Freitag, 5. Juli 2013

Und mit einem Ausbund an Weisheit hörte sie gar nicht auf, sich an den Leninschen Gedanken zu begeistern und empfahl allen, unverzüglich damit zu beginnen, das wertlose Leninsche Erbe zu studieren. Jedoch die Bekanntschaft mit ihrer modernen Publizistik gibt allen Grund zu behaupten, daß sie in einem halbhundert Leninscher Bände das Wesentliche nicht einmal bemerkt hat. Im Wesentlichen hat sie von Lenin nichts begriffen. Und sie hat nichts von ihm gelernt.

VOM KOMMUNISMUS ZUM ANTIKOMMUNISMUS. Von Ljubow Pribytkowa Übersetzung: Vera Lischke, Köln Es gibt in Rußland eine in linken Kreisen bekannte Bürgerin namens Natalja Morosowa. Einst schrieb sie über Lenin viele begeisterte Artikel und gab die Zeitung „Die Richtigkeit Lenins“ heraus. Und 1989 auf dem Höhepunkt der im Land vor sich gehenden Konterrevolution gab sie eine dicke Broschüre heraus, „Lieblingsbücher”, in der sie leidenschaftlich bewies, daß man ohne die Lektüre der Werke Lenins nichts von dem, was in unserem Land und in der Welt geschieht, verstehen kann. Und auch jetzt verläßt die Morosowa ihre publizistische Unruhe nicht. Von ihr erscheint ein Artikel nach dem anderem. Worüber sich diese Dame ausbreitet, davon hier ein Beispiel. Es würde sich nicht lohnen, über solche Menschen zu schreiben, die politisches Kaspertheater zu ihrem jetzigen Beruf gewählt haben, doch es sind ihrer zu viele, sie vagabundieren in Rudeln durch die Weiten des Internets und der Schaden, den sie anrichten, ist erheblich. Und sicher hätte Lenin, wenn er die merkwürdigen Verwandlungen gesehen hätte, die mit der ehemaligen sowjetischen Journalistin vor sich gingen, gesagt: Möge Gott uns von solchen Freunden befreien, mit unseren Feinden werden wir schon alleine fertig. Sie hat Lenin gelesen… Natalja Morosowa hat die vollständige Gesamtausgabe der Werke Lenins durchgelesen. Sie teilte den Lesern mit, daß sie alle 55 Bände akribisch studiert habe, und nicht eine Seite ausgelassen. Sie setzt alle durch ihr phänomenales Gedächtnis, ihr Wissen, in Erstaunen, in welchem Jahr diese oder jene Arbeit Lenins geschrieben wurde, in welchem Band sie zu finden ist und auf welcher Seite Lenin die Polemik mit diesem oder jenem Kampfgenossen führte. Und mit einem Ausbund an Weisheit hörte sie gar nicht auf, sich an den Leninschen Gedanken zu begeistern und empfahl allen, unverzüglich damit zu beginnen, das wertlose Leninsche Erbe zu studieren. Jedoch die Bekanntschaft mit ihrer modernen Publizistik gibt allen Grund zu behaupten, daß sie in einem halbhundert Leninscher Bände das Wesentliche nicht einmal bemerkt hat. Im Wesentlichen hat sie von Lenin nichts begriffen. Und sie hat nichts von ihm gelernt. Ein Steckenpferd im „Schaffen” der Morosowa ist ihre Kritik der Kommunisten für ihr klassenmäßiges Herangehen, das sie unbestritten für einen „Irrtum“ hält. Sie versteht absolut nicht: „Wie kann man sich nur so an das klassenmäßige Herangehen klammern?” Und sie schrieb sogar einen Artikel „Der Abschied vom klassenmäßigen Herangehen”. „Genau definierte Klassen gibt es in unserem Lande nicht. Alle Behauptungen über eine angeblich in Rußland vorhandene Bourgeoisie und über ein Proletariat sind nichts als Einbildung. Anstelle von Kapitalisten und Proletariern haben wir hier nur Räuber und Beraubte”, schreibt sie in einem Artikel. Und in einem anderem ist sie noch resoluter: „Ich lehne es ab, in der modernen russischen Gesellschaft vom Vorhandensein vollständig formierter Klassen zu sprechen”. Und weiter: „unsere Theoretiker haben begonnen, die Gauner als Kapitalisten, den Diebstal des Landes als ursprüngliche Akkumulation zu bezeichnen, und sogar Proletarier haben sie noch irgendwo gefunden…” Zum Beweis des Fehlens der Klassen heute in unserem Land bringt die von ihr verfaßte These an, daß die UdSSR schon eine klassenlose Gesellschaft gewesen sei. Alle wußten, schreibt sie, daß sich im Land eine neue historische Menschengemeinschaft herausgebildet habe – das sowjetische Volk. Eine Journalistin mit Hochschulbildung sollte eigentlich wissen, daß die Struktur der menschlichen Gesellschaft eine komplizierte Angelegenheit ist. Außer der historischen Gemeinschaft gibt es auch andere Gemeinschaften, zum Beispiel religiöse und nationale. Aber erstens hat der historische Materialismus es vielen ermöglicht zu verstehen, daß gerade die Klassenbeziehungen alle übrigen Beziehungen in der Gesellschaft bestimmen. Und zweitens hat das Aufkommen der neuen Gemeinschaft des „sowjetischen Volkes” in der UdSSR die Existenz zweier Klassen – der Arbeiterklasse und der Kolchosbauernschaft – nicht beseitigt. Das war jedem beliebigem Studenten einer sowjetischen Hochschule schon vom ersten Studienjahr an bekannt. Gibt es heute noch Kapitalismus? Die Autorin bezweifelt auch die Existenz des Kapitalismus im heutigen Rußland. Sie schreibt: „Es gibt bei uns keinen gesetzmäßigen Kapitalismus! Er wurde bei uns künstlich errichtet. Oder ist das, was es nirgends und niemals zuvor in der Welt gegeben hat, etwa Kapitalismus – oder ist es irgendein Zentaur?” Man kann die Artikel der Morosowa nur wie eine Sammlung von Anekdoten lesen. In ihrer Jugend hatte die Journalistin Natascha Morosowa möglicherweise gewisse Hoffnungen erweckt. Doch das große Selbstbewußtsein hat mit den Jahren alle Grenzen überschritten, Selbstanalyse und Selbstkritik sind ihr gänzlich abhanden gekommen, die Adäquatheit ihrer Selbsteinschätzung hat das Zeitliche gesegnet. Und nun ist, wie einmal ein kluger Mensch schrieb, bei ihr nur noch „ungeheuerer Griesbrei im Kopf”. Ich glaube schon, daß diese Bürgerin alle Bände Lenins durchgelesen hat, sie hat sich eine Unmenge von Tatsachen und Gedanken Lenins gemerkt, hat viele Einzelheiten der dramatischen Wendungen in der Partei kennengelernt. Doch die Hauptsache hat sie nicht begriffen. Das Wesen der Leninschen Gedanken blieb ihr verborgen. Vom dialektischen Denken Lenins, von seiner historisch-konkreten Analyse, hat sie überhaupt nichts kapiert. Doch gerade die Theorie der Klassen und des Klassenkampfes war für Lenin in der marxistischen Methodologie von zentraler Bedeutung. Er schrieb: „Die Menschen waren in der Politik stets die einfältigen Opfer von Betrug und Selbstbetrug, und sie werden es immer sein, solange sie nicht lernen, hinter allen möglichen moralischen, religiösen, politischen und sozialen Phrasen, Erklärungen und Versprechungen die Interessen dieser oder jener Klassen zu suchen.“ Genau das ist das Wesen des klassenmäßigen Herangehens, und nicht nur an die soziale Struktur der Gesellschaft, wie unsere Autorin meint, sondern an sämtliche sozialen Erscheinungen – an ökonomische, politische, nationale, moralische, religiöse, kulturelle usw. Oder muß man eine gebildete Frau, die soviele Arbeiten von Lenin gelesen hat, erst daran erinnern, daß ein Klassenstandpunkt bei der Erkenntnis der sozialen Erscheinungen bedeutet, daß man die Frage stellen und beantworten muß: cui prodest (für wen ist das von Vorteil?). Doch mit Morosowa zu diskutieren ist vergeblich. Sie kennt den Marxismus ohnehin nur an Hand einiger seiner Losungen, und ihr Bild vom heutigen Rußland hat sich in den Jahren der Perestrojka unter Einfluß des an die Oberfläche gelangten „demokratischen” Gesindels geprägt. Seit dieser Zeit hat sich dieses Bild nur unwesentlich verändert. Für sie ist der Kapitalismus in Rußland bislang noch nicht gekommen, und bisher gibt es für sie noch keine Klassen. Obwohl es doch seither nicht wenige, seriöse und vielmehr wissenschaftliche, als publizistische Veröffentlichungen gegeben hat, die das heutige Rußland als einen imperialistischen Staat qualifizieren. Die „Ideologie“ der Dummheit Man gewinnt den Eindruck, als ob Natalja Morosowa nicht so sehr an der Analyse der Vorgänge im Land interessiert ist, als vielmehr großes Vergnügen beim Verfertigen ihrer Sätze zu empfinden. Und man muß eingestehen, das macht sie nicht schlecht. Doch wer sich landläufig für einen Kommunisten und Politikwissenschaftler hält, und für sich die Rolle eines Verbesserers der „Eckpfeiler des Marxismus” in Anspruch nimmt, der sollte nicht auf so ein spießiges, kleinbürgerliches Niveau herabfallen, der sollte politische und soziologische Termini nicht im umgangssprachlichen Sinne gebrauchen. Von Wissenschaftlichkeit ist hier keine Spur! Unter Ideologie versteht sie die Gesamtheit aller Ansichten der Menschen, wohingegen Ideologie in Wahrheit der theoretische Ausdruck der grundlegenden Klasseninteressen ist. Und natürlich gab es in der klassenlosen Urgesellschaft keine Ideologie und konnte es nicht geben. Sie verwendet das Wort Klasse, aber einen wissenschaftlichen Sinn dieses Begriffes hat sie nicht. Und ihre Vorstellungen über die Konterrevolution in der UdSSR hält überhaupt keiner Kritik stand. Sie schreibt: „Anfang der neunziger Jahre haben die Fleißigen die Macht im Land ergriffen.” Zu ihrem Artikel „Die Wissenschaft wird nicht durch die Scharlatane umgebracht, sondern durch die Bekämpfer der Pseudowissenschaft“ schrieb einer der Kommentatoren: „Man sagt, daß beim Menschen mit dem Alter auch die Weisheit kommt. Doch bei Ihnen scheint es, daß sie mit dem Alter schwindet.” Aus dem Olyp ihres Alters bedenkt sie all jene mit Spott, die auf Lenin verweisen und ihn häufig zitieren, weil sie Dogmatiker seien und „die Klassiker für ihre Amme halten”. Und sie selbst füllte 1989 in der Broschüre „Lieblingsbücher” ganze Seiten mit Leninschen Zitaten. Aber jetzt ist nicht sie die Närrin. Sie ist gereift und hat sich perestrojkiert. Der Marxismus ist längst veraltet… Tapfer und entschlossen hat sie sich für eine Revision des Marxismus entschieden. Und das geschieht ausgerechnet jetzt, wo immer mehr kommunistische Organisationen in Europa sich dazu bekennen, den Marxismus zur theoretischen Grundlage ihrer revolutionären Tätigkeit zu machen und sich gegen den „Eurokommunismus” wenden, der ein Bündnis mit der Bourgeoisie einging. Im ihrem Artikel „Eine Revolution ist notwendig – aber sie wird nicht stattfinden“ schreibt sie, daß in Rußland deshalb keine Revolution geschieht, weil es keine revolutionäre Partei gibt. Und sie zitiert die Leninschen Worte, „daß die Rolle des Vorkämpfers nur eine Partei erfüllen kann, die von einer fortgeschrittenen Theorie geleitet wird”. Und sie stellt den Lesern die Frage: ”Hat denn die Menschheit wirklich noch keine fortschrittlichere Theorie zustande gebracht als den Marxismus? Darin besteht doch das Dilemma, daß es sie nicht gibt. Und seit langem ist es höchste Zeit, sie zu schaffen. Eine Theorie, die vor fünfzig oder gar vor hundert Jahren geschaffen wurde, kann nicht als fortschrittlich gelten, selbst wenn die Schöpfer dieser Theorie geniale Denker waren.” Von ihrem Standpunkt aus, sind die Marxschen und Leninschen Gedanken über den Klassencharakter der kapitalistischen Gesellschaft, über die antagonistischen Beziehungen innerhalb dieser Gesellschaft, über den Klassenkampf als Triebkraft der Entwicklung für Rußland schon veraltet. „Für das Verständnis der jetzigen Epoche ist eine neue Theorie vonnöten, und demzufolge auch neue mutige Theoretiker. Denn die jetzige Epoche ist weder mit dem 19. Jahrhundert vergleichbar, als Marx und Engels lebten, noch mit dem 20. Jahrhundert, das unter dem Zeichen des Leninismus stand.” … und das Denken wird abgewöhnt In einem Brief an Inés Armand schrieb Lenin 1913 über solche Leute wie die Morosowa: „Der größte Teil der Menschen … versteht nicht zu denken, sondern lernt nur Wörter auswendig”. Wenn Morosowa denken würde, so hätte verstanden, daß Marx nicht über die kapitalistischen Länder Europas schrieb. Er schrieb über den Kapitalismus als sozial-ökonomische Formation. Beim Marxismus haben wir es mit einer Theorie der sozial-ökonomischen Formationen zu tun, in der die allgemeinen Gesetze des gesellschaftlichen Seins und die spezifischen Gesetze verschiedener Formationen widergespiegelt sind. Und Marx hat gerade dem Studium des Kapitals, den objektiven Gesetzen und den sozialen Widersprüchen seines Funktionierens einen großen Teil seines Lebens gewidmet. Jedes beliebige Land, das den kapitalistischen Weg beschreitet, hat natürlich seine nationalen Besonderheiten der Entwicklung, aber das Wesen der Entwicklung ist bei allen das gleiche – die kapitalistische Produktionsweise, die auf dem Privateigentum an Werkzeugen und die Produktionsmitteln, der Ausbeutung der Arbeiterklasse und der Anhäufung von Kapital beruht. Was ist daran veraltet? Zu dieser wissenschaftlichen Tiefe ist die Morosowa nicht vorgedrungen. Sie räsoniert nur: „Rußland ist nicht Griechenland”, das 21.Jahrhundert ist nicht das 19. oder 20.Jahrhundert. Deshalb erklärt sie den Marxismus als nicht zutreffend für das heutige Rußland, und entschied sich, selbst Erfinderin und Urheberin einer neuen fortschrittlichen Theorie zu werden. Im dem Artikel „Die Nationale Idee ist vorhanden, nur wird sie dort nicht gesucht“ hat sie ihren neuen antikommunistischen Freunden eine Innovation präsentiert: Die Bourgeoisie und das Proletariat sind jetzt nicht Klassenfeinde. Sie haben einen gemeinsamen Feind – das Privateigentum. Nur verstehen es die Reichen einfach nicht, daß ihr Eigentum, die Bergwerke und Fabriken, die Banken und die Minen auch ihre Feinde sind. „Unter dem Privateigentum leiden alle!” – schreibt die ehemalige Kommunistin. Man muß sich nur bemühen, die Reichen davon überzeugen, daß „die Rückführung des Landes auf einen sozialistischen Entwicklungsweg die Abschaffung des Privateigentums ist” – das ist unsere nationale Idee. Man muß sie nur gut davon überzeugen, und sie werden es verstehen. Ihrer Meinung nach ist die Idee „Manifests der kommunistischen Partei”, das die Abschaffung des Privateigentums nur durch den „gewaltsamen Sturz der ganzen existierenden Gesellschaftsordnung” möglich ist, „für das heutige Rußland nicht ausreichend”. Wer bezahlt diese antikommunistischen Schreiberlinge? Die offene Interentzeitung forum.msk hat der ambitionierten Journalistin grünes Licht gegeben. Auf Bitten der Morosowa hat sie das Projekt „Die Richtigkeit Lenins” geschaffen, in dem unter dem Deckmantel der bedeutenden Persönlichkeit Lenins ihre antikommunistische Propaganda in das Bewußtsein der jungen Generation einfließt. Die Zeitung verhehlt auch nicht, daß es ihr bei der Werbung für das „neue” bürgerliche Rußland „völlig gleichgültig ist, ob mit Wodka oder Maschinengewehr, wenn es ihr nur nicht auf die Füße fällt”. Begründer des forum.msk war das „Institut Offene Gesellschaft” des amerikanischen Milliardärs George Soros, der viel für die Zerstörung der Sowjetunion getan hat. Forum.msk hat also Beihilfe von Soros bekommen. Auch andere ausländische antisowjetische Organisationen haben seiner Webseite informative und technische Hilfe geleistet. Während des konterrevolutionären Umschwungs in der UdSSR haben eine Menge Journalisten und Juristen, Doktoren und Professoren Dollarhilfen erhalten, sind mit dem Wohlwollen von Onkel Sam einfach in die Dienste der Bourgeoisie getreten, und sie haben die Sowjetmacht und das werktätige Volk, das sie aufgezogen hat, verraten. Dazu gehört auch Natalja Morosowa. Sie ging vom Kommunismus zum Antikommunismus über und begann damit, den Feinden zu helfen, die Arbeiterklasse zu entwaffnen. Lenin nannte solche Intelligenzler die Scheiße der Nation. Juni 2013

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