Dienstag, 27. November 2018

Fachkräftezuwanderung wird restriktiv geregelt. Sie entspricht den Bedürfnissen der Wirtschaft. Nicht denen der Migranten

Weiterhin nur geduldet


Von Gudrun Giese
Jobvermittlung_fuer_46542289.jpg
Das geplante Fachkräftezuwanderungsgesetz dürfte nur wenigen eine Perspektive auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt bieten
Es mag der Einsicht geschuldet sein, dass die Koalition aus CDU/CSU und SPD ohnehin nichts anderes mehr hinbekommen wird – jedenfalls soll das Bundeskabinett noch vor Weihnachten das Fachkräftezuwanderungsgesetz verabschieden. Nach endlosen Debatten und Beratungen in den beteiligten Bundesministerien für Inneres, Wirtschaft sowie Arbeit präsentierte das BMI am 20. November einen 60seitigen Entwurf.
Ein wahres Bürokratiemonster haben die Politiker auf den Weg gebracht, das am Ende nur wenigen Fachkräften aus anderen Ländern eine Perspektive auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt bieten dürfte. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach bezeichnete den Entwurf als »kurzsichtig und integrationsfeindlich«. Er bleibe noch hinter dem zuvor veröffentlichten Eckpunktepapier zur Fachkräftezuwanderung zurück, das »einen sicheren Status für gut integrierte Geduldete in Sachen Ausbildung und Beschäftigung« vorgesehen habe. Außerdem fehle eine branchenbezogene Analyse des realen Fachkräftemangels, die auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeber für nötig erachtet hätte.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ausreisepflichtige Asylbewerber eine auf zwei Jahre befristete Beschäftigungsduldung erhalten können, die an Voraussetzungen gekoppelt ist. So müssen sie seit mindestens 18 Monaten einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen, über eine Aufenthaltsduldung verfügen, ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern und ausreichende deutsche Sprachkenntnisse haben. Außerdem dürfen sie nicht wegen einer Straftat verurteilt sein, und ihre Identität muss geklärt sein. Statt eines »Spurwechsels« vom Asylstatus ohne Bleiberecht ins Einwanderungsverfahren, das die SPD durchsetzen wollte, habe in den Gesetzentwurf ein »Spurwechsel light« Eingang gefunden, wie es bei tagesschau.de hieß.
Buntenbach fand deutliche Worte für den ausgehandelten Kompromiss: »Egal ob man es ›Spurwechsel‹ nennt: Wer hier seinen Lebensmittelpunkt hat, braucht einen guten Zugang zum Arbeitsmarkt. Von einem Einwanderungsgesetzbuch, wie es noch im Koalitionsvertrag steht und das den langfristigen Bedarf in den Blick nimmt, ist der Entwurf meilenweit entfernt. Mit dem angekündigten umfassenden Konzept hat diese Flickschusterei nichts zu tun.«
Neben dem »Spurwechsel light« regelt das Gesetzeswerk, wer zu Arbeits- und Ausbildungszwecken aus Drittstaaten zuwandern darf. Bisher waren nur jene erwünscht, die einen sogenannten Mangelberuf ausübten. Nun kann jeder kommen, der oder die in Deutschland eine Arbeit bzw. eine Ausbildungsstelle findet. Die bisherige Vorrangprüfung, wonach deutsche Bewerber und solche aus dem EU-Ausland zunächst zum Zuge kommen, soll entfallen – wobei das in Regionen mit hoher Erwerbslosigkeit doch wieder anders geregelt werden kann. Unterm Strich setzt die Bundesregierung mit ihrem Gesetz auf eine Verdoppelung der Fachkräftezuwanderung, von rund 28.000 im vergangenen Jahr auf etwa 50.000.
Der Migrationsexperte vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Herbert Brücker, ist deutlich pessimistischer. Maximal 33.000 Menschen erfüllten derzeit die im Gesetzentwurf fixierten Kriterien. Da der Identitätsnachweis und die Sprachanforderungen zusätzliche Hürden darstellten, werde die Zahl noch kleiner ausfallen, schätzte Constantin Hruschka vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik gegenüber tagesschau.de. »Das Niveau der Sprachkenntnisse soll auf B1 festgelegt werden. Wer arbeiten geht, hat keine Zeit für einen Sprachkurs, und zudem besteht auch kein Teilnahmeanspruch.« Und der Nachweis der Identität gestalte sich für viele asylsuchende oder geduldete Menschen sehr schwierig, wobei in manchen Fällen der Identitätsnachweis zur Abschiebung führen könne. Dieses Risiko würden Geduldete kaum eingehen. Nicht zuletzt lässt der Entwurf offen, was nach den zwei Jahren der Beschäftigungsduldung auf die Betroffenen zukommt.
Filiz Polat, integrationspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, bezeichnete den Gesetzentwurf als kompliziert und bürokratisch, so dass er im Ergebnis auch nicht zu mehr Einwanderung führen werde. Als zu stark an den Interessen der Wirtschaft statt an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet wertete Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei im Bundestag, die Vorlage. Viel Zeit für Änderungen gibt es nicht mehr; angeblich soll der Entwurf bereits am 19. Dezember verabschiedet werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen