Dienstag, 17. März 2015
Cuba/USA: Zuckerbrot und Peitsche
Annäherung an Havanna, Konfrontationskurs gegen Caracas: Obama könnte sich verrechnet haben
Von André Scheer
Unterstützung von überraschender Seite für Venezuelas Präsident Nicolás Maduro: Jorge Urosa Savino, Erzbischof von Caracas und einer der ranghöchsten Vertreter der katholischen Kirchenhierarchie des südamerikanischen Landes, kritisierte die von den USA gegen Caracas verhängten Sanktionen als »inakzeptabel«. Das berichtete Radio Vatikan am Montag. Die Behauptung von US-Präsident Barack Obama, Venezuela stelle eine Bedrohung für die Vereinigten Staaten dar, sei »übertrieben«, erklärte der Religionsvertreter. Es sei »beklagenswert«, dass sich die Beziehungen zwischen den USA und Venezuela ausgerechnet in dem Moment verschlechterten, in dem die USA auf Kuba zugingen.
Die Gleichzeitigkeit dieser beiden Entwicklungen ist tatsächlich auffällig. Schon am 10. Dezember beschloss der US-Kongress Strafmaßnahmen gegen namentlich nicht öffentlich genannte Beamte Venezuelas, denen die nordamerikanische Administration Menschenrechtsverletzungen vorwarf. Acht Tage später unterzeichnete Präsident Barack Obama den Sanktionsbeschluss – nur 24 Stunden nachdem er der überraschten Welt den Kurswechsel gegenüber Havanna mitgeteilt hatte. Am 9. März verschärfte Washington die Repressalien gegen Caracas weiter und verhängte gegen sieben diesmal namentlich aufgeführte Funktionäre des venezolanischen Sicherheitsapparates Einreiseverbote und andere Sanktionen. Die Lage in Venezuela stelle eine »ungewöhnliche und außerordentliche Bedrohung für die nationale Sicherheit und die Außenpolitik der Vereinigten Staaten« dar, hieß es in Obamas Dekret. Zugleich gehen hinter verschlossenen Türen die Verhandlungen zwischen Havanna und Washington über eine offizielle Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen weiter. Zuletzt traf am Montag erneut eine hochrangige Delegation in Havanna ein, berichtete Prensa Latina.
»Streit zwischen USA und Venezuela bringt Kuba in schwierige Lage«, titelte die Washington Post in der vergangenen Woche und unkte von einer inoffiziellen Arbeitsteilung in Havanna: Während Fidel Castro in einer kurzen Botschaft Maduro den Rücken gestärkt habe, setze dessen Bruder, Staatspräsident Raúl Castro, die Verhandlungen fort. Tatsächlich aber gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass Havanna seinen engsten Verbündeten den USA opfern könnte. Die staatlichen Medien der Karibikrepublik sind seit Tagen voll mit Berichten über die antiimperialistischen Proteste in ganz Lateinamerika. So titelte das Zentralorgan Granma am Montag: »Wir alle sind Venezuela!« Am Sonntag demonstrierten zahlreiche Künstler mit einem Konzert auf den Stufen der Universität von Havanna vor Tausenden Menschen gegen die US-Aggression. Außenminister Bruno Rodríguez bekräftigte am selben Tag in einer Fernsehansprache: »Wer Venezuela angreift, greift Kuba an!« Die USA müssten erkennen, »dass sie nicht Kuba mit Zuckerbrot locken und Venezuela mit der Peitsche schlagen können«.
Vor diesem Hintergrund sieht die Frankfurter Allgemeine Zeitung Obama bereits »orientierungslos im karibischen Dreieck« gefangen und warnt: »Die neuen Sanktionen Washingtons gegen Caracas haben zu einem Solidarisierungseffekt mit Venezuela in Lateinamerika und in der Karibik geführt«. So hatte die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR), der Zusammenschluss aller souveränen Staaten der Region, am Sonnabend nach einem Außenministertreffen in Quito den USA vorgeworfen, das Dekret gegen Venezuela stelle eine »Bedrohung der Souveränität und des Prinzips der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten« dar. In der Montagausgabe der weder Havanna noch Caracas freundlich gesonnenen FAZ schreibt Matthias Rüb deshalb: »Die Sanktionen gegen Venezuela heben den positiven Effekt wieder auf, den die Ende 2014 verkündete Annäherung Washingtons an Havanna sowie die Lockerung des amerikanischen Embargos gegen Kuba für das Image der Vereinigten Staaten in Lateinamerika und in der Karibik gehabt hatten.«
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