Am 23.07.20 starb ein weiterer Gefangener im Knast Moabit. In Leitmedien wird von Suizid geschrieben, aus den folgenden Schilderungen von Gefangenen geht aber eindeutig hervor, dass der Knast für den Tod des Gefangenen verantwortlich ist.
Es wurde keine rechtzeitige Hilfe geleistet, obwohl der verstorbene Gefangene, welcher nach unseren Informationen Marrokkaner war und auch schon in der Vergangenheit vom Knast gefoltert worden ist, danach schrie. Es werden auch die Umstände und Verhältnisse im Knast beschrieben sowie das menschenverachtende Verhalten der Wärter*innen.
Die gesamten beschriebenen Umstände führten eindeutig zum Tod des Gefangenen. Dementsprechend war es Mord: durch den Knast, durch die Justiz und durch alle, welche das Knastsystem am Laufen erhalten.
Bericht eines Gefangenen über den Ablauf am 23.07.20
„Es ist der 24.07.20 und auf der Station blickt man in leere, traurige und verstörte Gesichter. Es gab einen Brandtoten in der Nacht von Donnerstag auf Freitag. In dieser Nacht unterhielten sich draußen, wie jeden Abend, der Zellenblock B und der Zellenblock C in der Teilanstalt (TA) I. Quasi ein Nachrichtenaustausch unter Insassen. Einer sagte plötzlich, da wäre Rauch. Ich lauschte dem Gespräch. Der C Block kann auf den B Block schauen und der B Block auf den C Block. Einer aus dem C Block sagte, der Brand wäre im B Block. Einer aus B2 sagte, er rieche nichts. Es musste also B3 oder B4 sein.
Aus einer Tür kam eine Schluse [=Wärter*innen; Anmerkung C4F] auf den Hof. Er wurde von Gefangenen aus dem C Block angebrüllt: ‚Meister, im B Flügel ist Rauch, ist bestimmt dritte oder vierte Etage!‘ Es dauerte bestimmt gute zwei Minuten, bis er seine Funke nahm und da mal was rein sagte.
Ich ging wieder an meine Tür, nahm ein Glas und lauschte. Ich vernahm ein schnelles Klopfen, eher wummern, an einer Zellentür. Es rief einer ‚Feuer, Hilfe Feuer!!!‘. Ich ahnte es ist auf meiner Station, TA I B4. Wer das war? Keine Ahnung. Es ging gute fünf Minuten so: klopfen, Hilfe rufen, klopfen, Hilfe rufen. Dann verstummte es. Dann hörte ich, wie eine Schluse angerannt kam. Er war nicht bei uns auf Station. Er schloss das Gitter auf der Station auf. Er rannte los. Auf meiner Höhe sagte er ‚Scheiße, du Wichser!‘. Nach 2-3 Minuten kam er wieder und rannte Richtung Treppenhaus. Wieder etwas später kamen mehrere Schlusen in Gleichschritt. Mittlerweile war das Klopfen und Hilferufen schon lange verstummt.
Gegen 23:33 rief ich meine Freundin an und sagte ihr, dass es auf der B4 brennt. Wir telefonierten gute 2-3 Minuten. Ich lauschte wieder mit dem Glas an der Tür. Ich hörte Badelatschen der Insassen. Auf einmal knallte es an der Tür, es war ein Insasse. Er sagte „es brennt da hinten, da ist noch einer auf der Zelle, mach mal was!“ Ich zog mich schnell an, um nicht im Schlafanzug aus der Zelle zu gehen. Es waren viele Schritte von Schlusen und Insassen zu hören. Dann war es ruhig. Ich ging ans Fenster und roch jetzt auch, dass es brennt. Draußen auf der Straße hörte ich viele Bullenautos. Ich ging an meine Tür und lauschte wieder. Es verging etwas Zeit. Ich hörte, wie die Feuerwehr unter Pressluftatmer ihrer Arbeit nachgingen. Schlauchkupplungen wurden angeschlossen. Es prallte und schepperte. Es kamen immer mehr Feuerwehr Männer hoch. Es begannen die Löscharbeiten. Jetzt wurde auch das erste Mal die Tür der Zelle, die brannte, geöffnet. Ein Feuerwehrmann brüllte ‚Menschenrettung!‘ Die Reanimation wurde eingeleitet, das ging etwa 30 Minuten. Leider ergebnislos.“
Ein weiterer Bericht über den Tag danach und Erzählungen von verschiedenen Gefangenen über den 23.07.20
„Auf der ersten Hofpause war es Thema Nummer eins. Unsere Zellen gingen gegen 07:15 Uhr auf. Ich schaute rechts den Gang runter und sah zwei Hausarbeiter [Anmerkung C4F: arbeitende Gefangene im Knast] die Wände und den Boden schrubben, ohne Schutzkleidung. Der eine war sehr blass – er sah scheiße aus. Auf dem Flur, bzw. auf der Seite, wo es gebrannt hat, floss etwas Putzwasser. Es war schwarz und rötlich. Die Schluse, die die Tür zur Freistunde aufschließen muss, ging den Flur bzw. die Seite entlang. Er sagte, als er das Wasser sah: ’so eine Scheiße hier, na toll!‘ Seine Schuhe sollten wohl nicht schmutzig werden.
Wir gingen alle auf die Freistunde – aber einer fehlte. Ich unterhielt mich mit den Insassen mit erschreckenden Erkenntnissen. Mein Zellennachbar sagte mir, dass er zusammen mit dem Brandopfer für ein paar Wochen auf der B2 TA I in einer Begegungszelle war. Er, also das Brandopfer, erzählte ihm, dass er im Juni 20 auf seiner Zelle von 4-6 Schlusen verprügelt worden ist, ohne Grund. Es gab weder davor, noch danach jemals Stress mit ihm. Tage später veränderte er sich vom Wesen her. Er fing an, sich mit einer Rasierklinge zu verletzen. Beide wurde verlegt, der Brandtote auf die B4 418. Er soll dann Tabletten bekommen haben, welche das waren, wissen wir nicht. Er soll Ende 30 gewesen sein, sah aber aus wie Mitte 20. Ein kam wohl aus Marokko und war nach unseren letzten Kentnissen U-Häftling. Ich kannte ihn nur flüchtig vom Hof.
Ich erfuhr von einem anderen Insassen der TA I B4 folgendes: die Insassen hörten, wie es 5 Minuten lang aus der Brandzelle Hilferufe gab und lautstark gegen die Zellentür wummerte. Ein Insasse sah durch ein Loch seiner Zellentür, wie zwei Schlusen im Gang standen und nichts unternahmen, obwohl er um Hilfe und immer wieder ‚Feuer‘ schrie. Bis es verstummte. Einer hörte auch, wie sich die Schlusen wohl berieten, aber nichts unternahmen. Sie standen die ganze Zeit vor seiner Zelle.
Laut einem anderen Insassen wurden wohl gegen 23:30/35 13-17 Insassen aus ihren Zellen evakuiert und eine Stunde lang in der Kirche in der TA I eingesperrt. Alle Insassen, mit denen ich geredet habe sagten, dass die Tür der Brandzelle zu diesem Zeitpunkt geschlossen war. Zu dem Zeitpunkt war auch keine Feuerwehr anwesend, die Schlusen unternahmen nichts. Es gab nichtmal Löschwasser oder -schaum im Gang. Es war auch kein Feuerlöscher am Brandort. Die B4 Station wurde bis zur Dusche geräumt. Gute 4-6 Hafträume waren noch belegt. Diese wurden nicht evakuiert. Sie sollten wohl so wenig wie möglich mitbekommen, dass deckungsgleiche Absprachen der Schlusen möglich bzw. Aussagen zurechtgelegt werden können. Das ist nicht nur in der JVA Moabit Gang und Gebe. Auch wurde kein Anstaltsalarm ausgelöst, wie es sonst der Fall ist. Hier sollte alles still und heimlich geschehen.
Für mich ist die ganze Aktion durch die Justiz ein Tötungsdelikt. Die Justiz, die JVA Moabit und Medien gehen wohl von einen Suizid aus. Ich wage es sehr stark zu bezweifeln, dass sich einer, der Suizid begehen will, lautstark bemerkbar macht und um Hilfe schreit. Was ist, wenn er in seiner Zelle kochen wollte und es gab einen Unfall? Oder es einen technischen Defekt in der Zelle gab? Mir sagte im Mai 2020 der Chefpfleger des Justizvollzugskrankenhauseses, dass die JVA unter Beobachtung der Öffentlichkeit stehe und deswegen so wenig wie möglich Tote nach außen gelangen sollen. Das sagt doch alles. Rechtsverdreher und Blender.
Das, was in in dieser Woche passierte, ist auch kein Einzellfall. In Haus II der JVA Moabit hängte sich ein anderer Insasse diese Woche über Nacht auf. Er sollte zurück nach Tegel, wo ihn wohl Schläge erwartet hätten. Er wollte nicht zurück und sah offensichtlich keinen anderen Ausweg. Laut Presse gab die Justiz an, dass er morgens tot im Bett vorgefunden wurde und dass es wohl keine Anzeichen eines Suizids geben würde. Gelogen und zurechtgedreht! Fehlt nurnoch, dass es irgendwann heißt, er hätte einen Herzinfarkt gehabt. Die falschen Schlagzeilen sollen wohl den Schaden für die JVA Moabit geringer machen. Rest in Peace der zwei Insassen und mein Beleid den Angehörigen!
Das korruppte deutsche Rechtssystem lässt absichtlich Gefangene verbennen, sie sind Verbrecher und Mörder! Wir sind hier dem Handeln oder auch Nichthandeln der Schlusen vollständig ausgeliefert. Wir sprechen hier aber über das Leben und die Gesundheit von Menschen und nicht über verwahrte Gegenstände! Es gibt auch Inhaftierte, die mit der gesamten Haftsituation und den Umständen hier nicht zurechtkommen. Es ist keine Seltenheit, dass Inhaftierten keinerlei Hilfe- oder Therapieangebote bekommen. Man wird sich hier selbst überlassen, mit all den psychischen Problemen, die die Haft mit sich bringt.
Nach Suiziden hört man hier auf den Stationen von den Schlusen, es bliebe jetzt wenigstens ein Brötchen für die anderen Inhaftierten übrig. Dieses menschenverachtende Bild ist hier nicht selten anzufinden. No Justice, no Peace!“
In der medialen Berichterstattung schreiben sie, dass „umgehend“ die Feuerwehr alarmiert worden sei. Offensichtlich ist aber, dass sich verschiedenste Wärter*innen Zeit zum Handeln ließen oder gar die Hilfeschreie des Gefangenen ignorierten. Sie schreiben außerdem von Suizid. Wie der Gefangene schon schildert, kann es zum einen kein Suizid sein, wenn um Hilfe geschrien wird. Zum anderen gibt es keinen Selbstmord im Knast! Der Gefangene wurde offensichtlich in der Vergangenheit von dem Knast gefoltert, war den generellen Knastmechanismen ausgesetzt und nicht weiß – was die Haftbedingungen unter rassistischen Wärter*innen zusätzlich erschwert.
Von einer selbstbestimmten Entscheidung, sich das Leben zu nehmen, kann unter Knastumständen also niemals die Rede sein. Knast tötet Menschen – seine Handlanger sind Mörder.
Das Sterben hinter Gittern wird erst aufhören, wenn die Knastmauern eingerissen und die Menschen frei sind. Macht deswegen was gegen Knäste, drinnen wie draußen!
Erinnert an die Toten hinter Gittern, kämpft auch für sie und die Angehörigen.
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