Samstag, 14. Juni 2014
Die Restauration der Oligarchen (IV)
BERLIN/KIEW
Quelle: german-foreign-policy.com vom 26.05.2014 –
Mit der Wahl von Petro Poroschenko zum künftigen Präsidenten der Ukraine nähert sich die Restauration der ukrainischen Oligarchen unter deutsch-amerikanischer Hegemonie ihrem Abschluss. Poroschenko ist mit einem Vermögen von angeblich gut 1,6 Milliarden US-Dollar der vermutlich siebtreichste Mann des Landes; er kontrolliert mehrere ukrainische Konzerne. Schon vor ihm sind andere Oligarchen in dem prowestlich gewendeten Land in Amt und Würden gekommen. So zählen die Gouverneure der ökonomisch bedeutenden Oblaste Donezk und Dnipropetrowsk zu den reichsten Ukrainern. Einen weiteren Oligarchen, dem enge Beziehungen zu Wladimir Putin nachgesagt werden, hat Poroschenko vor der Wahl in Wien konsultiert; der Mann darf die Stadt wegen eines US-Haftbefehls nicht verlassen. Die Absprachen mit ihm, die mutmaßlich auch die Wahl in der Ukraine betrafen, werden geheimgehalten. Rinat Achmetow hingegen, der reichste Ukrainer, macht sich inzwischen unverzichtbar, indem er Schritte zur Stabilisierung der Ostukraine ergreift – in Abstimmung mit Berlin. Im prowestlich gewendeten Kiew enthält die sich nun wieder festigende Oligarchen-Dominanz, gegen die die ersten Majdan-Proteste Sturm liefen, zusätzlich ein Element faschistischer Herrschaft.
Konzernimperium mit TV-Kanal
Der künftige ukrainische Präsident Petro Poroschenko rangiert auf der Forbes-Liste der reichsten Oligarchen des Landes zur Zeit auf Platz sieben; sein Vermögen wird auf gegenwärtig 1,6 Milliarden US-Dollar geschätzt. Kern seines Konzernimperiums ist die Firma Ukrprominvest, in der er seine Unternehmen gebündelt hat. Das wohl bekannteste von ihnen ist der Süßwarenkonzern Roshen, der zu den 20 größten der Branche weltweit gehört; er soll allein rund 10.000 Personen beschäftigen. Zu Ukrprominvest gehört zudem die Bohdan Corporation, eines der größten Automobil- und LKW-Werke des Landes. Mit Leninska Kuznya ist Poroschenko auch in der Schiffs- und Rüstungsbranche aktiv. Eine herausragende Rolle in seinem Konzernimperium spielt der Fernsehsender „Kanal 5“, der sowohl während der „Orangenen Revolution“ 2004/05 als auch während der Unruhen im Winter 2013/14 bei einem breiten Publikum für die Positionen der prowestlichen Kräfte warb.
Flexible Karriere
Poroschenko wird im Vergleich zu anderen ukrainischen Oligarchen eine ungewöhnliche politische Flexibilität nachgesagt. Nach ersten Aktivitäten im Rahmen der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei der Ukraine schlug er sich 2002 auf die Seite des späteren prowestlichen Präsidenten Wiktor Juschtschenko, mit dem ihm enge persönliche Beziehungen verbanden; Juschtschenko ist unter anderem Patenonkel seiner Töchter. Entsprechend begann Poroschenkos politischer Aufstieg nach Juschtschenkos Amtsantritt 2005: Im Februar des Jahres wurde er Vorsitzender des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats, verlor diesen Posten allerdings nach exzessiven Streitigkeiten mit Julia Timoschenko bereits im September 2005. Im Oktober 2009 – er hatte sich wieder mit Timoschenko ausgesöhnt – übernahm er das Amt des Außenministers, das er bis März 2010 behielt. Unter dem im Februar dieses Jahres gestürzten Wiktor Janukowitsch wirkte Poroschenko von März bis Dezember 2012 als Wirtschaftsminister. Die in der Ukraine durchaus anzutreffende Auffassung, „er habe vielleicht als Wirtschaftsminister seine Autobranche ein wenig zu sehr begünstigt“ [1], erklärt er selbstverständlich für unzutreffend. Allerdings konnte er, sollten die Forbes-Schätzungen bezüglich seines Vermögens zutreffen, seinen Reichtum im Verlauf von Janukowitschs Amtszeit erheblich mehren. Poroschenko bemüht sich seit geraumer Zeit um enge Kontakte in die EU: Er gehört dem Advisory Council des EU-Think-Tanks European Policy Centre an, zu dessen stetigen Kooperationspartnern die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) gehört.
125 Millionen Dollar Kaution
Die bevorstehende Übernahme des Präsidentenamtes durch Poroschenko ist der vorläufig letzte Schritt in der Restauration der ukrainischen Oligarchen. Bereits im März hatte das Kiewer Umsturzregime den Oligarchen Serhij Taruta zum Gouverneur der Oblast Donezk ernannt; mit einem Vermögen von angeblich rund 650 Millionen US-Dollar soll Taruta auf der ukrainischen Millionärs-Rangliste auf Platz 17 stehen. Auf Platz zwei oder drei – die Schätzungen schwanken – befindet sich Ihor Kolomojskij [2], der neue Gouverneur der Oblast Dnipropetrowsk, dessen Kreisen zudem Finanzminister Oleksandr Schlapak zugerechnet wird. Donezk und Dnipropetrowsk zählen zu den ökonomisch bedeutendsten Regionen der Ukraine. Zu den mächtigsten ukrainischen Oligarchen gehört zudem Dmytro Firtasch, den Poroschenko und sein Parteigänger Witali Klitschko Anfang April zu Absprachen geheimgehaltenen Inhalts trafen. Firtasch soll im Rahmen seiner Erdgasgeschäfte Kontakt zu Russlands Präsident Wladimir Putin gepflegt haben. Derzeit sitzt er in Wien wegen eines US-Haftbefehls fest; er konnte sich allerdings mit einer Kaution von 125 Millionen US-Dollar aus der Haft freikaufen.
Geschickt laviert
Seinen Einfluss hat sich mittlerweile auch Rinat Achmetow sichern können, der reichste Oligarch der Ukraine. Geschickt lavierend, hat er zunächst – so heißt es – Teile der Protestbewegung in der Ostukraine unterstützt, um der Forderung nach größerer Autonomie der Regionen („Föderalisierung“) und damit nach stärkerem Einfluss der tatsächlichen regionalen Machthaber, also der Oligarchen, Nachdruck zu verleihen. Zweimal ist er mit Außenminister Steinmeier zusammengetroffen; nach dem zweiten Treffen hieß es, er sei bezüglich der von Berlin erwünschten Schritte zur Stabilisierung der Ukraine „konkreter“ geworden (german-foreign-policy.com berichtete [3]). Tatsächlich begann er damals, aus seinen Betrieben – er kontrolliert Unternehmen mit insgesamt 300.000 Arbeitern – Ordnertrupps zu rekrutieren und offen gegen separatistische Aktivitäten zu mobilisieren. Wer – wie Berlin – den Osten der Ukraine unter Kontrolle bekommen will, kommt an ihm unmöglich vorbei.
Ein deutsches Hilfsprogramm
Das dürfte auch auf Maßnahmen zutreffen, die der künftige Präsident Poroschenko bei seinem Berlin-Besuch am 7. Mai mit der deutschen Kanzlerin und ihrem Außenminister besprochen hat. In seinem „Führungsstab“ sei zu hören, bei den Verhandlungen sei es um „ein deutsches Hilfsprogramm für das Donbass“ gegangen, „um Arbeitsplätze zu schaffen und das schlechte Image der EU in dieser Region zu verbessern“, wird berichtet: „Die Deutschen hätten zugesagt, die Idee zu unterstützen.“[4]
Das faschistische Element
Während die Berliner Arrangements mit den ukrainischen Oligarchen Gestalt annehmen, zeichnet sich ab, dass deren Dominanz im prowestlich gewendeten Kiew ein zusätzliches Element enthält – ein Element faschistischer Herrschaft: An der Regierung ist nach wie vor die faschistische Partei Swoboda beteiligt; der faschistische Pravyj Sektor („Rechter Sektor“) nimmt am bewaffneten Kampf gegen russlandorientierte Kräfte in der Ostukraine teil. Die gut zehn Prozent, die Swoboda bei den Wahlen 2012 erzielen konnte, teilen sich im extrem rechten Spektrum etwas anders auf: Während Swoboda ersten Prognosen zufolge nur bei 1,5 Prozent und der Pravyj Sektor nur bei gut einem Prozent der Stimmen liegen, erhielt Oleh Lyaschko von der extrem rechten Radikalen Partei mehr als acht Prozent. Lyaschko hat sich im März einen Namen gemacht, als er einen Funktionär der Partei des gestürzten Präsidenten Janukowitsch überfiel und schwer misshandelte.
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[1] Konrad Schuller: Der Mann auf dem Bagger. Frankfurter Allgemeine Zeitung 20.05.2014.
[2] S. dazu Die Restauration der Oligarchen (II).
[3] S. dazu Die Restauration der Oligarchen (III).
[4] Konrad Schuller: Der Mann auf dem Bagger. Frankfurter Allgemeine Zeitung 20.05.2014.
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