Freitag, 2. November 2012

«Bruderland ist abgebrannt!»

Die Veranstaltungsreihe zur DDR-Geschichte hat Empfindlichkeiten getroffen – ihre Themen müssen dennoch diskutiert werden. Am 31.10. fand die letzte Debatte der Reihe zum «Mythos Antifaschismus» statt, u.a. mit Gregor Gysi. Mit «Bruderland ist abgebrannt» fördert die Rosa Luxemburg Stiftung und namentlich das Fachreferat Neonazismus und Strukturen/Ideologien der Ungleichwertigkeit die Veranstaltungsreihe eines angesehenen Kooperationspartners, des Zentrums für Demokratie Treptow-Köpenick. Der staatsoffizielle «Antifaschismus» wird dabei einer kritischen Ausleuchtung unterzogen, Formen des Rassismus in der DDR-Gesellschaft werden ebenso wie Antisemitismus und das Auftreten von Neonazis thematisiert. Die Ausrichtung der Reihe und der Fokus auf kritikwürdige Erscheinungen in der DDR ist von Teilen der linken Öffentlichkeit mit Irritation und Verärgerung aufgenommen worden, da sie positive Aspekte im sozialistischen Staat der Nachkriegszeit nicht würdige. Von einer «Delegitimierung» der DDR wurde gesprochen. Die positiven Aspekte, seien es Formen gelebter «Internationaler Solidarität» oder etliche soziale Errungenschaften und bestimmte Vorteile des Bildungssystems der DDR, die viele im neoliberalen Wiedervereinigungsstaat schmerzlich vermissen, will niemand in Frage stellen. Doch muss 20 Jahre nach dem Verschwinden der DDR eine wissenschaftliche Aufarbeitung, eine notwendige Diskussion etwa von Rassismus gegenüber Vertragsarbeiter_innen und der Meinungsstreit über den «legitimen Versuch» DDR möglich sein, auch mit negativen Aspekten der Entwicklungen in Ostdeutschland seit 1945. Impulse zur gesamten Reihe kamen vor allem von jüngeren Leuten, die die Wende als Kinder und Jugendliche erlebt haben und in deren Familien vielfach nicht oder aber sehr kontrovers über die DDR gestritten wird und allzu oft die Frage im Raume stehen bleibt, wie es denn nun wirklich gewesen ist. Man mag sich über bestimmte Darstellungsformen und Herangehensweisen, einzelne Aussagen in Ausstellung und Veranstaltungen aufregen und ärgern. Darüber reden wird man dennoch müssen, schon im Sinne einer selbstbestimmten Aufarbeitung dieser Vergangenheit(en) und jenseits von unzulässigen Pauschalurteilen und Generalisierungen. Man würde über das Kapitel „Gastarbeiter“ in Westdeutschland ja auch schwerlich reden können, ohne den enormen Rassismus zu thematisieren, der den Italiener_innen, Spanier_innn, Portugies_innen, Türk_innen und Jugoslaw_innen dort entgegenschlug. Aber diesmal geht es nicht um die BRD, sondern um die DDR – und es gibt keine Veranlassung Dinge ruhen zu lassen, auszusparen oder zu beschönigen, die belegbar sind und in dieser Veranstaltungsreihe zur Diskussion gestellt wurden und werden. Wir wollen nicht abrücken davon, dass sie aufgegriffen, diskutiert und durchgestritten werden müssen, insbesondere auf Anregung und Nachfragen der jüngeren Generation – mit und ohne DDR-Sozialisation. Gleichwohl ist den Verantwortlichen bei der Stiftung und den Veranstalter_innen vom Zentrum für Demokratie Treptow-Köpenick klar geworden, dass sie in manchen Formen der Präsentation und Zusammenstellung der Reihe «ungeerdet» zu Werke gegangen sind und dass der Eindruck einer «Generalabrechnung» mit der DDR entstanden ist, was die Empfindlichkeiten vieler überwiegend älterer ehemaliger DDR-Bürger_innen treffen musste. Auch eine langjährige Diskussion und Auseinandersetzung über die Geschichte der DDR etwa innerhalb der Rosa Luxemburg Stiftung ist zu wenig in die Überlegungen und Planungen einbezogen worden. Problematische Aspekte der DDR-Geschichte waren jedoch schon immer Thema der Stiftung und sind von ihr kritisch in Augenschein genommen worden. Fritz Burschel, Fachreferat Neonazismus und Strukturen/Ideologien der Ungleichwertigkeit

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