Dienstag, 13. November 2018

Vom Bruchhagen zur Büffelherde


Von Marek Lantz
Heribert_Bruchhagen_58581954.jpg
Im Schatten des Adlers: Heribert Bruchhagen
Als der große Analytiker der Klassengesellschaft Fußballbundesliga profilierte sich im vergangenen Jahrzehnt zweifellos Heribert Bruchhagen. In seinen 13 Jahren als Vorstandschef bei Eintracht Frankfurt predigte der ehemalige Gymnasiallehrer gebetsmühlenhaft stets das gleiche Mantra: »Die Bundesliga ist zementiert. Von einzelnen Ausreißern abgesehen, bildet die Tabelle die Finanzkraft der Vereine ab«, wurde der heute 70jährige nicht müde zu dozieren. Ich glaubte ihm stets aufs Wort, und das gerne. Schaffte er es doch einerseits, den zuvor heftig schlingernden Verein meines Herzens mit seiner geradezu militanten Sachlichkeit zu stabilisieren und ihm das Skandalnudelhafte auszutreiben, genauso wie es ihm andererseits gelang, dabei mit linken Sprachversatzstücken eine kritische Perspektive auf das Bizness zu entwerfen und sich immer wieder mit dem FC Großkotz von der Säbener Straße anzulegen.
Im Sommer 2016 musste Bruchhagen gehen. In der längst vom früheren 68er-Zentrum zum strictly bis ins letzte Alltagsfitzelchen verwertungsorientierten Finanzplatz gewandelten Stadt hatten sich die Stimmen durchgesetzt, die mehr Risiko forderten. Als die Eintracht an Bruchhagens Stelle mit Fredi Bobic einen Ausbund an Geschwätzigkeit installierte, war der Untergang für mich beschlossene Sache.
Alleine, er kam nicht. Ganz im Gegenteil, man gewann 2018 mit dem DFB-Pokal den ersten Titel seit 30 Jahren und pulverisiert mit begeisterndem Pressing-Fußball in der laufenden Saison plötzlich Bundesliga wie Europa League. Vor dem FC Bayern sortiert sich die Eintracht nach dem 3:0 am Sonntag abend gegen den FC Schalke 04 in der Tabelle ein – der sogenannten Büffelherde im Frankfurter Angriff sei Dank. Fünfzehn dann aber so was von bissige Minuten reichten gegen lahme Schalker. Luka Jovic knipste sehenswert doppelt, doch der verzückendste Moment des Spiels gehörte mal wieder dem formidablen Ante Rebic, vor dessen Urgewalt sogar Schalkes Drei-Meter-Schrank Salif Sané kapitulieren musste. Völlig verdutzt beschwerte sich Sané beim Schiedsrichter, als ihm Körperspannungsmonster Rebic vor seinem Pfostenschuss mit ultimativ-robustem Rempler den vermutlich ersten Zweikampf der Karriere bescherte, dem er physisch einfach nicht gewachsen war.
Widerlegt der märchenhafte Eintracht-Aufschwung nun aber Bruchhagens Klassenanalyse? Bedingt, aber nicht wirklich. Gar so nach ökonomischen Kategorien determiniert scheint es zumindest nicht zu laufen, eine gewisse Durchlässigkeit vorhanden zu sein. Ein halbe Dekade zuvor gelang schon Borussia Mönchengladbach, damals unter Lucien Favre, relativ zügig der Sprung vom Kellerkind zum inzwischen stabilen Top-acht-Verein. Zudem agierte Bruchhagen bei seinem steten Beharren auf der zementierten Liga auch stets als Lobbyist – in eigener Sache, um sich Druck zu nehmen, aber auch im Sinne der Eintracht, wenn es etwa um die Verteilung der TV-Gelder ging.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen