteten die Westfälischen Nachrichten. Die Verteidiger kündigten Berufung an.
Die Gestütsleiterin, der Verwaltungschef und der Erste Hauptberittmeister der NRW-Landeseinrichtung haben nach Überzeugung des Gerichts Provisionen, die sie von der renommierten Reitschule Al Schakab in Katar für die Vermittlung von Pferden erhielten, teilweise am Landwirtschaftsministerium vorbei auf das Konto ihrer eigens gegründeten Beraterfirma geleitet, laut Staatsanwaltschaft immerhin 23.000 Euro pro Person.
Im wesentlichen ging es um zwei Reisen nach Doha, die das Trio jeweils im März 2013 und 2014 unternahm. Kurz vorher hatte das Gestüt einen lukrativen Beratervertrag mit Al Schakab geschlossen. Die Kataris wollten vom Wissen der Münsterländer profitieren. Warendorf ist in der Szene weltweit als Hochburg der Pferdezucht bekannt. Laut Staatsanwaltschaft habe die Aufgabe der Beschuldigten auch darin bestanden, den Aufbau der Einrichtung zu fördern und die finanzielle Situation des Landgestüts »positiv zu gestalten«. Der Betrieb schreibt beharrlich rote Zahlen.
Die Vertiefung der geschäftlichen Beziehungen zur Al Schakab-Reitschule war im Ministerium ausdrücklich erwünscht. Was dort aber offenbar nicht bekannt war: Das Trio ließ sich die Business-Class-Tickets von Al Schakab bezahlen. In Doha wurde die kleine Delegation fürstlich empfangen. Die von den Kataris übernommene Rechnung belief sich laut Anklage am Ende auf insgesamt 49.000 Euro. Die Angeklagten hätten damit den »gefährlichen Anschein der Käuflichkeit« erweckt, zitieren die Westfälischen Nachrichten aus dem Urteil. »Das Strafmaß sieht in einem solchen Fall auch Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vor«, begründete die Richterin.
Die katarische Reitschule wurde 1992 vom Emir Hamad Bin Khalifa Al Thani gegründet. Seit 2004 gehört sie zur finanzstarken Katar Foundation, ebenfalls eine Gründung des inzwischen verstorbenen Emirs. Als die Stiftung sich 2010 für fünf Jahre und 170 Millionen Euro dem katalanischen Fußballklub FC Barcelona als Trikotsponsor andiente, machte das Gerücht die Runde, Geld der Katar Foundation würde auch an die palästinensische islamische Befreiungsbewegung Hamas fließen. Außerdem unterhalte die Stiftung ein freundschaftliches Verhältnis zum erzkonservativen Fernsehprediger Yusuf Al Karadawi, der für die Muslimbrüder kräftig die Werbetrommel rührt.
Diese echten oder behaupteten politischen Zusammenhänge waren nicht Gegenstand des Warendorfer Prozesses. Dort ging es unter anderem um die Frage, inwieweit das Ministerium eine Mitschuld trägt. Die Richterin warf der Behörde jedenfalls »Defizite in der Dienstaufsicht« vor, weil es die konkrete Ausgestaltung der Beziehungen nach Katar komplett den Warendorfern überließ. »Wir sind in die Wüste geschickt worden«, sagte die frühere Gestütsleiterin am Freitag gegenüber der Glocke.
Andererseits seien weder die Reisen noch die Nebentätigkeit der Angeklagten ausreichend durch den Dienstherrn gedeckt gewesen, so die Richterin. Die Gründung der Firma und der Abschluss privater Beraterverträge seien dem Ministerium nicht bekannt gewesen. Dem hatten die Verteidiger im Plädoyer vehement widersprochen und bedauert, dass sich Düsseldorf jetzt aus der Verantwortung stehle.
Als das Landwirtschaftsministerium von den Ermittlungen erfuhr, setzte es das Trio fristlos auf die Straße und verweigert bis heute eine Abfindung. Vor dem Arbeitsgericht wehren sich die Entlassenen. Der Verwaltungsleiter verlor im vergangenen November vor dem Landesarbeitsgericht in Hamm seinen Prozess in abschließender Instanz, wie die Westfälischen Nachrichten berichten. Im März beschäftigen sich die Richter mit der Kündigung der ehemaligen Gestütsleiterin. Auch dieses Verfahren befindet sich in der Berufung. Die Verurteilten befürchten, nach dem Urteil nie wieder einen gleichwertigen Job zu bekommen.

https://www.jungewelt.de/artikel/349901.provinzposse-in-katar-vergaloppiert.html




EU-Staaten mehrheitlich für neue Richtlinie zum EU-Urheberrecht. Gegner warnen vor Gefahren fürs freie Netz. Ein Gespräch mit Julia Reda

EU-URHEBERRECHTSREFORM

»Es droht Verlust inhaltlicher Vielfalt«

Die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten haben am Mittwoch mehrheitlich dem Entwurf für eine Neuregelung des EU-Urheberrechts zugestimmt. Warum ist dieses Thema so wichtig?
Die EU-Urheberrechtsreform birgt die Gefahr, dass in Zukunft das Internet so wird wie das Kabelfernsehen, indem nur noch autorisierte Inhalte hochgeladen werden können. Die Reform sieht vor, dass Plattformbetreiber durch den Einsatz von sogenannten Uploadfiltern Urheberrechtsverletzungen verhindern. Das ist praktisch der einzige Weg.
Warum ist das problematisch?
Uploadfilter löschen auch mal eben massenhaft legale Inhalte, zum Beispiel Zitate, Parodien oder auch einfach Kunst von kleineren Urhebern, die jemand fälschlicherweise als Urheberrechtsverletzung markierte. Die geplante Verpflichtung zum Filtern birgt eine immense Gefahr für das freie Netz.
Es droht der Verlust inhaltlicher Vielfalt. Vielen fehlen die Mittel für die aufwendige Rechteklärung, weshalb sie sich gegen Sperrungen nicht wehren können. Diese Filtersysteme sind beispielsweise nicht in der Lage, eine Parodie zu erkennen. Ein Algorithmus wird niemals einen Sinn für Humor entwickeln. Auch macht man mit der Neuregelung die großen Plattformen noch größer.
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD werden Uploadfilter als unverhältnismäßig abgelehnt. Doch die Bundesregierung stimmte für den Entwurf. Wie bewerten Sie das?
Das ist ein unglaublicher Vorgang. Nicht nur werden die Filter im Koalitionsvertrag abgelehnt, auch die zuständige Justizministerin Katarina Barley, SPD, hat sich öffentlich gegen den Filterartikel 13 ausgesprochen.
Entweder die Regierung hat das über Barleys Kopf hinweg entschieden. Das wäre ein Skandal und dann müsste die SPD die Koalition in Frage stellen. Oder die Ministerin hat am Ende doch zugestimmt. Dann hat die SPD ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Das Ganze wurde vom Europaabgeordneten Axel Voss, CDU, vorangetrieben. Wer profitiert von der Neuregelung?
Ein Interesse daran haben Großunternehmen, die gewisse Marktentwicklungen fürchten. Auch beim Artikel 11, dem Leistungsschutzrecht, ist nach der deutschen Erfahrung klar, dass es den Verlagen keine zusätzlichen Einnahmen bringt. Das einzige Interesse, das Firmen wie die Axel Springer AG haben können, ist der erschwerte Betrieb kleinerer Plattformen. Behauptet wird, dass es irgendwie einer fairen Bezahlung von Künstlern und Journalisten dienen soll. Das wird sicherlich nicht passieren.
Wieso nicht?
Das EU-Leistungsschutzrecht entspricht der deutschen Regelung. Hier haben kleine Nachrichtenaggregatoren das Verlinken von Artikeln eingestellt. Google dagegen hat von den Verlagen eine Gratislizenz bekommen, weil deren Inhalte möglichst attraktiv in der Suche auftauchen sollen. Dasselbe wird auf europäischer Ebene passieren.
Welche Lösung schwebt Ihnen vor?
Es wäre sinnvoll, sich auf faire Vergütung zu konzentrieren und zum Beispiel zu sagen: Plattformen ab einer bestimmten Größe und mit einem bestimmten Geschäftsmodell müssen Abgaben zahlen – zum Beispiel an Verwertungsgesellschaften. Aber ein solcher Kompromiss wurde von den Verhandlungsführern stets abgelehnt. Statt dessen wurde auf Uploadfilter bestanden. Aber niemand bekommt mehr Geld, weil die Inhalte automatisch geblockt werden.
Am Ende muss das EU-Parlament dem neuen Urheberrecht zustimmen. Welche Position wird sich durchsetzen?
Ich gehe von einer Mehrheit gegen die Reform aus. Auch weil sich in der Bevölkerung starker Protest regt. Das Parlament hatte im vergangenen Juli schon dagegen gestimmt. Daraufhin musste nachgebessert werden, was aber nun in den Verhandlungen wieder weitgehend rückgängig gemacht wurde.
Das Europaparlament könnte auch einverstanden sein, sofern die Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht gestrichen werden. Das ist auch meine Position. Am Ende läge es am Rat, ob eine Richtlinie ohne diese Artikel akzeptiert wird.
Sie sind 2014 ins Europaparlament gewählt worden und treten dieses Jahr nicht wieder an. Weshalb ziehen Sie sich zurück?
Das war mehr oder weniger so geplant. Es ist wichtig, sich auch anderen Dingen zu widmen, damit man den Anschluss an die Bevölkerung nicht verliert. Denn diese Entfernung führt dazu, dass Vorschläge wie die Uploadfilter völlig an der Lebenswelt der jüngeren Generation vorbeigehen.

Gesetzentwurf des Innenministeriums verschärft Situation von Geflüchteten und Hilfsorganisationen. Ein Gespräch mit Michael Lukas

VERSCHÄRFTES ASYLGESETZ

»Wird viele im Engagement für Geflüchtete bestärken«

Bundesinnenminister Horst Seehofer, CSU, hat kürzlich den Entwurf seines »Geordnete-Rückkehr-Gesetzes« vorgelegt. Wie bewerten Sie den Vorstoß?
Es ist ein weiterer Versuch, alle Flüchtlinge zu kriminalisieren und zu sanktionieren, die keine Möglichkeit haben, einen Nationalpass oder einen anderen Nachweis über ihre Identität zu erhalten. Seehofer und sein Ministerium möchten der Bevölkerung suggerieren, abgelehnte Asylsuchende bräuchten lediglich zu ihrer Botschaft zu gehen, um Dokumente für eine Rückkehr ins Heimatland zu erhalten – und dass sie sich schlichtweg weigern, das zu tun.
Wer »nicht aktiv« bei der eigenen Abschiebung mitwirkt, soll fortan in Abschiebehaft genommen werden können. Was bedeutet das konkret?
Um zu verhindern, dass sich Geduldete der Abschiebung entziehen, soll eine Inhaftierung ohne richterliche Anordnung möglich werden. Die Betroffenen selbst sind dem Entwurf zufolge in der Pflicht, der Ausländerbehörde nachzuweisen, dass keine Fluchtgefahr besteht. Geht der Geduldete aber zum Beispiel nicht zu einem Gespräch bei einer sogenannten Rückkehrberatung, kann dies nach dem neuen Entwurf schon ein Anhaltspunkt für eine Gefahr, wie es heißt, sein. Außerdem will das Ministerium die Trennung von Straf- und Abschiebungshaft abschaffen. So sollen Geflüchtete auch in Strafhaftanstalten untergebracht werden können.
Die Behörde erwartet also von denjenigen, die vor Krieg, Verfolgung und Armut geflohen sind, dass sie das Abschiebegeschäft auch noch selbst erledigen?
Ja, und zwar, weil es kaum Möglichkeiten gibt, die Menschen ohne die entsprechenden Dokumente in ihre Heimatländer zurückzuschicken. Um an diese Papiere zu kommen, werden die Ausreisepflichtigen von den Ausländerbehörden unter enormen Druck gesetzt. Mit Hinweis auf die sogenannte Mitwirkungspflicht werden Sanktionen angedroht und umgesetzt, wie etwa die Reduzierung von Sozialleistungen.
Wir sprechen häufig mit jungen Geflüchteten, deren Eltern schon vor deren Geburt aus Afghanistan in den Iran geflohen waren und sich dort illegal aufhielten. Ihre Geburt ist niemals registriert worden, und weder afghanische noch iranische Behörden werden ihnen einen Nationalpass ausstellen. Abgeschoben werden können sie dann nicht, aber die Ausländerbehörde sanktioniert unter anderem mit dem Verbot, eine Ausbildung beginnen zu dürfen.
Seehofers Pläne richten sich jedoch nicht nur gegen Geflüchtete und Migranten, sondern auch gegen Helfer und Vereine wie Ihren. Können Sie Ihre Arbeit überhaupt noch fortsetzen, sollte der vorgelegte Entwurf Gesetz werden?
Das können und werden wir. Doch unsere Möglichkeiten, die zu uns kommenden Menschen zu unterstützen und ihnen eine Perspektive in diesem Land zu eröffnen, werden noch dramatischer eingeschränkt.
Flüchtlingshelfer sind seit jeher Diffamierungen und Kriminalisierungsversuchen ausgesetzt. Werden Sie sich von den neuen Drohungen einschüchtern lassen?
Da wir uns bei »Stay!« offen auch für papierlose Geflüchtete einsetzen, sind wir die Arbeit in einer rechtlichen Grauzone gewöhnt. Wir werden weiterhin Betroffenen zu ihrem Recht auf Information und Beistand verhelfen sowie Missstände öffentlich machen.
Wirken sich die Gesetzespläne auf mögliches Engagement derjenigen aus, die Konflikte mit Polizei und Behörden bisher nur aus Erzählungen kennen?
Wir haben in den vergangenen Jahren viele kennengelernt, die sich aus Überzeugung nicht nur für Geflüchtete einsetzen, sondern die sich darüber hinaus auch über Fluchtursachen, wie beispielsweise deutsche Waffenexporte und Wirtschaftsinteressen, informieren. Dass sich diese Menschen vom Gesetzentwurf eines Innenministers einschüchtern lassen, der in unzähligen Interviews und Zitaten seine menschenverachtenden Ansichten unverhohlen zur Schau gestellt hat, können wir uns nicht vorstellen. Im Gegenteil: Es wird viele in ihrem Engagement für Geflüchtete bestärken.

»Digitalpakt« ist ein Geschenk für die IT-Industrie und ein Angriff auf das Kindeswohl

Der »Digitalpakt« wird als großer Durchbruch gefeiert, doch der Eindruck täuscht: Nicht alle begrüßen die in der Vorwoche erzielte Einigung. Die Kritiker sind nur nicht vernehmbar in der lärmenden Euphorie. Parteien, Gewerkschaften und Wirtschaftsvertreter scheinen die Absicht zu haben, Kinder künftig durch Studienrat »Dr. Bertelsmann« unterrichten zu lassen (vgl. Spaltentext). »Es ist bereits fünf nach zwölf«, mahnte am Donnerstag der Verband Bildung und Erziehung (VBE), um danach aufzuzählen, was noch alles zu erledigen ist: Zuständigkeiten klären, Ansprechpartner benennen, Prozesse anstoßen, eine Fortbildungsoffensive, neue Lehrpläne etc. Zeit hat man für all das aber nicht, denn es brauche »schnelles und entschiedenes Handeln«. Was auch fehlt, um die neuen Aufgaben zu stemmen, sind: Lehrer. Nie war der Mangel an Pädagogen so groß wie heute.
Dabei gibt es noch weit schwerwiegendere Bedenken, wie sie etwa Professor Ralf Lankau, Medienwissenschaftler an der Hochschule Offenburg, äußert. Am Beispiel dieser »Zwangsdigitalisierung« habe sich einmal mehr gezeigt, dass die »Berliner Bildungspolitik im Kern Wirtschaftsförderung und erfolgreiche Lobbyarbeit der IT-Wirtschaft ist«, bemerkte er gegenüber junge Welt. »Mit dem Digitalpakt werden Konzepte der Datenökonomie realisiert.« Es gehe um den Zugriff auf Schülerdaten, um Lernprofile, und das Ziel sei eine »zentralisierte technische Kontrollstruktur etwa mittels einer Bildungscloud«, so Lankau. »Das sind ökonomische Prämissen, keine pädagogischen Konzepte.«
Erschreckend ist, wie sehr die ökonomistische Optimierungsideologie inzwischen den Diskurs um Bildung, Schulen, bis hin zu den Kitas beherrscht. Wie selbstverständlich wird der »Digitalpakt« in den Leitmedien als unerlässliche Vorbereitung der Kinder auf die Erfordernisse der Berufswelt und Arbeitsmarktes verhandelt. So, als geriete man unvermeidbar zum digitalen Analphabeten, wenn man nicht mit sechs Jahren ein Smartphone bedienen kann. Die Hirnforschung zieht den genau umgekehrten Schluss: Digitale Kompetenz im Erwachsenenalter entwickeln diejenigen am besten, deren Kindheit in einem natürlichen Lernumfeld ohne Bildschirmmedien und mit mehr menschlicher Zuwendung und körperlicher Bewegung stattfindet. Passend dazu plädiert die Regierungsberaterin Julia von Weiler für ein Smartphoneverbot für unter 14jährige (siehe Interview).
»Empirisch belegte und wissenschaftlich valide pädagogische Konzepte für den Nutzen von IT in Schulen fehlen bis heute«, gab Lankau zu bedenken. Argumentiert werde deshalb mit der »Lebenswirklichkeit« der Kinder: Diese Geräte gehörten nun einmal zum Alltag und müssten daher auch ohne pädagogischen Nutzen integriert werden. »Das ist ein bildungspolitischer Offenbarungseid.« Auch Matthias Burchardt, der Pädagogik an der Universität Köln lehrt, sieht das so. »Für die Reformtechnokraten des bildungsindustriellen Komplexes aus OECD und Bertelsmann sind die fünf Milliarden Euro allerdings gut angelegtes Geld, da nun per Grundgesetzänderung der Föderalismus ausgehebelt werden kann«, befand er im jW-Gespräch. »Hier wurden Zentralismus und Top-Down-Demokratie mit Glasperlen erkauft.«

https://www.jungewelt.de/artikel/349787.bildung-%C3%B6konomie-schl%C3%A4gt-p%C3%A4dagogik.html

Gewalt an der Grenze: Venezuelas Sicherheitskräfte verhindern Durchbruch. Tausende demonstrieren in Caracas gegen Drohungen aus Washington

Die große Demütigung des venezolanischen Staatschefs Nicolás Maduro durch seinen Gegenspieler, den selbsternannten »Übergangspräsidenten« Juan Guaidó, ist ausgeblieben. Dieser hatte lautstark angekündigt, dass am Sonnabend »so oder so« die im kolumbianischen Cúcuta lagernde »humanitäre Hilfe« über die Grenze nach Venezuela gebracht werde. Gelungen ist das nicht. Statt dessen sieht sich die rechte Opposition des südamerikanischen Landes in einer Sackgasse, während Kolumbiens Staatschef Iván Duque ernsthaften Schwierigkeiten gegenübersteht.
Maduro erklärte dagegen vor Tausenden Menschen, die in der Hauptstadt Caracas gegen die Interventionsdrohungen der USA und die ausländische Einmischung demonstrierten, dass der Putschversuch der Reaktion gescheitert sei. Zudem kündigte er den vollständigen Abbruch aller diplomatischen und konsularischen Beziehungen mit der »faschistischen Regierung« Kolumbiens an. Den Vertretern des Nachbarlandes wurde 24 Stunden Zeit gegeben, Venezuela zu verlassen. In Bogotá kündigte Kolumbiens Außenminister Carlos Holmes Trujillo an, der Ausweisung Folge zu leisten.
Zahlreiche Gegner Maduros waren in den vergangenen Tagen von Venezuela nach Kolumbien gereist, um sich am Freitag das Konzert »Venezuela Aid Live« anzuhören und sich einen Tag später an der von Guaidó angekündigten »Menschenkette« zu beteiligen, mit der die Pakete über die Grenze gebracht werden sollten. Nun sitzen sie fest, weil Caracas am späten Freitag abend die Grenze komplett geschlossen hat. Über Twitter und Instagram beklagten viele von ihnen, dass sie in Kolumbien »gefangen« seien, und baten ihre politischen Führer um Hilfe.
Am Sonnabend war es den ganzen Tag über insbesondere an der Simón-Bolívar-Brücke, dem wichtigsten Grenzübergang zwischen beiden Staaten, zu Szenen der Gewalt gekommen. Provoziert wurden diese von Gruppen, in denen nach Augenzeugenberichten gewöhnliche Kriminelle dominierten. Die Maskierten plünderten sogar zwei Lastwagen der nordamerikanischen Regierungsagentur USAID, die zuvor in Brand gesteckt worden waren. Die alternative kolumbianische Nachrichtenagentur Prensa Rural berichtete, dass die kolumbianische Polizei die vermummten Militanten aus Venezuela ungehindert Molotowcocktails bauen und Barrikaden auf der Grenzbrücke errichten ließen. »Was würde passieren, wenn es sich um Indígenas, Studenten oder Bauern aus Kolumbien gehandelt hätte?«, fragte die Agentur.
Obwohl Guaidó zwischenzeitlich anderes behauptete, gelangten weder aus Kolumbien noch aus Brasilien Lastwagen über die Grenze nach Venezuela. Am späten Abend ordnete die kolumbianische Regierung an, die Fahrzeuge zurück in die Lager zu fahren. Auch ein aus Puerto Rico kommendes Schiff, das ohne Erlaubnis Venezuelas Nordküste anlaufen wollte, drehte ab, als die venezolanische Marine warnte, dass sie eine Verletzung der Hoheitsgewässer nicht dulden und die Besatzung festnehmen werde.
Freddy Bernal, der Regierungsbeauftragte für den venezolanischen Grenzstaat Táchira, erklärte am Samstag abend, 42 Menschen seien verletzt worden, zwei von ihnen durch Schusswaffen. Drei Personen, unter ihnen zwei Beamte der Nationalgarde, seien von Oppositionellen lebendig in Brand gesteckt worden. Ziel der Gewaltaktionen sei gewesen, »Beweise« für die Unterdrückung des »leidenden Volkes« Venezuelas zu liefern, die den USA und ihren Verbündeten dann als Rechtfertigung für eine militärische Intervention dienen könnten.
So attackierten im venezolanischen Grenzort Boca de La Grita rund 3.000 Paramilitärs aus Kolumbien die venezolanische Nationalgarde. Im Internet kursierten Aufnahmen, die Zivilisten auf einem offenbar gekaperten Panzerfahrzeug zeigen. Während der kolumbianische Sender Caracol erklärte, dass die Aufnahmen in Venezuela entstanden seien, gibt es Hinweise darauf, dass sich die Fahrzeuge auf der kolumbianischen Seite der Grenze befanden.
Bernal betonte, dass Boca de La Grita dank der venezolanischen Armee, der Nationalgarde »und der Volksmacht« vollständig »unter Kontrolle der Patrioten« stehe. Normale Bürger hätten die Uniformierten unterstützt: »Wir haben Männer und Frauen im Rentenalter gesehen, die den ganzen Tag über stoisch Kugeln, Flaschenwürfen, Molotowcocktails getrotzt haben.« Bernal wies zudem Berichte der kolumbianischen Behörden zurück, wonach sich mehr als 50 Angehörige der venezolanischen Sicherheitskräfte über die Grenze abgesetzt hätten. Es habe lediglich sieben Fälle von Desertion gegeben.
Guaidó kündigte an, sich am Montag mit US-Vizepräsident Michael Pence zu treffen, um »Maßnahmen zu ergreifen«. Es wird erwartet, dass er Washington um eine militärische Intervention in Venezuela bitten wird. US-Außenminister Michael Pompeo machte »Banden des Tyrannen Maduro« für die Gewalt verantwortlich und erklärte, es sei »an der Zeit, zur Unterstützung der Demokratie zu handeln«.

https://www.jungewelt.de/artikel/349776.krise-in-s%C3%BCdamerika-schlappe-f%C3%BCr-guaid%C3%B3.html

Netzwoche: Warum sich Konservative und Rechte zu Unrecht über ein ARD-Papier aufregen

Gegner der Öffentlich-Rechtlichen dürften seit Tagen die Sektkorken knallen lassen. Seitdem zu Wochenbeginn ein zwei Jahre altes internes ARD-Papier bekannt wurde, in dem die Linguistin Elisabeth Wehling Tipps gibt, wie die Rundfunkanstalten ihre Daseinsberechtigung besser gegenüber den Beitragszahlern kommunizieren könnten, empören sich konservative bis rechte Kritiker, die ARD wolle ihre Zuschauer manipulieren. Bild.de titelt sogar von einer »Umerziehungs-Fibel«.
Auf diese abseitige Idee kommt das Boulevardblatt, weil in dem 89-seitigen Gutachten etwas von Framing steht - ein Begriff aus der Kommunikationswissenschaft. Mittels Framing werde »Gehirnwäsche« betrieben - behaupten zumindest neben »Bild« ganz ironiefrei auch theeuropean.de und allerlei rechtslastige Blogs wie beispielsweise tichyseinblick.de. Wirklich verstanden hat allerdings kaum einer der Kritiker, was Framing eigentlich ist. Vereinfacht ausgedrückt geht es darum, dass jeder verwendete Begriff neben seiner Kern- auch eine erweiterte Bedeutung ausdrückt, Sprache also niemals neutral sein kann und Kommunikation immer innerhalb eines Bedeutungsrahmens stattfindet. Streng genommen gibt es keine Kommunikation ohne Framing.
Fast schon ironisch ist, dass etwa bild.de in seiner Berichterstattung über das Gutachten Praxisbeispiele mitliefert, wie Stefan Niggemeier auf uebermedien.de erklärt. So hören »Bild« und viele andere, wie etwa der »Focus«, nicht auf, mit Bezug auf die Öffentlichen-Rechtlichen weiter von der GEZ zu schreiben, obwohl die Gebühreneinzugszentrale 2013 durch den Beitragsservice abgelöst wurde. Dass der überholte Begriff dennoch weiter auftauche sei Absicht, so Niggemeier. Das Kürzel GEZ wecke »negative Emotionen und Assoziationen, die diese Buchstaben auch aus Gründen auslösen, die längst hinfällig geworden sind«. So ziemlich jeder dürfte eine Horrorgeschichte kennen, wie GEZ-Mitarbeiter um die Häuser schleichen, um Gebührenverweigerer zu erwischen. Dass diese Praxis mit dem Beitragsservice abgeschafft wurde, hält Journalisten nicht davon ab, den veralteten Begriff weiterhin zu verwenden.
Das Framing für sich genommen aber noch keine Manipulationsmethode ist, sondern erst einmal nur beschreibt, was Begriffe in unserem Kopf auslösen, zeigen unpolitische Fälle. Detlef Esslinger bringt auf sueddeutsche.de das Beispiel »Zimt«. Wer denkt da nicht sofort an den dazu passenden Geruch? Der Autor mahnt aber auch: »Jeden Tag versuchen Gegner von Information und Aufklärung, die Linguistik zu missbrauchen.« Gemeint sind damit weder die ARD noch Wehlings Gutachten, das jeder inzwischen auf netzpolitik.org einsehen kann, sondern jene, die gezielt versuchen, einen öffentlichen Diskurs zu verzerren.
Wehlings Hinweise an die ARD sind wenig überraschend: Sie empfiehlt der Sendeanstalt, nicht die Begriffe ihrer Kritiker zu übernehmen, sondern eigene Formulierungen zu finden, statt vom »Staatsfunk« etwa vom »gemeinsamen, freien Rundfunk« zu sprechen.

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