Samstag, 12. Mai 2018

Furcht vor Flächenbrand


Politiker warnen weltweit vor neuem Krieg in Nahost. Bundesregierung verschärft Tonlage gegenüber USA nach Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran

Von Arnold Schölzel
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Israelischer Armeeposten auf den Golanhöhen am 10. Mai
Die Angriffe Israels auf Syrien in der Nacht zum Donnerstag steigern weltweit die Sorgen vor einem nächsten Krieg in Nahost. UN-Generalsekretär António Guterres rief am Donnerstagabend zu einem sofortigen Ende der Feindseligkeiten auf und warnte vor einem »neuen Flächenbrand« in der Region. Das iranische Außenministerium dementierte am Freitag eine Beteiligung des Landes an Raketenangriffen auf israelische Armeeposten auf den Golanhöhen. Außenamtssprecher Bahram Ghassemi erklärte, Israel benutze »frei erfundene und grundlose« Unterstellungen, um Angriffe auf syrische Ziele zu rechtfertigen. Der Sprecher des Sicherheitsausschusses im iranischen Parlament, Mohammad Nobandegani, hatte bereits am Donnerstag gemeint: »Das ist eine weitere Lüge des zionistischen Regimes für Propagandazwecke«. Der Iran habe keine Stützpunkte in Syrien, sondern lediglich militärische Berater.
Die Bundesregierung verschärfte am Freitag im Streit um das Atomabkommen mit dem Iran ihre Tonlage gegenüber den USA. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verwies am Freitag auf dem Katholikentag in Münster darauf, dass die USA nicht nur das Atomabkommen aufgekündigt hätten, sondern auch die internationalen Klima- und Handelsvereinbarungen in Frage stellten. Sie entscheide sich in dieser Debatte ganz klar für Multilateralismus. Bei aller Unfertigkeit sei dies der beste Ansatz, für den man kämpfen müsse: »Das ist die Aufgabe, die jetzt drängender denn je vor uns steht.« Am Vortag hatte Merkel bereits vor den Attacken Israels auf Syrien in Aachen erklärt: »Die Eskalation der vergangenen Stunden zeigt, dass es wahrlich um Krieg und Frieden geht.«
Außenminister Heiko Maas (SPD) kündigte laut einem Vorabbericht im Spiegel an, Deutschland werde gegenüber den USA selbstbewusst auftreten: »Wir sind bereit zu reden, zu verhandeln, aber wo nötig, auch für unsere Positionen zu streiten.« Er wurde außerdem mit den Worten zitiert: »Der Wandel, den die USA durchlaufen, hat schon lange auch das transatlantische Verhältnis erfasst.« Außenstaatsminister Niels Annen (SPD) sagte dem Spiegel, der Ausstieg aus dem Atomabkommen sei »eine Fehlentscheidung mit langfristigen gravierenden Konsequenzen für unser Verhältnis.« Es gehe inzwischen »um unsere Kerninteressen«.
Merkel sprach in Münster von einem »schweren Einschnitt« und einem »gravierenden Schritt«. Sie werde sich aber »weiter für die transatlantische Partnerschaft einsetzen, wo immer das geht«. Europa sei »als Friedensmacht allein nicht stark genug«. Sie nutzte die Gelegenheit, um Verständnis für geplante Erhöhung der Verteidigungsausgaben zu werben. Die Kanzlerin, die am Vormittag auch mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert hatte, äußerte zugleich Zweifel, ob das Atomabkommen mit Iran ohne die USA zu halten ist. Zugleich bekräftigte sie den Willen Deutschlands und der EU, an dem Atomabkommen festzuhalten.
Die europäischen Unterzeichnerstaaten des Atomabkommens mit dem Iran werden sich am Dienstag über das weitere Vorgehen abstimmen. Zudem würden die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens sowie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in Brüssel mit dem iranischen Außenminister Dschawad Sarif über Möglichkeiten zur Rettung des Vertrags beraten, teilte der Diplomatische Dienst der EU am Freitag mit.

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