Freitag, 12. April 2013

Terrorvorwurf gegen BND

Brisante Aussage im Luxemburger »Bombenleger«-Prozeß: Bundeswehr-Offizier soll im Auftrag der NATO Attentate organisiert haben Von Peter Wolter, Luxemburg Die Luxemburger Staatsanwaltschaft setzt zusätzliche Kriminalbeamte ein, um den Aussagen des Duisburger Historikers Andreas Kramer nachzugehen, sein 2012 verstorbener Vater habe zwischen 1984 und 1986 in Luxemburg 18 Sprengstoffattentate organisiert. Unter Eid hatte Kramer am Dienstag und Mittwoch im »Bombenleger«-Prozeß vor der Kriminalkammer des Landes ausgesagt, der Ex-Bundeswehrhauptmann habe für den Bundesnachrichtendienst (BND) gearbeitet. Er habe in Deutschland die Untergrundarmee der NATO (»stay-behind«) geleitet und sei auch für die Attentate auf das Münchner Oktoberfest und den Bahnhof von Bologna (beide 1980) verantwortlich gewesen. An den Attentaten in Luxemburg war laut Kramer neben dem Geheimdienst des Landes und dem BND der britische MI 6 beteiligt. Bis 1986 habe die NATO die Strategie verfolgt, mit Hilfe ihrer Geheimarmeen Terroranschläge zu verüben, um sie linken Gruppen in die Schuhe zu schieben und so einen politischen Rechtsruck zu befördern. Die Beteiligung der NATO an derartigen Anschlägen war Anfang der 90er Jahre u.a. durch Parlamentsausschüsse in Belgien und Italien nachgewiesen worden. Deutsche Medien hatten das Thema kaum aufgegriffen. Die 18 Anschläge in Luxemburg galten vor allem Strommasten des Ener­gieversorgers Cegedel. In Bekennerschreiben forderten die Täter Geld – alle vereinbarten Übergaben scheiterten jedoch. Schon damals war vermutet worden, daß die Forderungen nur zur Täuschung erhoben wurden. Es fiel auch auf, daß die Täter über die Fahndungen der Polizei informiert waren. Angeklagt sind die ehemaligen Angehörigen der »Bridgade Mobil de la Gendarmerie«, Marc Scheer und Jos Wilmes, gegen die schon seit Jahren ermittelt wurde. Kramer sagte aus, er habe seinen Vater 2009 auf diese Namen angesprochen, der habe sie als Beteiligte jedoch ausgeschlossen. Mindestens drei der acht Erpresserbriefe habe sein Vater selbst geschrieben. Das Gericht ließ Kramer noch in einer Sitzungspause eine DNA-Probe abnehmen, um zu prüfen, ob er mit dem Briefeschreiber verwandt ist. Eine wichtige Enthüllung machte Gaston Vogel, Verteidiger der Angeklagten: Er legte Dokumente vor, die beweisen, daß der damalige luxemburgische Premierminister Jacques Santer von »Stay-behind«-Aktionen wußte. »Herr Kramer ist viel zu wichtig, als daß wir das hier so abhaken könnten«, begründete Staatsanwalt Georges Oswald am Mittwoch seinen Antrag auf zusätzliche Untersuchungen der Kriminalpolizei. Es gebe Widersprüche und Kramers Mitteilungsfreude werfe viele Fragen auf. In der Luxemburger Presse waren Vermutungen aufgetaucht, Kramer sei ein Hochstapler. Zu seinem persönlichen Hintergrund sagte Kramer, sein Vater habe von Anfang an versucht, ihn in die Aktivitäten von »stay behind« – auch als »Gladio« bekannt – einzubeziehen. Er habe kaum Namen genannt, ihn aber weitgehend auf dem laufenden gehalten. Daß er seinen eigenen Sohn rekrutiert habe, erkläre sich dadurch, daß er ihn so optimal unter Kontrolle habe halten können. Darüber hinaus habe er gedroht, ihn umzubringen, falls er etwas ausplaudere. »Ich habe das sehr ernst genommen«, sagte Kramer in einer Prozeßpause zu jW. »Er war buchstäblich ein Rechtsextremist, ein Terrorist und Mörder, der über Leichen ging. Jetzt, wo er tot ist, fühle ich mich wie befreit – ich kann endlich über diese Machenschaften sprechen.«

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