Samstag, 12. Mai 2018

Hochkultur, das sind die anderen


Statt Videospiele als Ergänzung der Erinnerungskultur zu betrachten, werden bis heute Hakenkreuze aus ihnen getilgt


Als 1989 »Der letzte Kreuzzug« über die Kinoleinwände flimmerte, störte sich, wie das in Filmen allgemein kaum jemand tut, niemand daran, dass Indiana Jones, der Titelheld, auf einem von Hakenkreuzflaggen gesäumten Platz in Berlin der Bücherverbrennung beiwohnt. In der deutschen Version des gleichnamigen Point-and-Click-Adventures aus dem Hause LucasArts findet sich genau dieselbe Szene. Allerdings finden sich dort keine Hakenkreuze, auch der Begriff »Nazi« wurde konsequent aus dem Spiel geschnitten.
Gamern hierzulande ist das Problem hinreichend bekannt: Videospiele, die sich mit der NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg auseinandersetzen - bekanntestes Beispiel sind Teile des Ego-Shooters »Call of Duty« -, müssen ohne NS-Symbolik auskommen oder sie landen auf dem Index. Das liegt an § 86 StGB, welcher das Verbreiten verfassungsfeindlicher Symbole unterbinden soll. Dafür gibt es nachvollziehbare Gründe: Die NS-Diktatur, ihre Verbrechen und die dafür stehende Symbolik sollen nicht verherrlicht werden.
Natürlich gibt es Ausnahmen, die von der sogenannten Sozialadäquanzklausel geregelt werden: Wenn ein Werk zur Förderung von Kunst und Wissenschaft oder zur politischen Aufklärung beiträgt, ist es möglich, vor deutschen Gerichten unter den genannten Aspekten einen Sonderstatus geltend zu machen. Das passiert zum Beispiel bei Spielfilmen und Fernsehserien immer wieder erfolgreich, schließlich käme niemand auf die Idee, dass »Indiana Jones«, »Inglorious Bastards«, »The Man In The High Castle« oder vergleichbare Filme und Serien den Nationalsozialismus verherrlichen wollen, somit verlangt auch niemand eine digitale Retusche.
Einer solchen Retusche fiel zuletzt das Videospiel »Wolfenstein II: The New Colossus« zum Opfer. In der Originalversion kämpft man als B.J. Blazkowicz, ein US-Soldat polnisch-jüdischer Herkunft, gegen die Nationalsozialisten. Diese haben in der Alternativweltgeschichte, die der Amazon-Serie »The Man In The High Castle« (die in Deutschland ungeschnitten erhältlich ist) nicht unähnlich ist, den Zweiten Weltkrieg gewonnen und die Vereinigten Staaten besetzt, gemeinsam mit Kollaborateuren des Ku-Klux-Klan setzen sie dort den Massenmord an allen vermeintlich Andersartigen fort. Blazkowicz kämpft an der Seite einer nordamerikanischen Widerstandsgruppe nicht nur gegen nicht enden wollende Horden von Deutschen, sondern auch mit persönlichen Tragödien: Sein homophober Vater liefert seine jüdische Mutter an die Nazis aus, die in einem deutschen Vernichtungslager stirbt.

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