Donnerstag, 31. Mai 2018

"Wegeunfähigkeitsbescheinigung", "Bettlägerigkeitsbescheinigung" - Hier alles Wichtige!

Hier möchte ich für alle Betroffenen noch einmal erklären, warum euer Jobcenter von euch keine Wegeunfähigkeitsbescheinigung, Bettlägerigkeitsbescheinigung oder ein anders lautendes, nicht näher definiertes "Attest" eines Arztes verlangen darf außer der altbekannten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Gefordert wird diese Bescheinigung, ugs. auch "WUB" genannt, meistens in Meldeaufforderungen nach § 59 SGB II i. V. m. § 309 SGB III. Prima, dann sehen wir uns zunächst diese Paragrafen genauer an.
§ 59 SGB II verweist lediglich auf § 309 SGB III, weshalb wir direkt dorthin springen, wo es heißt:

Ist die meldepflichtige Person am Meldetermin arbeitsunfähig, so wirkt die Meldeaufforderung auf den ersten Tag der Arbeitsfähigkeit fort, wenn die Agentur für Arbeit dies in der Meldeaufforderung bestimmt. (vgl. § 309 Abs. 3 SGB III)
Das bedeutet, dass sich der erwerbslose Hilfebedürftige am ersten Tag der Gesundheit unaufgefordert beim JC zu melden hat, wenn das in der Meldeaufforderung gefordert wird. Dieser Paragraf sagt aber nicht nur das, sondern impliziert sogar eindeutig, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein wichtiger Grund ist, den Termin nicht wahrzunehmen.

Gehen wir weiter zum § 56 SGB II, in dem es heißt:

Zweifelt die Agentur für Arbeit an der Arbeitsunfähigkeit der oder des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, so gilt § 275 Abs. 1 Nr. 3b und Abs. 1a des Fünften Buches entsprechend. (vgl. § 56 Abs. 1 SGB II.

In dem dort genannten § 275 Abs. 1 Nr. 3b und Abs. 1a heißt es:

Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst) einzuholen.

Das bedeutet, wenn das JC an eurer AU zweifelt, hat es nicht etwa von dem Arzt, der die AU ausgestellt hat, eine "WUB" zu fordern, sondern den Medizinischen Dienst (MDK) einzuschalten, um jedweden Zweifel an der AU auszuräumen oder diese sogar aufheben zu lassen.

Auch die Bundesagentur für Arbeit schreibt in ihren Geschäftsanweisungen (Punkt 56.6) sinngemäß, dass eine AU einen wichtigen Grund darstelle, dass eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Ferner wird auf die Möglichkeit des MDK bei Zweifeln verwiesen und auch, wann diese Zweifel entstehen können (Punkt 56.8).
Von einer "WUB" ist in der gesamten Geschäftsanweisung nichts zu lesen.

In ihrer Geschäftsanweisung zu den Meldeterminen schreibt die BA sinngemäß, dass AU ein wichtiger Grund sei, dem Meldetermin fernzubleiben. Ferner schreibt die BA:

Jedenfalls nach vorheriger Aufforderung kann vom Leistungsberechtigten auch ein ärztliches Attest für die Unmöglichkeit des Erscheinens zu einem Meldetermin verlangt werden (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 9.11.2010 - Az. B 4 AS 27/10 R - juris Rn. 32).
"AHA", werden jetzt einige rufen, "da haben wir's!"
Nun, zunächst ist eine Geschäftsanweisung sowie ein Urteil des BSG kein Gesetz, sprich, das Sozialgesetzbuch kennt dieses hier nicht näher definierte Attest nicht, weshalb es für das Abfordern nach wie vor keine Rechtsgrundlage gibt.
Dieses BSG-Urteil wird von der BA und den JC gern angebracht, um die Legitimität zu untermauern. Das Urteil bezieht sich jedoch a) auf eine gänzlich andere Fallkonstellation und b) bezieht es sich auf eine alte Rechtslage; aus einer Zeit, in der das SGB die Hinzuziehung des MDK bei Zweifeln an der AU noch nicht kannte. Das Berufen auf dieses Urteil ist also hinfällig, die aktuelle Gesetzeslage ranzuziehen und, siehe da, wir sind wieder beim o. g. § 56 SGB II, wonach bei Zweifeln an der AU der MDK hinzuzuziehen ist.

Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, dies dem SB schmackhaft zu machen. Da müsste man dann den Einzelfall sehen, um einen guten Rat geben zu können, abhängig vom Nervenkostüm des ELO.
Ebenso muss man fairerweise sagen, dass es noch immer Gerichte gibt, die anders urteilen und eine Rechtfertgung in einer "WUB" sehen. Allerdings hat sich, in jedem Fall, den ich kenne, der ELO dann selbst ins Aus manövriert. Ich zumindest habe in meiner Stadt das hiesige JC in puncto "WUB" bereits einknicken lassen mit eben den hier genannten Argumenten.

Ein weiterer Grund, weshalb eine WB nicht gefordert und deren Nichtbeibringung nicht sanktionierbar sein kann:
In § 65 SGB I sind die Grenzen der Mitwirkungspflicht eines jeden ELO geregelt:

Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann.

Der wichtige Grund liegt auf der Hand. Der ELO hat keinen Einfluss darauf, ob der Arzt eine Bescheinigung ausstellt, zu der er nicht verpflichtet ist. Demnach kann der ELO für das Handeln des Arztes nicht sanktioniert werden.

Ich hoffe, dies für alle Betroffenen verständlich erklärt zu haben. Lasst euch nicht einschüchtern oder anlügen, kämpft für euer Recht!

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