Sonntag, 8. März 2015
Fünf Feinde der GDL
1. Die Bahn will, soviel weiß eigentlich jeder, hohe Gewinne einfahren und das geht nun mal unter anderem darüber, am Kostenfaktor Lohn ordentlich zu sparen. So kommt es, dass die Lokführer nicht nur im internationalen Lohnvergleich schlecht darstehen, sondern die "Mitarbeiter" der Bahn inzwischen zusammen 8 Millionen Überstunden (und über 5 Millionen offene Urlaubsstunden) vor sich herschieben. Dass diesem Gewinninteresse trotzdem die Daumen gedrückt werden, liegt auch an den
2. Medien, die schon zu Anfang des Streiks wussten, dass er zu weit geht. Die Frage, die einem aufgemacht wurde (und der die Antwort gleich mitgeliefert wurde), war die nach der Verhältnismäßigkeit. Gemeint war natürlich nicht das Verhältnis von Ziel (mehr Lohn) und Mittel (Arbeitskampf) des Streiks, sondern das Verhältnis von "allgemeinem" zu "partikularem" Interesse, womit dann die Öffentlichkeit als Allgemeinheit gegen die Lokführer als Partikularität erfolgreich aufgehetzt wurde. Fragen sollte man sich, ob nicht die Forderungen niedrig genug sind, dass sie eine derartig „rücksichtlose“ Durchsetzung rechtfertigen kann. Dass sich der Profit rücksichtslos gegen die Arbeiter und deren Arbeits- und Lebensbedingungen stellt, ist dabei keine Frage, wie denn auch: immerhin haben sich die kritischen Schreiberlinge von der vierten Gewalt diese Logik nicht ausgedacht, sondern einfach abgeschrieben von der
3. Politik, die, ironischerweise möchte man fast sagen, vor allem qua ihres "Arbeiterpartei"personals von der SPD, mal so richtig herfährt über die Lokführer - die nämlich, kann man bei Sigmar Gabriel lesen, missbrauchen ihr Streikrecht zu etwas, zu dem es gar nicht gedacht war. Die Verantwortung, die die Herrschenden dieses Staates (im Übrigen immer noch Haupteigentümer der Bahn) bei den Streikenden vermissen, ist die für den Standort Deutschland - für ein materielles Interesse sollen Gewerkschaften sich nicht einsetzen, vielmehr als längerer Arm des Unternehmens immerzu dessen Überlegungen für ein "sozialverträglichen", also gerade so niedrigen Lohn, dass er noch nicht zur vollkommenen Verelendung führt, bejahen und durchwinken.
Damit es nämlich aufwärts geht im Land, muss vor allem eins stattfinden – ganz viel Gewinn der Unternehmen, und dafür sollen vor allem die einstehen, auf deren Rücken dieser erwirtschaftet wird – sonst, die Drohung kennt jeder abhängig Beschäftigte, kann man sich nämlich den Lohn ganz streichen. Entweder man gibt sich halt zufrieden, für den Profit eines Unternehmens auch zu geringen, Hunger- und Mindestlöhnen zu arbeiten – oder man darf sich, so man nicht zum Zweck des Gewinnmachens sich gebrauchen lässt, gleich als Hartzer wiederfinden, der in der Eckkneipe aufschreiben lässt. So, wissen moderne Sozialdemokraten, geht eben die Win-Win-Situation des Kapitalismus: für eine Seite soll Reichtum herausspringen, für die andere Seite die Rolle, diesen Reichtum zu produzieren.
Ein tolles Beispiel für diese "verantwortungsvolle" Umgangsform mit dem Streikrecht, das bei seinem erfolgreichen Ge- gleich seinen Miss-brauch bedeutet, kennt Sigmar Gabriel auch, nämlich die DGB, deren bahnerischer Teil, die
4. EVG genau diesen verantwortungsvollen, sprich ganz auf dem Standpunkt des Unternehmens stehenden, schon immer befürwortet hat. Ehemalige Vorstandsmitglieder der EVG fiehlen so nicht nur durch ihre persönliche Freundschaft zum damaligen Bahn-AG Chef Mehdorn auf, sondern wechselten nach erfolgreichem Nicht-Einsetzen für irgendwelche Lohnforderungen ihrer Mitglieder auch prompt in den Vorstand dieses Unternehmens - sie verstehen, wie von Politik und Kapital gewünscht, eben das Unternehmen nicht als Gegensatz zum Arbeiter, obwohl dieser Gegensatz einmal der ganze Grund für eine Organisation der Arbeitschaft in Gewerkschaften war. Vielmehr vertreten Gewerkschaften dieser Form die Behauptung von der Wohltat des Unternehmens, für Arbeitsplätze zu sorgen - ob deren guten Willens man dann über die Bezahlung und Arbeitsbedigungen dieses Arbeitsplatzes aber mal gar nichts zu meckern habe. Die EVG kann sich schon einmal das Händchen reiben - denn der Staat gedenkt, mithilfe eines netten neuen Gesetzes, das von solchen selbsternannten Sozialisten wie Nahles vorbereitet wird, Gewerkschaften dieser Art den Rücken zu stärken und der GDL endgültig das Streik-Rückgrat zu brechen - der, sobald sie sich in den Abwehrkampf begibt, der Vorwurf des "Machtstrebens" gemacht wird, einer Macht übrigens, von der auch eine ganz andere Gruppe nichts haben soll - und will:
5. Das Volk, wie es so ist, stellt sich auf den schon vorbereiteten Standpunkt des Allgemeinen Wohls - womit hohe (Bahn)profite gemeint sind und wofür der Kampf für die Arbeitsbedingungen der Lokführer nur ein ärgerliches Hindernis darstellt. Absurd wird es richtig, wenn Leute, denen es in ihrer Arbeit gar noch schlechter geht als den Lokführern, genau das als Einwand GEGEN einen Streik wenden, wenn die Tatsache, dass man bei Arbeitsausfall wegen fehlender Transportation zu Ende des Monats hungern muss, zum Grund des Nachdenkens nicht über die eigene Arbeit, sondern zur Empörung über diesen Gesellschaftsschädling werden.
Sich des Standpunktes des nationalen Interesses einmal so richtig angenommen, kommen diese Leute nie wieder auf die Idee, dass der Grund für das Streiken dieser Berufsgruppe grad derselbe ist, weswegen Ihnen dauernd materielle Sorgen aufkommen und folgerichtig stellt man sich voll und ganz hinter die Zwecke, die, als anderes Unternehmen, einem selbst das Leben vermiesen.
Das Traurige daran ist, dass es nicht einmal, wie der häufige Vorwurf heute lautet, eine Frage ihres guten Willens ist, denn tatsächlich sind sie von diesem Allgemeinwohl abhängig gemacht und das ist
... warum sie auch meine sind.
Es stimmt ja: Als jemand in diesem Staat, der nicht zufällig über eine Bahn, eine Fabrik für Fischkonserven oder sonstiges Eigentum verfügt, dass er produktiv machen kann, ist man als Arbeiter zum Über-die-Runden-Kommen ganz schön verwiesen auf das Eine: dass einen ein Unternehmen benutzt, damit es Profite aus einem schlägt – wobei diese Benutzung dann notwendig darin mündet, dass mein ursprünglicher Zweck, nämlich ein hoher Lohn, dem Unternehmenszweck, nämlich ein hoher Gewinn, ganz schön zuwiderläuft. Dieser Widerspruch ist der ganze Grund, warum sich Arbeiter einmal in Gewerkschaften organisiert haben – um ein Kampfmittel gegen die Kalkulationen des Unternehmens mit ihrem Lohn zu haben, denen sie als vereinzelte Konkurrenten ausgeliefert waren. Die Gewerkschaft ist ihrem ganzen Gründungsmotiv das Bekenntnis zu diesen zwei Wahrheiten unserer Gesellschaft: dass es zwei Klassen gibt, die sich mit ihren Zwecken unversöhnlich gegenüberstehen.
Nun verstehen sich moderne Gewerkschaften lustigerweise genau andersherum: als den Ausgleich, der diese gegensätzlichen Interessen eine. Der hohe Maßstab, den sie infolgedessen an ihre eigene Arbeit anlegen, ist dann folgerichtig nicht das materielle Interesse ihrer Mitglieder – dies hieße ja, den Widerspruch offen auszufechten – sondern die „Legitimität“ dieser materiellen Forderungen. Woran die sich nun wieder zu messen hat, ist ebenfalls kein Geheimnis: für die Berechtigung ihrer Forderungen verlassen sich die Gewerkschaften schon lange nicht mehr auf das verpöhnte Recht des Stärkeren, indem sie sich mit Streik, Sabotage und anderen Gewaltmitteln schlicht durchsetzen, sondern wenden sich brav an die Instanz, die in diesem Land sich aufgeschwungen hat, einzige Gewalt zu sein: dem Staat. Den nun einmal gefragt, was legitime Arbeiterforderungen sind, bleibt nicht viel: legitim ist dann all das, was sie produktiv hält, illegitim alle Forderungen, die das Unternehmen über dieses Maß hinaus beschneiden.
Unterm Strich bleibt für jeden, der in dieser Gesellschaft Lohnabhängiger ist, eins zu lernen aus diesem Streik der GDL und der darüber herfallenden Meute: sein privates, materielles Interesse gilt in diesem Laden n i c h t s.
Will er es trotzdem durchsetzen, muss er es ihm mühsam abringen und selbst die Mittel, die ihm dazu zugestanden werden, wie das Streikrecht, unterliegen einer dauerhaften misstrauischen Beäugung, ob sie nicht zu viel erlauben an Mitteln gegen das Elend eines 1300€ Netto-Lohns.
Wo derartige Angriffe gegen die materiellen Interessen der Leute gefahren werden, wäre es, soll der deutliche Unterton dieses Textes sein, einmal angebracht, sich zu fragen, wieso eigentlich alles, was dem Arbeiter in dieser Gesellschaft überhaupt zugestanden wird, so ein Abfallprodukt der Gewinnberechnung von Unternehmen sein muss – ob man sich da wirklich als V o l k auf den Standpunkt des „allgemeinen“ Interesses, oder nicht doch lieber als A r b e i t e r auf den Standpunkt des partikulären Interesses stellen wollte – eines Interesses eben, dass einem selbst nicht feindlich gegenübersteht.
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