für den Schutz von Grundrechten braucht es langen Atem – doch der zahlt sich aus. Vergangene Woche wurden gleich zwei Regelungen, die Privatsphäre aushöhlen, von Gerichten kassiert: Der Europäische Gerichtshof erklärte das Datenweitergabe-Abkommen der EU mit den USA mit dem irreführenden Namen „Privacy Shield“ für unzulässig und das Bundesverfassungsgericht kippte die Regelung zur Bestandsdatenauskunft.
Auch wir haben mehrere Verfassungsbeschwerden „in der Luft“ und warten teilweise seit Jahren darauf, dass sie behandelt werden. Eine davon richtet sich gegen ein grundrechtsfeindliches Gesetz, dass leider immer wieder aus den Tiefen der Schublade „schädliche Symbolpolitik“ hervorgekramt wird: Die Vorratsdatenspeicherung. Aktuell wird sie als Kinderschutzmaßnahme angepriesen. Wir widerlegen diesen Mythos.
Besonders stolz sind wir auf unseren neuen Tor-Server, der jetzt schon eine wichtige Rolle im Tor-Netz spielt. Wer unser Engagement unterstützen möchte:
Wir freuen uns riesig über Spenden!
Mit herzlichen Grüßen
Kerstin Demuth, Friedemann Ebelt, Christian Pietsch und das gesamte Team von ▶Digitalcourage
Inhalt
1. Unser neuer Tor-Server für alle – bitte unterstützen!
Edward Snowden empfiehlt es, und wir helfen, die Technik für alle bereitzustellen. Es geht um das Tor-Netzwerk, mit dem Internet-Verbindungen anonymisiert werden. Das heißt: Wer seine Privatsphäre im Internet schützen will, surft am besten mit dem Tor-Browser. So können Überwacher, Tracker oder Kriminelle kaum zurückverfolgen, wer wann welche Website besucht hat. In Zeiten von massivem Online-Tracking, und in vielen Ländern auch staatlicher Verfolgung, schützt das Tor-Netzwerk Aktivistinnen, Journalisten und alle anderen. Mit unserem schnellen neuen Tor-Server leisten wir dazu unseren Beitrag. Wir haben extra dafür neue Hardware gekauft und bitten um Spenden:
Mehr über unseren neuen Tor-Server:
https://digitalcourage.de/blog/2020/unser-neuer-tor-server-fuer-alle
Hintergrund zum Surfen mit Tor – Wozu ist es gut und wie funktioniert es?
https://digitalcourage.de/support/tor 2. EU-US-Datenabkommen gekippt
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit einer Entscheidung vom 16. Juli 2020 das sogenannte Privacy Shield für ungültig erklärt. Das Abkommen zwischen den USA und der EU sollte beim Transfer von Daten das Schutzniveau der Privatsphäre sicherstellen – wie ein Datenschutzschild. Seit Jahren wird kritisiert, dass das Abkommen faktisch wertlos ist. Wir haben es 2016 kurz nach seiner Fertigstellung als Pfusch im Eilverfahren bezeichnet.
Zum Urteil des EuGH hat eine Klage des Juristen Max Schrems gegen die Datennutzung von Facebook geführt – herzlichen Glückwunsch! Das Urteil bestätigt aus unserer Sicht einmal mehr, dass der EuGH allzu oft der letzte Garant für die Einhaltung von Grundrechten ist, weil Gesetzgeber und Behörden Kritik ignorieren und Grundrechtsfragen wirtschaftlichen und politischen Interessen unterordnen.
EU-US-Datenabkommen gekippt:
https://digitalcourage.de/blog/2020/eu-us-datenabkommen-gekippt 3. Kinderschutz: Vorratsdatenspeicherung hilft nicht weiter
Im Zusammenhang mit Fällen von Kindesmisshandlung wird immer wieder die Vorratsdatenspeicherung gefordert – so auch aktuell. Dieses Gesetz ist ein Zombie, den wir schon seit mehr als 10 Jahren bekämpfen, der verfassungswidrig ist und der dennoch bei allen möglichen Gelegenheiten wiederbelebt werden soll. Anstatt über sinnvolle Maßnahmen zum Schutz von Kindern zu diskutieren, wird eine Ablenkungsdebatte geführt. Die hilft keinem Kind, aber zielt darauf ab, Grundrechte als etwas Unmoralisches darzustellen, da sie angeblich dem Schutz von Kindern im Weg stehen.
Wir wollen, dass endlich sinnvolle Maßnahmen ergriffen werden. Deshalb haben wir einen Bericht des Innenministeriums NRW zur Polizeiarbeit gegen diese Verbrechen gelesen und stellen fest: In der praktischen Ermittlungsarbeit müssen viele plausible und wirksame Maßnahmen umgesetzt werden. Massenüberwachung hilft dabei nicht weiter.
Kinderschutz: Vorratsdatenspeicherung hilft nicht weiter:
https://digitalcourage.de/blog/2020/kinderschutz-vorratsdatenspeicherung-hilft-nicht
4. Bund der Versicherten klagt gegen Versicherungstarif
Der Bund der Versicherten klagt gegen den „Vitality“-Tarif der Generali-Versicherung. Das Konzept dieses Tarifs: „Geben Sie uns Ihre Daten, dann geben wir Ihnen tolle Prämien!“ Dafür hatten wir der Generali 2016 einen BigBrotherAward verliehen. Besonders das intransparente Punktesystem des Tarifs hat der Bund der Versicherten (BdV) in Augenschein genommen und für unzulässig befunden. In einer Pressemitteilung kritisiert der BdV, dass für Versicherte völlig unklar sei, nach welchen Bewertungskriterien das Punktesystem funktioniert. Da das Versicherungsunternehmen auch nach einer Abmahnung die undurchsichtigen Klauseln weiterverwendet, hat der BdV jetzt eine Klage eingereicht.
Bund der Versicherten klagt gegen Generali-Tarif:
https://digitalcourage.de/blog/2020/bund-der-versicherten-verklagt-generali 5. Bestandsdatenauskunft ist verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung zur Bestandsdatenauskunft gekippt. Bürgerrechtler hatten gegen den staatlichen Zugriff auf Passwörter und die Identität von Internetnutzerinnen Verfassungsbeschwerde eingelegt. Am Freitag, 17. Juli 2020 teilte das Verfassungsgericht mit, dass die Regelung zu wenig Schutzmechanismen für Grundrechte enthält und überarbeitet werden muss.
Regelung zur Bestandsdatenauskunft ist verfassungswidrig:
https://digitalcourage.de/blog/2020/bestandsdatenauskunft-ist-verfassungswidrig
Katharina Nocun und Dr. Patrick Breyer auf bestandsdatenauskunft.de: „Erfolg für digitale Freiheitskämpfer“
https://bestandsdatenauskunft.de/?p=532 | ||||||
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Donnerstag, 30. Juli 2020
Urteile für Grundrechte, neuer Tor-Server, Kinderschutz und Klage gegen Versicherung
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