Mittwoch, 9. Dezember 2015

Was die Aussage von Beate Zschäpe wirklich wert ist


Beate Zschäpe hat eine Erklärung verlesen lassen (Tobias Hase/pool photo via AP)Beate Zschäpe hat eine Erklärung verlesen lassen (Tobias Hase/pool photo via AP)

Nun also doch: Nach zweieinhalb Jahren Schweigen hat die im NSU-Prozess angeklagte Beate Zschäpe eine Erklärung verlesen lassen. Am Ende bleiben nur Entsetzen, Fassungslosigkeit und Sprachlosigkeit. Diese Aussage wird niemandem helfen – auch Zschäpe nicht.
Eine Analyse von Jan Rübel
53 Seiten lang war die Erklärung, die ihr Verteidiger an diesem Mittwochmorgen vorlas. Im Verhandlungssaal 101 des Münchener Oberlandesgerichts herrschte gespannte Stille. Lange hatten die Nebenkläger, ihre Anwälte und die vielen Journalisten auf eine Aussage gewartet.
Beate Zschäpe, 40, aus Jena, ist furchtbarer Verbrechen angeklagt. Sie gehörte zum Trio des so genannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Ihm werden zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge vorgeworfen.
Im Strafverfahren schwieg Zschäpe bisher und verhöhnte damit die Angehörigen der Opfer. Die erwarten Aufklärung, eine Erklärung. Doch was sie hören kriegten, wird ihnen nicht geholfen haben. Vielleicht macht Zschäpe mit ihrer Aussage alles schlimmer.
In aller Kürze: Zschäpe streitet jede direkte Beteiligung an den Untaten ab. Ihre Freunde Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, mit denen sie zusammen im Untergrund gewohnt hatte, hätten die Morde, Anschläge und Überfälle allein verübt.
Über ihre Rolle beim NSU ist bisher gerätselt worden. War sie aktives Mitglied, wusste sie über alles Bescheid, war sie Dummchen in der Küche oder die Strategin dieser rechtsextremen Terrorserie, war sie die Chefin?
Ich war’s nicht. Die anderen waren alles
Zschäpe bietet nun an: die Rolle des Dummchen. Den Ausführungen ihres Anwalts zuzuhören ging nur durch stetes Kopfschütteln.
Zuerst referierte sie über ihre Kindheit und Jugend, unglücklich sei sie gewesen, Probleme mit der Mutter, mit Alkohol. Mit der Nazi-Ideologie sei sie über Böhnhardt und Mundlos in Kontakt gekommen, gerade Böhnhardts Freunde hätten eine „intensivere nationalistische Einstellung gehabt“. Das klingt emotional, als hätte Hass auf Andere eine Erotik. Weiter hörte man vom Anwalt, anfangs habe das Trio Aktionen geplant, ohne Gefahr für Leib und Leben. Als die Rede von einem Banküberfall aufgekommen sei, hätte sie dafür zu viel Angst gehabt.
Dann die Mordserie. Das Motiv für den ersten Mord im Jahr 2000 sei ihr bis heute unklar. Es sei keine Rede von politischer Motivation gewesen, sondern nur Frustration. Als sie Monate später vom Mord durch die beiden erfuhr, sei sie außer sich gewesen – aber Böhnhardt und Mundlos hätten mit Selbstmord gedroht.
Also, so Zschäpes Lesart, besorgte sie weiter den Haushalt und räumte ab und zu eine herumliegende Pistole weg. Vom Bau der Bombe für den Anschlag in Köln, bei dem eine Frau schwer verletzt wurde, habe nichts mitgekriegt. Sie lebte ja nur eng mit Böhnhardt und Mundlos zusammen. Erst im Nachgang habe sie von den beiden erfahren, dass sie wieder gemordet hatten. Zschäpe schildert Mord wie einen Handtaschendiebstahl. „Schockiert“ sei sie gewesen, „verzweifelt“, und sie habe gehofft, dass sie es nicht wieder tun würden.
Spätestens an dieser Stelle möchte man ihr zurufen: Halt, rede bloß nicht weiter. Es ging um die Auslöschung von Leben, und du bagatellisierst heimtückischen Mord zum Kleingaunerdelikt.
Ohnmacht wird vorangestellt
Doch Zschäpe führt weiter aus, sie habe keine Kraft gehabt sich zu stellen. „Die beiden brauchten mich nicht. Ich brauchte sie.“ Journalisten sind keine Psychologen und auch keine Richter. Es ist nicht unmöglich, dass Zschäpe in einer psychisch abhängigen Beziehung mit Böhnhardt und Mundlos lebte, die ihr die Kräfte raubte. Aber in diesem Punkt irrt Zschäpe: Die beiden brauchten sie sehr wohl. Ohne Zschäpe hätte die bürgerliche Fassade nicht über so viele Jahre aufrechterhalten werden können. Zschäpe organisierte die Kontakte zur Außenwelt, für das heile Image, was Nachbarn und flüchtige Bekannte von den dreien hatten. Allein dafür ist sie schuldig.
Zschäpe indes schiebt alles auf die Toten. Es ist eine Aussagestrategie, die man oft von Kriminellen hört. Wie viel Wahrheitsgehalt in ihren heutigen Worten liegt, kann an dieser Stelle nicht ermessen werden. Dies wird die Aufgabe der Richter in den kommenden Wochen und Monaten sein. Dass Zschäpe sich am Ende ihrer Aussage „aufrichtig“ bei den Angehörigen entschuldigte, dass sie sich „moralisch schuldig“ fühle, dass sie zehn Morde und zwei Bombenanschläge nicht habe verhindern können – das reicht nicht. Damit verbessert Zschäpe sicherlich nicht die Haltung der Angehörigen ihr gegenüber. Sie bleibt in deren Augen so klein wie vorher.

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