Dienstag, 17. März 2015
Millionen arbeiten Teilzeit - das reicht oft nicht zum Leben
16.03.15 - Rasant ist die Teilzeitarbeit in den letzten Jahren gestiegen – das belegt eine heute bekannt gewordene Sonderauswertung von Eurostat. Sie wurde vom Bundesarbeitsministerium auf Anfrage der Grünen vorlegt. Teilzeitarbeit macht rechnerisch mehr als dreiviertel aller seit 2004 neu „geschaffenen“ Arbeitsplätze aus. 2013 waren 25 Prozent mehr Menschen in Teilzeit beschäftigt, als zehn Jahre zuvor. Wie viele Vollzeitstellen dafür vernichtet wurden, geht aus der Studie nicht hervor. Insgesamt 10,7 Millionen Beschäftigte arbeiten unter 35 Stunden pro Woche. Fast 3,2 Millionen Menschen arbeiten weniger als 15 Stunden die Woche, davon 2,4 Millionen Frauen. Von den Minijobs kann man in der Regel nicht leben und erst recht nicht von der späteren Rente.
Auffällig zugenommen hat die Zahl der Menschen, die zwischen 25 und 35 Stunden in der Woche arbeiten: um mehr als 50 Prozent auf über 3 Millionen, davon 2,6 Millionen Frauen. Ein Grund ist, dass immer mehr Beschäftigte gesundheitlich die volle Arbeitszeit und Druck in den Betrieben nicht mehr durchhalten. Um Kinder zu versorgen oder Angehörige zu pflegen, müssen gerade viele Frauen kürzer arbeiten. Ihnen fehlt der Lohnausgleich dringend. Andere werden mit "Sparprogrammen" zu Mehrarbeit gezwungen. In keinem anderen Land der Euro-Zone klafft die Differenz zwischen tariflicher und tatsächlicher Wochenarbeitszeit so weit auseinander wie in Deutschland. Vier Überstunden pro Woche ist der Durchschnitt. Nur jede zweite Überstunde wird bezahlt. 41,7 Stunden und damit eine knappe halbe Stunde mehr als im Euro-Raum-Durchschnitt ist die durchschnittliche tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit in Deutschland. Tarifvertraglich wären es nur 37,4 Stunden.
Eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden in der Woche bei vollem Lohnausgleich und von Montag bis Freitag kann Arbeitsplätze erhalten und tatsächlich neue schaffen. Die Forderung schließt jung und Alt über die Branchen und auch über Ländergrenzen hinweg zusammen. Dieses Jahr gibt es erfreulich viele selbstbewusste kämpferische Aktionen und Streiks, wie derzeit im öffentlichen Dienst. Eine wachsende Zahl von Kolleginnen und Kollegen hat die Kapitulation satt, wie sie reformistische Gewerkschaftsführer verbreiten, die behaupten, man könne keine offensiven Forderungen aufstellen.
Als die ver.di-Frauen am 8. März in Gelsenkirchen für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich Sprechchöre riefen, bekamen sie viel Zustimmung von Passanten, sogar von den Polizisten.
Absurd und typisch für das kapitalistische System ist, dass die Zahl der Menschen, die nicht von ihrer Arbeit leben können, immer größer wird, während der gesellschaftliche Reichtum ständig wächst. So stieg die Produktivität im Elektro- und Metallgewerbe um 40 Prozent in den letzten zehn Jahren. Doch was die Arbeiterklasse an Werten produziert, kommt nicht ihnen und und der Masse der Bevölkerung zugute, sondern steigert die Profite der Konzerne unermesslich.
Das Grundübel lässt sich nicht durch Reformen lösen, sondern nur mit Beseitigung des kapitalistischen Systems durch die internationale sozialistische Revolution. Mit Blick auf die Zukunft vor allem der Jugend muss jeder Kampf zu einer Schule des Klassenkampfs werden.
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