Dienstag, 17. März 2015
Schlechte Betreuung in den Jobcentern
Hartz IV: Weiterbildung Lama führen
17.03.2015
In der aktuellen Folge der Reportagereihe „Team Wallraff“ von RTL wurde am Mittwoch Abend auf die desaströsen Zustände in deutschen Jobcentern aufmerksam gemacht. Demnach sind die Jobcenter-Mitarbeiter stark überlastet. Sie müssten deutlich mehr Hartz IV-Bezieher betreuen, als offiziell vorgesehen sei, heißt es in der Reportage. Günther Wallraff selbst nahm an einer Maßnahme des Jobcenters für Erwerbslose in Süddeutschland teil, bei der Lamas gemeinsam Urlaubern spazieren geführt wurden.
Arbeitslosenstatistik wird durch Maßnahmen vom Jobcenter geschönt
Wallraffs Fazit nach seinem Einsatz: Maßnahmen wie Bewerbungstrainings, Motivationscoachings und Lama-Wanderungen seien zum größten Teil sinnlose Veranstaltungen. „Das ist wie eine Art vorsätzliche Körperverletzung, die man an den Leuten begeht“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Stefan Sell, der früher selbst ein Arbeitsamt leitete, gegenüber RTL. „Weil man sie reintreibt in eine Situation, die am Ende ihren Zustand oftmals eher noch verschlimmert.“
Dennoch werden Erwerbslose immer wieder in zum Teil absurde Maßnahmen gesteckt. Für das Jobcenter macht das Sinn, weil sie dadurch aus der Arbeitslosenstatistik verschwinden. Ebenso werden ältere Hilfebedürftige und Krankgeschriebene aus der offiziellen Statistik herausgerechnet. Wallraffs Berechnungen zufolge tauchen zudem weitere 294.000 Personen ohne Job aus unbekannten Gründen nicht in der Statistik auf. Die Zahl der Erwerbslosen, die jeder Jobcenter-Mitarbeiter betreuen muss, ist folglich viel höher als die offiziell vorgesehenen 150 „Kunden“.
Jobcenter-Mitarbeiter betreuen bis zu 500 Erwerbslose
Wallraffs Kollege Torsten Misler hat sich als Praktikant in mehrere Jobcenter eingeschleust und Gespräche mit Arbeitsvermittlern gefilmt. So habe sich Misler zufolge herausgestellt, dass die Jobcenter-Mitarbeiter zum Teil 200 bis 500 Erwerbslose betreuen. Zeit für eine intensive Beratung bleibt dabei kaum. Die Leidtragenden sind einerseits die überlasteten Sachbearbeiter, andererseits aber vor allem die Hartz IV-Bezieher, die häufig nur abgefertigt werden. „Es geht doch hier nur darum, dass die Zahlen stimmen. Der Mensch bleibt hier doch so oft auf der Strecke“, sagt eine Mitarbeiterin in der Reportage. „Bei aller Schönrederei: Da wird nur Arbeitslosigkeit verwaltet. Da passiert nicht wirklich was“, so das Fazit einer anderen Sachbearbeiterin.
Einige Hartz IV-Bezieher müssten mehrere Monate warten, bis ihre Anträge bearbeitet sind und Geld ausgezahlt wird. Grundsätzlich wollten die meisten Arbeitsvermittler aber helfen, so Misler. Vielen hätten jedoch nach Jahren resigniert. Zudem seien viele Jobcenter-Mitarbeiter selbst von Arbeitslosigkeit bedroht, da viele Stellen auf befristeten Arbeitsverträgen beruhten. Das erzeuge viel Frust und Wut bei den Mitarbeitern.
Der Reportage zufolge werden sogar teilweise Unterlagen einfach im Aktenschredder vernichtet, wenn die Überlastung der Mitarbeiter durch die Antragsflut zu groß wird. (ag)
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