Mittwoch, 31. August 2016

Das BVerfG ist übergeschnappt

Unser Kommentar zu dem Beschluss des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 26.7.2016 - 1 BvL 8/15

 

Hatte der 2. Senat in seiner Entscheidung 2011 nur die Möglichkeit eröffnet, Zwangsbehandlung unter bestimmten Umständen zu rechtfertigen, (die der Gesetzgeber gierigst aufgesogen hat, um ein Gesetz daraus zu machen,) so hat nun der 1. Senat die Zwangsbehandlung zur Pflicht erklärt, das heißt:
Damit hat der Staat Grundrechte, nicht der Bürger! Und Folter ist Grundrecht des Staates.
Das BVerfG hat also die BRD zum Folterstaat gemacht!
Darauf hatte die-BPE das BVerfG in einem Brief am 4. Mai 2016 hingewiesen, in dem der Beweis geführt wurde, Warum Einwilligungsunfähigkeit kein Kriterium zur Rechtfertigung von psychiatrischer Zwangsbehandlung sein kann.
Dieser Beweis wurde nun veröffentlicht und ist unten angefügt.
Die Freiheitsrechte des Bürgers in Artikel 2 GG hat das BVerfG zu einem Freiheitsrecht des Staates uminterpretiert, um mit dieser Freiheit angeblich eine "Schutzpflicht" gegen die unterworfenen Bürger zu exekutieren - die Hüter der Verfassung sind zu deren Beerdigungsinstitut geworden. Prof. Dietmar Kamper hatte nur zu Recht, als er 1998 hier http://www.foucault.de/paranoia.htm schrieb:

Andererseits hat der Wahn als die Nachtseite der Vernunft die gegen ihn errichteten Verteidigungsanlagen unterminiert. Eine vollkommen paradoxe Situation ist entstanden: die Hochburgen der Vernunft sind Spielplätze des Irrsinns geworden.
Diese Stellungnahmen der  Betroffenen-Organisationen hat das BVerfG schlicht übergangen:
Das BVerfG hat ein Musterbeispiel dafür gegeben, für das Herbert Marcuse den Begriff der "repressiven Toleranz" als Herrschaftsinstrument geprägt hat: es wird so getan, als ob ganz tolerant zu einer "Stellungnahme" eingeladen würde, "Beteiligung" sollte aber nur vorgetäuscht werden. Tatsächlich diktiert das BVerfG dann die brachialste Strafe vor der Todesstrafe, zu erduldende Körperverletzung, und präsentiert das als staatliche Folter"pflicht". Mit der Einladung zur Stellungnahme hat das BVerfG also nur so getan als ob unsere Meinung Bedeutung habe; es ging um die Simulation eines Gehörs, um fälschlich behaupten zu können, die Betroffenen seien beteiligt worden, wo hingegen das BVerfG in der Entscheidung nur lapidar feststellt, Zitat:
Der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V. und die Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V. sehen in § 1906 Abs. 3 BGB hingegen lediglich eine Eingriffsnorm. Eine ärztliche Zwangsbehandlung könne nicht als Begünstigung angesehen werden. Es müsse immer der Patientenwille gelten. § 1906 Abs. 3 BGB sei schon deswegen verfassungswidrig, weil er Zwangsbehandlungen überhaupt ermögliche.
Selbst der rechtspolitische Korrespondent der Taz, Christian Rath, kommentiert am 26.8. ".. das Urteil der Karlsruher Richter überzeugt nicht", siehe: http://taz.de/Zwangsbehandlung-psychisch-Kranker/!5330885/

Ein Komplott des BVerfG und der Regierung gemeinsam mit der Opposition.
Jetzt kann und soll hemmungslos die ambulante Zwangsbehandlung für täuschend "Betreute" Genannte durchgesetzt werden. Das neue Bezahlsystem "Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG)", das von Gesundheitsminister Gröhe (CDU) auf Wunsch der SPD, DGPPN, DGSP, Ver.di und anderen HiWis vorgelegt wurde, in unmittelbarer Verbindung mit der Entscheidung des BVerfG läßt nur einen Schluss zu: endlich soll es auf breiter Front mit ambulanter Zwangsbehandlung los gehen - das Bohren des BGH, körperverletzende medizinisch-psychiatrische Gewalt überall in den Gemeinden durchzusetzen, hat Erfolg gehabt.
Rette sich wer kann - das BVerfG stellt jede/n vor die Wahl:
Entweder PatVerfü oder Messer frei für die Chirurgen und Spritze frei für die Psychiater.

Die PatVerfü ist die Ausnahme, die das BVerfG von der Folter-Verpflichtung des Staates zugelassen hat.
Da die Entscheidung des BVerfG speziell bei Entmündigten - zur Täuschung "Betreute" Genannte - sofort greift, ist es also dringender denn je, niemals in die Falle so einer (Zwangs-)"Betreuung" zu geraten. Das kann nur eine PatVerfü zuverlässig verhindern. Sie ist also für jeden Erwachsenden ein Muss, dem an seiner Selbstbestimmung gelegen ist und der nicht gerichtlich zu einem Stück hirnkranken Fleisch zur freien Verfügung von Ärzten erklärt werden will.
Unsere Reaktion auf dieses Urteil ist also, die PatVerfü so zu verstärken, dass die Einrichtung einer Betreuung bei einer mit einer PatVerfü geschützten Person rechtsbeugend würde. Dazu empfehlen wir - außer den im PatVerfü Handbuch genannten Maßnahmen - nun die PatVerfür immer notariell zu beurkunden.
Zusätzlich soll ein Rechthilfefonds gegründet werden, der das finanzielle Prozess-Risiko bei jedem Versuch einer Zwangsbetreuung gegen eine so abgesicherte PatVerfü trägt (siehe auch "Psychiatrie ist nackte Gewalt").

Dies ist eine Nachricht des Werner-Fuß-Zentrums
im Haus der Demokratie und Menschenrechte
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Geisteskrank? Ihre eigene Entscheidung!
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Warum Einwilligungsunfähigkeit kein Kriterium zur Rechtfertigung von psychiatrischer Zwangsbehandlung sein kann - der Beweis.
Prämisse 1:Niemand darf mit staatlichen Zwangsmaßnahmen zu einer Überzeugung bzw. einem Glauben genötigt werden – insbesondere nicht mit einer zu erduldenden Körperverletzung.
Es gibt für Kranke ein Recht auf Krankheit und es gilt das absolute Folterverbot.
Prämisse 2:Die Existenz von psychischer Krankheit ist nicht unumstritten – es besteht ein Meinungsstreit. Deren Existenz wird z.B. von dem Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie Prof. Thomas Szasz (1920–2012) seit 1961 mit vielen Veröffentlichungen z.B. „Geisteskrankheit – ein moderner Mythos“ verneint. Andere Akademiker, wie der berühmte Michel Foucault, haben ihm seit 1961 beigepflichtet. Viele der jemals psychiatrisch diagnostizierten Betroffenen teilen dieselbe Überzeugung. Z.B. explizit alle, die eine PatVerfü unterzeichnet haben. Obgleich kein Mainstream, ist diese Überzeugung also keine völlig abwegige Marginalie.
Schluss:Dementsprechend kann „Einwilligungsunfähigkeit“ keine Rechtfertigung für irgendeine Zwangsbehandlung sein, egal wie einschränkend weitere sonstige [gesetzliche] Bedingungen sein mögen. Im Beschluss des Bundesverfassungsgericht [BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 - Rn. (1-83)] wurde also keine schlüssige Rechtfertigungsgrundlage für Zwangsbehandlung benannt.
Beweis:Einwilligungsfähig in eine Behandlung wegen einer Krankheit der eigenen Person kann diese Person dann, und nur dann, sein, wenn sie – jenseits der Richtigkeit der Diagnose – die Existenz dieser Krankheit zumindest für wahrscheinlich hält, besser, daran glaubt oder sogar davon überzeugt ist.
Laut Prämisse 2 gibt es also
A) Menschen, die psychische Krankheit zumindest für wahrscheinlich halten, daran glauben oder von deren Existenz überzeugt sind.
B) Menschen, die psychische Krankheit weder für wahrscheinlich halten, noch daran glauben, noch von deren Existenz überzeugt sind.
Nur die Menschen der Gruppe A) können also einwilligungsfähig bzw. einwilligungsunfähig sein – aus welchen Gründen auch immer.
Menschen der Gruppe B) können – bei Bewusstsein – unter keinen Umständen in eine Behandlung einer ihrer Überzeugung nach nicht existierenden Krankheit einwilligen. Eine Einwilligung wäre für sie eine bewusste Lüge. Somit sind sie aus dieser Logik heraus prinzipiell, also immer, einwilligungsunfähig.
Wenn Menschen der Gruppe A) bei einer psychiatrischen Untersuchung als „psychisch krank“ diagnostiziert werden, so kann prinzipiell auch deren Einwilligungsfähigkeit bzw. Einwilligungsunfähigkeit festgestellt werden. Unter Umständen mögen sie zeitweise „krankheitsuneinsichtig“ sein, aber prinzipiell ist es möglich. Es entsteht kein Paradox.
Wenn Menschen der Gruppe B) bei einer psychiatrischen Untersuchung – die möglicherweise sogar gegen deren Willen vorgenommen wird – als „psychisch krank“ diagnostiziert werden, so kann jedoch prinzipiell nie deren Einwilligungsfähigkeit festgestellt werden, denn sie sind aufgrund ihrer Überzeugung bzw. ihres Glaubens immer einwilligungsunfähig.
Wenn die Einwilligungsunfähigkeit der Gruppe B), unter welchen Zusatzbedingungen auch immer, dazu führen könnte, dass damit eine psychiatrische Zwangsbehandlung gesetzlich gerechtfertigt werden könnte, dann wäre Prämisse 1 verletzt. Denn die gegebenenfalls zu duldende Zwangsbehandlung könnte von den Betroffenen dann nur noch dadurch beendet werden, dass sie ihre Überzeugung unter der Erfahrung der nötigenden Zwangsmaßnahmen entweder verleugnen oder widerrufen. Beides wäre erzwungene Krankheitseinsicht – eine „Selbstbezichtigung“ angeblich „psychisch krank“ zu sein. Diese Zwangsmaßnahmen würden das Folterverbot verletzen (Stichwort: Geständniszwang).
Weder das Bundesverfassungsgericht noch die deutschen Gesetzgeber dürfen dieses international anerkannte jus cogens verletzen. Keine Interpretation des Art. 2 GG darf es unterlaufen, wie es das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss des Zweiten Senats vom 23. März 2011 - 2 BvR 882/09 - Rn. 47 + 49 versucht:
Zitate:
b) Zur Rechtfertigung des Eingriffs kann aber das grundrechtlich geschützte Freiheitsinteresse des Untergebrachten selbst (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) geeignet sein, sofern der Untergebrachte zur Wahrnehmung dieses Interesses infolge krankheitsbedingter Einsichtsunfähigkeit nicht in der Lage ist.
bb) Das Gewicht, das dem eingeschränkten Grundrecht in der Abwägung mit denjenigen grundrechtlichen Belangen zukommt, die durch den Eingriff in dieses Recht gewahrt werden sollen, kann jedoch nicht vollkommen losgelöst von den tatsächlichen Möglichkeiten des Grundrechtsträgers zu freier Willensentschließung bestimmt werden (vgl. BVerfGE 58, 208 <225>). Der Gesetzgeber ist daher berechtigt, unter engen Voraussetzungen Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen des Grundrechtsträgers ausnahmsweise zu ermöglichen, wenn dieser zur Einsicht in die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat angenommen, dass unter dieser Voraussetzung der schwerwiegende Grundrechtseingriff, der in einer Freiheitsentziehung liegt, zum Schutz des Betroffenen selbst gerechtfertigt sein kann, und die nach Landesunterbringungsrecht für einen solchen Fall vorgesehene Möglichkeit fürsorgerischer Unterbringung zum Zweck der Behandlung gebilligt (vgl. BVerfGE 58, 208 <224 ff.="" nbsp="">; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. März 1998 - 2 BvR 2270/96, NJW 1998, S. 1774 <1775>).
Fazit:Psychiatrische Zwangsbehandlung kann nur durch eine, die entsprechende Zwangsbehandlung explizit bewilligende, vorher mit freiem Willen verfasste, Patientenverfügung gerechtfertigt werden. Der Versuch, den Art. 2 GG so zu interpretieren, dass eine Einwilligungsunfähigkeit unter bestimmten Bedingungen eine zu erduldende Körperverletzung rechtfertigen könne, verstößt gegen das absolute Folterverbot. Entsprechend hat auch der Sonderberichterstatter über Folter des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Juan E. Méndez, geurteilt, dass "alle Staaten ein absolutes Verbot aller medizinischen nicht einvernehmlichen bzw. Zwangsbehandlungen von Personen mit Behinderungen verhängen sollten, einschließlich nicht-einvernehmlicher Psychochirurgie, Elektroschocks und Verabreichung bewusstseinsverändernder Drogen, sowohl in lang- wie kurzfristiger Anwendung. Die Verpflichtung, erzwungene psychiatrische Behandlung wegen einer Behinderung zu beenden, ist sofort zu verwirklichen und auch knappe finanzielle Ressourcen können keinen Aufschub der Umsetzung rechtfertigen."     Quelle: http://www.folter-abschaffen.de

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