Keine Milde mehr
Von Hansgeorg Hermann, Paris
![]()
Fabien Roussel, hier am 16. Oktober im Parlament, führt künftig die Französische Kommunistische Partei
Foto: Pascal Rossignol /Reuters
|
Acht Jahre stand Pierre Laurent (61) an der Spitze der Französischen Kommunistischen Partei (PCF). Am vergangenen Wochenende löste ihn der elf Jahre jüngere Fabien Roussel ab. Mit dem Spross einer seit Generationen in der kommunistischen Bewegung verhafteten Familie aus dem armen Norden des Landes hat die PCF wohl endlich denjenigen gefunden, den sie an die politische Front schicken kann. »Das Ende der Gelassenheit«, kommentierten in der vergangenen Woche bereits die Tageszeitungen Frankreichs – es soll keine Milde mehr mit dem politischen Gegner geben, möge er auch Jean-Luc Mélenchon heißen und sich als Wortführer der parlamentarischen Linken verstehen.
Der Abgeordnete und ehemalige Journalist Roussel kann sich vor den Wahlen zum Europaparlament auf eine relativ sichere Basis in seiner Partei stützen. Auf dem Parteitag in Ivry-sur-Seine erhielt er 442 von 569 abgegebenen Stimmen – eine Quote von 77,6 Prozent. Sein von den Delegierten des 38. Kongresses mit großer Mehrheit verabschiedetes Positionspapier ist in erster Linie eine Kampfansage an den Finanzkapitalismus. Unter der Überschrift »Der Planet brennt, die Völker leiden, und das Kapital frisst sich voll« richtet es sich auf nationaler Ebene vor allem gegen die neoliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung unter Staatschef Emmanuel Macron. »Frankreich fehlen nicht die Mittel«, sagte Roussel in seiner Antrittsrede, »aber es profitiert nur eine Minderheit«. Vom 1. Januar an müsse die PCF ihre Forderungen – unter anderem eine generelle Erhöhung der Rentenbezüge und des Mindestlohns um 200 Euro – im Wahlkampf zum Europaparlament »mit Schwung« unter die Bevölkerung tragen.
Der von Roussel und 87,3 Prozent der Delegiertenstimmen getragene Text verlangt auf internationaler Ebene die Kontrolle des »multinationalen Kapitals« und der »großen Drei« – Google, Facebook und Amazon. Weltweiter Frieden sei in einer Situation, in der »Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Ausgrenzung erneut banalisiert werden, nicht nur Errungenschaft, sondern Notwendigkeit«. Der im Oktober von Roussel zunächst unter dem Titel »Für ein Manifest der Kommunistischen Partei des 21. Jahrhunderts« vorgelegte Text überstand rund 7.000 Änderungsanträge und wurde von den Delegierten schließlich als »gemeinsame Grundlage« akzeptiert.
Dem »nach allen Seiten offenen« Laurent folgt mit Roussel nun ein Sekretär, in dem Kritiker in den eigenen Reihen einen »Sektierer« vermuten, der die PCF »zurück in die Isolation« führen werde. Roussel selbst betonte, dass es ihm zunächst um eine »Selbstbestätigung der Roten« gehe. Er pocht darauf, dass die Partei – bei den Wahlen vor 18 Monaten mit 2,7 Prozent der Stimmen abgestraft – im Gegensatz zu 2012 und 2017 künftig wieder mit einem eigenen Präsidentschaftskandidaten antritt. Für die anstehende Europawahl und für die nächsten National- und Kommunalwahlen zeigte er sich allerdings offen für gemeinsame Listen. Niemand aus dem linken Lager könne sich allein durchsetzen, stellte er fest.
Ein Beispiel für eine solche Bündnispolitik ist der neue Parteisprecher Ian Brossat. Der 38 Jahre alte Kommunalpolitiker ist in Paris der für Wohnungsbau zuständige Stellvertreter der sozialdemokratischen Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Im Mai wird er die Europawahlliste der PCF anführen.
https://www.jungewelt.de/artikel/344329.parteitag-der-pcf-keine-milde-mehr.html
https://www.jungewelt.de/artikel/344329.parteitag-der-pcf-keine-milde-mehr.html

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen