Freitag, 2. November 2012
Neue Rundfunkabgabe mit breitem Protestpotential
Zum 1. Januar 2013 tritt das neue Rundfunkgebührenmodell in Kraft. Künftig müssen alle Haushalte unabhängig davon, ob ein Rundfunkgerät vorhanden ist oder nicht, eine Zwangsabgabe zur Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandfunk in Höhe von 17,98 Euro bezahlen. Kathrin Senger-Schäfer, medienpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, kritisiert die neue Rundfunkabgabe als sozial ungerecht und datenschutzrechtlich inakzeptabel.
Warum ist die Haushaltsabgabe sozial ungerecht?
Kathrin Senger-Schäfer: Für 2,3 Millionen Nur-Hörfunk-Teilnehmende und nur Nur-Internet-PC-Nutzende verdreifacht sich die Gebühr von monatlich 5,76 auf 17,98 Euro. Für eine Million Nichtnutzende, die bislang bewusst oder auch aus sozialen Gründen auf Rundfunk verzichteten, wird die volle Gebühr fällig. Hunderttausende von Fernpendlerinnen und -pendlern, die eine zweite Wohnung mieten, um Beruf und Lebensraum besser zu verbinden, sind künftig gezwungen, sofern sie bewusst auf Rundfunk in ihrer Zweitwohnung verzichteten, die doppelte Rundfunkabgabe zu zahlen. Ebenso erfassen Gebührenbefreiungen aus sozialen Gründen auch nach der Neuregelung weiterhin allein Personen, die aufgrund eines förmlichen Bescheides Beziehende von abschließend geregelten sozialen Leistungen sind. Befreiungstatbestände für Geringverdienende, Studierende, Auszubildende, Beziehende von Niedrigrenten, die bewusst auf Sozialleistungen verzichten, oder Arbeitslose in Hartz IV mit nur geringfügig über dem Rundfunkbeitrag liegendem Zuverdienst bleiben ausgeblendet.
Wer ist noch betroffen?
Menschen mit Behinderungen – mehr als 50 Jahre wurde für sie die Befreiung von der Gebühr als ein behinderungsspezifischer Nachteilsausgleich gewährt. Betroffen sind 775 000 Menschen. Sie zahlen ab dem 1. Januar monatlich 5,99 Euro, also ein Drittel der Gebühr, und selbstverständlich ist dazu ein Antrag zu stellen. Dabei war den Ministerpräsidenten der Länder klar, dass dieser Personenkreis nicht in gleicher Weise mobil ist und kulturelle Veranstaltungen aufsuchen und nutzen kann wie Menschen ohne Behinderungen. Um ihre gesellschaftliche Teilhabe verwirklichen zu können, sind sie im besonderen Maße auf Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angewiesen.
Wie begründen die Ministerpräsidenten das?
Das ist besonders perfide. Sie sagen, ein Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2000 gebiete es, dass behinderte Menschen mit hohem Einkommen oder Vermögen zur Finanzierung des Rundfunks heranzuziehen sind. Allerdings haben die Ministerpräsidenten zwischenzeitlich schon drei Gebührenstaatsverträge verabschiedet, bis ihnen diese Begründung einfiel. Und: Der Chef der in Rundfunkfragen führenden Mainzer Staatskanzlei, Martin Stadelmaier (SPD), sprach sich noch 2004 vehement gegen erste Streichungspläne des Nachteilsausgleichs aus. Es ist also eine politische gewollte Sozialkürzung.
Auch Unternehmen und Gewerbetreibende beschweren sich. Für sie heißt die Rundfunkgebühr künftig Betriebsstättenabgabe. Worüber klagen diese?
Ja, die Autovermieter beklagen sich, dass sie überproportional belastet werden, weil sie für jeden PKW zahlen sollen. Sie werden die Rundfunkbeiträge in ihre Preise einkalkulieren, und ihre Kunden zahlen dann sozusagen doppelt: Einmal den Rundfunkbeitrag für den Miet-Pkw, einmal über die zu entrichtenden Haushaltsabgabe den Beitrag für ihr privates Handy in der Tasche, dass sie im übrigen während der Benutzung des Mietwagens gar nicht als Rundfunkgerät nutzen können. Auch die Besitzer von Hostels, also günstigen Übernachtungs- und Beherbungseinrichtungen, beklagen, dass sie Empfangsgeräte nur in Gemeinschaftsräumen vorhalten, nun aber für jedes Zimmer herangezogen werden. Andere Gewerbetreibende sind natürlich ebenfalls betroffen. Schließlich ist jede Currywurstbude nun eine Betriebsstätte. Und nicht zuletzt: Auch Krippen, Kindergärten und Horte müssen zahlen, obgleich dort weder Radio gehört noch ferngesehen wird.
Sie kritisieren auch die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des neuen Modells?
Ja, die Landesdatenschutzbeauftragten sehen eine neue Supermeldebehörde am Entstehen. Diese Auffassung teile ich. Bereits der Umstand, dass zukünftig sämtliche Personen Wohnungen zugeordnet werden müssen, weist auf die erhebliche Ausweitung in der Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten hin. Zudem wird das Innehaben einer Wohnung, einer Betriebsstätte oder eines gebührenpflichtigen Kraftfahrzeugs anzeigepflichtig. Volljährige Personen müssen dann bei den Landesrundfunkanstalten "unverzüglich schriftlich" Angaben machen zu Ein- und Umzug, zu An- und Abvermietung, zu An- und Abmeldung. Das wird vielen Leuten nicht schmecken. Ich finde das inakzeptabel.
Wird denn die GEZ abgeschafft?
Nein, die bekommt lediglich einen neuen Namen und zunächst mehrere hundert neue Mitarbeiter, um die Systemumstellung zu bewältigen. Die ARD-Intendanten sagen, die so genannten Gebührenbeauftragten – sie sind allerdings Mitarbeiter der Landessendeanstalten, nicht der GEZ – würden überflüssig. Damit habe die Schnüffelei an der Haustür ein Ende. Irgendjemand aber muss kontrollieren, wo ein Haushalt oder eine Betriebsstätte beginnt und wo ein Haushalt oder eine Betriebsstätte aufhört. Ist eine Wohngemeinschaft ein Haushalt oder mehrere Haushalte? Sind Untermieter oder volljährige Kinder mit eigenem Raum in der elterlichen Wohnung gebührenpflichtig? Und generell: Wer alles gehört zu einem Haushalt? Das alles wird sich nicht immer vom Schreibtisch aus entscheiden lassen.
Da scheint sich ein breites Protestpotential zusammenzuraufen?
Ich warne seit langem vor der Gefahr, dass die Systemumstellung die Legitimität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weiter untergräbt. Die Leute wollen – gerade auch in Zeiten neuer Partizipationsformen durch das Internet – nicht länger obrigkeitsstaatlich verwaltet werden. DIE LINKE hat Wege aufgezeigt, wie das alte gerätebezogene Gebührenmodell modernisiert werden kann. Handys und andere neuartige Rundfunkempfangsgeräte beispielsweise könnten nach Adressierbarkeit, durch eine PIN freigeschaltet werden. Diesen Weg wollten die Ministerpräsidenten nicht gehen.
linksfraktion.de, 2. November 2012
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