“Mit mehrjährigen Freiheitsstrafen für alle Angeklagten endete am Dienstag der seit vier Jahren laufende Terrorismusprozess gegen zehn aus der Türkei stammende Kommunisten vor dem Oberlandesgericht München. Die neun Männer und eine Frau waren nach dem Strafgesetzbuchparagraphen 129b angeklagt worden, einer »terroristischen Vereinigung im Ausland« anzugehören. Das Gericht unter dem Vorsitz von Manfred Dauster sah es nach 234 Hauptverhandlungstagen als erwiesen an, dass die Angeklagten einem Auslandskomitee der nur in der Türkei verbotenen Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML) angehört hätten (…) Der Hauptangeklagte Müslüm Elma, der sich zum Zeitpunkt der Urteilsverkündigung als einziger der Angeklagten nach mehr als fünf Jahren noch in Untersuchungshaft befand, wurde wegen »Rädelsführerschaft« zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt. Der 60jährige, der in der Bundesrepublik als politischer Flüchtling anerkannt ist, hatte in der Türkei aufgrund seiner kommunistischen Überzeugung bereits mehr als 20 Jahre in Haft verbracht. Deniz Pektas, der von Frankreich aufgrund eines deutschen Haftbefehls ausgeliefert worden war, wurde zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die einzige mitangeklagte Frau, die Nürnberger Ärztin Banu Büyükavci, bekam dreieinhalb Jahre Haft. Die Freiheitsstrafen für die übrigen Angeklagten reichen von zwei Jahren, neun Monaten bis zu viereinhalb Jahren Haft…” Artikel von Nick Brauns in der jungen Welt vom 29.07.2020 und weitere Bewertungen:
- Umstrittener Münchner Kommunistenprozess endet mit hohen Haftstrafen“Der 7. Strafsenat des OLG München hat unter Vorsitz von Dr. Manfred Dauster zehn Aktivist*innen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu Freiheitsstrafen zwischen 2 Jahren und 9 Monaten und 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Der Angeklagte Müslüm Elma wurde auch wegen des Vorwurfs der Rädelsführerschaft in der TKP/ML verurteilt. Nach mehr als 5 Jahren Untersuchungshaft wurde der Haftbefehl gegen ihn heute durch das OLG München aufgehoben. Damit endet heute vorläufig eines der längsten politischen Verfahren in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dieser absurde Mammutprozess dauerte mehr als 4 Jahre und nahm 234 Hauptverhandlungstage in Anspruch. Es ist das erste in Deutschland wegen Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxisten Leninisten (TKP/ML) geführte Gerichtsverfahren. Es ist zugleich das erste, in dem Angeklagte wegen der Mitgliedschaft in einer „ausländischen terroristischen“ Organisation nach § 129b StGB verurteilt wurden, die auf keiner internationalen Terrorliste steht, die in Deutschland nicht nach dem Vereinsgesetz verboten ist und deren Mitglieder häufig einen Flüchtlingsstatus in Deutschland erhalten haben. Lediglich die Türkei stuft die Organisation bisher als terroristisch ein. (…) Keinem der Angeklagten wurde die Beteiligung an einer konkreten Straftat – insbesondere keine Gewalthandlung – in Deutschland vorgeworfen. Kriminalisiert wurde allein die vermeintliche Mitgliedschaft in der Organisation TKP/ML. Das Gericht hat während des Verfahrens auch zugestanden, dass das Verfahren auch im Interesse der Türkei geführt wird und an dem diktatorischen Charakter des Erdogan-Regimes keinen Zweifel gelassen. Auch das Gutachten des seitens des Gerichts geladenen Sachverständigen kam zu dem Ergebnis, die eigentliche Bedrohung für die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei gehe von der AKP und Erdogan selber, aber nicht von der TKP/ML aus. Dennoch erfolgten Verurteilungen zu hohen Haftstrafen…” Presseerklärung der Verteidigung vom 28.07.2020 im Blog zum Prozess – die Verteidigung wird gegen das Urteil Revision einlegen
- Urteilsverkündung im Münchner TKP/ML-Prozess
“Im sogenannten „Münchner Kommunistenprozess“ wurden nach mehr als vier Jahren Verhandlung die Urteile gesprochen. Der Strafrahmen blieb meist nur geringfügig unter den skandalösen Forderungen des Generalbundesanwalts…” Ausführliche Bewertung am 28.7.2020 bei ANF mit Bildern der Proteste - Türkische Kommunisten verurteilt
“… Vor dem Gerichtsgebäude an der Nymphenburger Straße wehten am Dienstag rote Fahnen, die Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIK), der kurdische Dachverband KCDK-E sowie die Rote Hilfe und andere linke Organisationen protestierten gegen die Urteile und forderten die Abschaffung des Paragraph 129b und ein Ende der Zusammenarbeit der Bundesregierung mit dem »Erdoğan-Regime« in der Türkei…” Bericht von Rudolf Stumberger vom 28.07.202 im ND online - Siehe bei Twitter #WirSindAlle129 und #TKPML, #wegmit129b sowie #129b
- Siehe zum Prozess zuletzt am 3.7.20: Gastgeschenke zum Besuch des türkischen Außenkriegsministers: In Hamburg beginnt ein neuer Prozess gegen einen Oppositionellen und in Münchnen wird der antikommunistische Schauprozess beeendet und u.a. auch: München: Freiheit für Dr. Banu Büyükavci, Dr. Sinan Aydin, Sami Solmaz und alle anderen politischen Gefangenen
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