Dossier
“Medienberichten zufolge plant der Berliner Bodenabfertiger Wisag Aviation, zahlreiche Arbeitsplätze abzubauen. Die Wisag ist neben der Aeroground und der Firma Swissport mit zurzeit rund 1.500 Beschäftigten der größte Bodenabfertiger auf den beiden Berliner Flughäfen. Anders als vom Arbeitgeber heute, Freitag, den 10. Juli 2020 verlautbart, gibt es bislang kein Gesprächsangebot oder vereinbarte Gesprächstermine über die Zukunft des Unternehmens. ver.di wurde von der Information, dass bei Wisag in Berlin 800 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, überrascht. Auch die Beschäftigten sind bisher vom Arbeitgeber nicht informiert worden. ver.di fordert den Arbeitgeber auf, die Beschäftigten und die Gewerkschaft unverzüglich über seine Pläne aufzuklären und die Ankündigung, Gespräche führen zu wollen, in die Tat umzusetzen. Tätig sind in Tegel und Schönefeld bei den drei Unternehmen insgesamt über 2.000 Beschäftigte, die Flugzeuge be- und entladen, den Check-in vornehmen oder mit Vorfeldarbeiten wie Fahren von Abfertigungsfahrzeugen oder das Einwinken von Flugzeugen betraut sind.“ ver.di Pressemitteilung vom 10.07.2020 , siehe dazu:
- WISAG entlässt über 350 Beschäftigte in Berlin-Tegel / Sparwut trifft Flughafenarbeiter. Wisag beantragt bei Gericht Schutzschirmverfahren für Tochterunternehmen – und erntet Widerspruch
- WISAG entlässt über 350 Beschäftigte in Berlin-Tegel“Wie ein Blitz schlug vor zwei Wochen bei der Belegschaft der WISAG Ground Services Tegel die Nachricht von der Vernichtung von etwa 800 Arbeitsplätzen ein. Das sind mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze bei den Bodendiensten der Flughäfen Tegel und Schönefeld. Auf der Betriebsversammlung, die am vergangenen Freitag in einem Hangar des Flughafens Tegel stattfand, gab das Unternehmen nun bekannt, dass es in Insolvenz in Eigenverantwortung gegangen sei. Bereits der Juli-Lohn an die Beschäftigten in Tegel werde nur noch im Rahmen der Insolvenz ausgezahlt. 350 Beschäftigte würden entlassen. In den nächsten zwei Monaten bekämen diese noch Lohn, dann sei auf dem Flughafen Tegel für alle Schluss. Nur eine kleine, handverlesene Gruppe von etwa 60 Vorarbeitern und höher qualifizierten Beschäftigten werde nach Schönefeld übernommen. Die Leiharbeiter, die auch unabhängig vom Insolvenzverfahren ihren Arbeitsplatz verlieren oder bereits verloren haben und deren Zahl wahrscheinlich über 400 liegt, wurden überhaupt nicht erwähnt (…) Die meisten Betroffenen, etwa 75 Prozent, erhalten Löhne der untersten Einkommensgruppen E1 bis E4, was einem Stundenlohn zwischen 11,10 und 13,20 Euro entspricht. Das macht bei Vollzeitbeschäftigung rund 1600 bis höchstens 2000 Euro brutto im Monat aus. Wer seit 20 oder 30 Jahren bei den Flughafen-Bodendiensten arbeitet, daher etwas mehr verdient und vielleicht noch einen Anspruch auf eine Betriebsrente oder einen besseren Sozialplan hat, verliert ebenfalls alles. Die Gewerkschaft Verdi hatte sich bereits im Jahr 2018 auf den Stellenabbau im Zuge der Schließung von Tegel eingestellt und für die Altbeschäftigten das Ausscheiden aus dem Betrieb mit einer Abfindung im Rahmen eines Sozialplans vereinbart. Die Abfindungshöhe belief sich nach diesem Vertrag auf bis zu 15 Monatsgehälter. Im Zuge der Insolvenz wird sie jetzt auf maximal 2,5 Monatsgehälter zusammenstrichen. Eines der Hauptziele von WISAG war es, diese Menschen und ihre Ansprüche auf einen Sozialplan und eine Betriebsrente loszuwerden. (…) Die ausländischen Leiharbeiter waren die ersten Opfer des Stellenabbaus. „Diese sind schon längst entlassen worden, bereits zu Beginn der Pandemie,“…” Artikel von Gustav Kemper und Wolfgang Weber vom 27. Juli 2020 bei World Socialist Web Site
- Sparwut trifft Flughafenarbeiter. Wisag beantragt bei Gericht Schutzschirmverfahren für Tochterunternehmen – und erntet Widerspruch“Der Wisag Ground Service Tegel (WGST) droht die Abwicklung, rund 350 Menschen könnten ihren Job verlieren. Das Unternehmen, dessen Beschäftigte am Flughafen Tegel Flugzeuge be- und entladen oder einweisen, ist eine Tochter der Wisag. Nach nd-Informationen hatte die Geschäftsführung am vergangenen Freitag kurzfristig zur Belegschaftsversammlung eingeladen und darüber informiert, dass man das Insolvenzgericht angerufen habe. Auf nd-Anfrage betonte eine Wisag-Sprecherin, dass das Unternehmen nicht Insolvenz beantragt habe. In den kommenden drei Monaten werde das Management versuchen, »ein neues Geschäftsmodell für die WGST zu entwickeln mit dem Ziel, für einen Teil der Belegschaft eine Perspektive zu schaffen«. Hintergrund ist, dass die Wisag, einst der größte Bodendienstleister an den Berliner Flughäfen in Tegel und Schönefeld, in den letzten Wochen massiv Aufträge verloren hat. (…) Neben neuen Unsicherheiten für die betroffenen Kolleg*innen – nach nd-Informationen war bei der Belegschaftsversammlung am Freitag noch unklar, ob die Juli-Löhne gezahlt werden – kommt nun auch die Debatte um einen kommunalen Bodendienstleister wieder auf. So fordern die SPD-Abgeordneten Lars Düsterhöft und Jörg Stroedter die Gründung eines kommunalen Unternehmens an den Flughäfen und kritisieren die Wisag scharf. »Das Unternehmen zeigt jetzt in der Krise, dass es einmal mehr zu Lasten seiner Beschäftigen agiert«, sagt Jörg Stroedter zu »nd«. Die Privatisierungen kommunaler Unternehmen seit der Jahrtausendwende sieht er als Fehler. Man habe gesehen, dass dadurch »für die Bürger*innen nichts billiger wird. Und nun kaufen wir die Unternehmen für viel mehr Geld zurück, als wir damals dafür bekommen haben«. Das gelte auch am Flughafen. Im September will Stroedter einen Antrag auf Rekommunalisierung ins Abgeordnetenhaus einbringen. »Einerseits müssen wir jetzt mit Verdi und anderen politischen Akteuren ins Gespräch kommen und Verbündete finden. Andererseits ist ein Parlamentsbeschluss ein starkes Zeichen, dass der politische Wille da ist.«…” Artikel von Jörg Meyer vom 26.07.2020 in ND online
- Doppelt abgefertigt“Was die Beschäftigten der Wisag Ground Service Tegel (WGST) in diesen Tagen mitmachen, ist in vielerlei Hinsicht richtig bitter. Denn im Prinzip wird die Belegschaft des Berliner Flughafen-Bodendienstleisters gleich zweimal abgefertigt. Die erste Packung gab es nach der Privatisierung der Bodenverkehrsdienste durch den damaligen rot-roten Senat im Jahr 2008. Schon vorher mussten die Knochenarbeiter – die auch bei 40 Grad schwere Gepäckstücke in die Flugzeuge wuchten – Einbußen bei den Weihnachts- und Urlaubsgeldern hinnehmen. Dann kamen das Chaos und die Dumping-Lohn-Konkurrenz dazu, die die Arbeitsbedingungen noch unlukrativer machten. Die Privatisierung zahlte sich am Ende nur für die privaten Unternehmer aus. Das Land Berlin erbte in der Hauptsache die teilweise chaotischen Zustände an den zeitweise völlig überlasteten Flughäfen. Die wahren Verlierer der rot-roten Politik waren aber die Arbeiter auf den Vorfeldern der Flughäfen. Jetzt, wo der Luftverkehr am Boden ist, droht den Beschäftigten die nächste Abfertigung – diesmal könnte es das endgültige Aus sein. Viele altbewährte Kräfte dürften mit der drohenden Insolvenz und dem bevorstehenden Umzug des Bodenpersonals an den BER künftig ohne Jobperspektive dastehen. Dass die Beschäftigten noch durch einen zweifelhaften Schutzschirm oder neue Geschäftskonzepte gerettet werden können, ist stark zu bezweifeln. Nicht auszuschließen, dass das Unternehmen die Coronakrise nutzt, um die Abfindungen zu drücken…” Kommentar von Martin Kröger vom 26.07.2020 in ND online
- Wisag Ground Service Tegel GmbH insolvent – 350 Arbeitsplätze bedroht“Die Wisag, Betreiberin mehrerer Bodendienstleisterfirmen auf den Berliner Flughäfen, hat jetzt für eine Tochterfirma, die Ground Service Tegel GmbH Insolvenz angemeldet. Betroffen sind rund 350 Beschäftigte, die zum großen Teil mehr als 30 Jahre auf dem Flughafen gearbeitet haben. Sie sind Altbeschäftigte der ehemaligen Globeground, die im Zuge von Privatisierungen im Jahr 2008 an die Wisag verkauft wurde. Nach internen Informationen will die Wisag für die Ground Service Tegel GmbH eine Insolvenz im Schutzschirmverfahren – also in Eigenverwaltung – durchführen. In einem Schreiben der Arbeitgeber an die Beschäftigten heißt es wörtlich: „Durch coronabedingte Umsatzeinbußen und großvolumige Kundenverluste befindet sich die WGST in einer existenzbedrohenden Lage, auf die wir reagieren müssen. Das Verfahren spannt nun einen dreimonatigen Schutzschirm über das Unternehmen und bietet uns die Chance, den operativen Betrieb fortzuführen. In den kommenden drei Monaten wird das Management versuchen, ein neues Geschäftsmodell für die WGST zu entwickeln mit dem Ziel, für einen Teil der Belegschaft eine Perspektive zu schaffen.“ Aus Sicht von ver.di stellt sich die Lage allerdings etwas anders dar: Die Gewerkschaft hatte bereits 2018 gemeinsam mit der Wisag AG tarifvertragliche Abfindungsansprüche für Mitarbeiter vereinbart, die beim Wechsel zum BER ihren Job verlieren. Hier sollten bis zu 15 Monatsgehälter Abfindung gezahlt werden. Die jetzt erklärte Insolvenz führt dazu, dass die Abfindungen auf maximal zweieinhalb Monatsgehälter nach Insolvenzordnung gedeckelt sind. „Das Verhalten der Wisag lässt vermuten, dass die Corona-Krise und die absehbare Schließung von Tegel dazu benutzt werden, Kosten zu sparen und die teureren, aber am besten qualifizierten Altbeschäftigten billig loszuwerden“, sagt Enrico Rümker, zuständiger ver.di-Gewerkschaftssekretär. ver.di erwartet, dass die gemeinsam vereinbarten Tarifverträge umgesetzt werden. Sie wurden für genau den Fall abgeschlossen, der jetzt eingetreten ist. Die Tarifverträge durch eine innerhalb des Konzerns herbeigeführte Insolvenz aushebeln zu wollen, ist für die Beschäftigten frustrierend und mit Zukunftsängsten verbunden. „Nach Einschätzung von ver.di zeigt auch die jetzt erklärte Insolvenz, dass die Privatisierung und der Verkauf der Globeground im Jahr 2008 schwere Fehler waren, die jetzt korrigiert werden müssen. Die Bodenabfertigung gehört in die Hand des Flughafens“, Enrico Rümker.” Pressemitteilung vom 24.07.2020 bei ver.di Landesbezirk Berlin-Brandenburg
- Spiel mit dem Rotstift: Wisag will an Berliner Flughäfen Schönefeld und Tegel Stellen streichen – und rudert nun etwas zurück
“Die Aufregung am vergangenen Freitag war groß: Der Bodenabfertiger »Wisag Aviation Service Holding« plant, über die Hälfte seiner Beschäftigten an den Berliner Flughäfen Schönefeld und Tegel zu entlassen. Medienberichten zufolge sollen 800 der 1.500 Stellen gestrichen werden. Als Grund führte das Unternehmen die Umsatzeinbrüche während der Coronakrise und die bevorstehende Aufgabe von Tegel an. » Der dramatisch eingebrochene Luftverkehr in Berlin und die Schließung von Tegel zwingen uns zu einem Stellenabbau über alle unsere Berliner Gesellschaften hinweg«, teilte eine Sprecherin am vergangenen Freitag auf eine dpa-Anfrage mit. Das Magazin Business Insider hatte zuvor über die Streichliste mit bis zu 800 Beschäftigten berichtet. »Genaue Zahlen können wir heute nicht nennen, die Größenordnung ist jedoch im Ansatz richtig«, hieß es seitens der Wisag. (…) Nach jW-Informationen hat es noch am Freitag abend eine erste Kontaktaufnahme zwischen der Wisag-Geschäftsführung und Verdi-Vertretern gegeben. Über die Inhalte wurde Stillschweigen vereinbart. Eine diesbezügliche Anfrage an die Wisag blieb bis Redaktionssschluss unbeantwortet. Bekannt ist indes soviel: Das Unternehmen zeigte sich ob der verfrühten Pressemeldung selbst überrascht, verfasste eilig einen Mitarbeiterbrief, der jW vorliegt. Darin bedauert die Geschäftsführung die Berichterstattung und die dadurch bei den Beschäftigten aufgekommene Verunsicherung. Das kolportierte Ausmaß des Arbeitsplatzabbaus sei demnach reine »Spekulation«. Man stehe »noch ganz am Anfang« eines Umbauprozesses innerhalb des Unternehmens. Eines macht Wisag-Chef Michael C. Wisser in seinem Brief aber deutlich: »Um einen Stellenabbau werden wir nicht herumkommen«.“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 14.07.2020
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