Mal wieder hat Shorty, über den ich von Zeit zu Zeit berichte, einen Etappensieg vor Gericht erzielt. Das Landgericht Freiburg setzte in einem Eilverfahren die Disziplinarmaßnahme der Anstalt außer Vollzug.
Die Vorgeschichte
Der 42-jährige Shorty befindet sich nun schon mehrere Jahre in der Freiburger Sicherungsverwahrungs-Anstalt. Immer wieder wehrt er sich mit Erfolg gegen Maßnahmen der Anstalt, so wie beispielsweise den rechtswidrigen Entzug seines Medikaments gegen ADHS, worüber ich an anderer Stelle schon näher geschrieben habe.
Diesmal war im Grunde auch die Medikation der Auslöser. Werktags muss er gegen 7:45 Uhr zum Sanitäter in dessen Büro, um das Ritalin einzunehmen. Am 5. Juni soll er diesen Termin verpasst haben, weshalb die Stationsleiterin, Frau Hauptsekretärin P. mitgeteilt haben soll, er bekäme das Medikament deshalb nicht, da dies die Abläufe in der Sanitätsabteilung nicht vorsehen.
Nach Darstellung der Anstalt habe er danach begonnen, alle 10 Minuten aus dem Zellenfenster zu rufen „ich will mein Ritalin“ und zu der Beamtin habe er gesagt, wenn sie ihre Arbeit nicht auf die Reihe bekomme, möge sie ihr berufliches Glück im Jugendvollzug suchen oder nach Hause gehen. Anderen Untergebrachten, die zum Arzt gebracht werden sollten, habe er gesagt, sie sollten das nicht, man werde hier nur umgebracht.
Nach Darstellung der Anstalt habe er danach begonnen, alle 10 Minuten aus dem Zellenfenster zu rufen „ich will mein Ritalin“ und zu der Beamtin habe er gesagt, wenn sie ihre Arbeit nicht auf die Reihe bekomme, möge sie ihr berufliches Glück im Jugendvollzug suchen oder nach Hause gehen. Anderen Untergebrachten, die zum Arzt gebracht werden sollten, habe er gesagt, sie sollten das nicht, man werde hier nur umgebracht.
Shortys Klage
Da die Anstalt wegen des Vorfalls für die Dauer von 15 Tagen als Disziplinarmaßnahme den Zelleneinschluss vormittags von 8 bis 11 Uhr verfügte, klagte Shorty vor dem LG Freiburg.
Seine Darstellung unterschied sich substantiell von der der Anstalt. Er sei pflichtgemäß um 7:50 Uhr vor dem Büro der Beamtin gestanden, wo ihn die Beamtin bis 8:05 Uhr habe warten lassen, um dann aus dem Büro zu stürmen und ihn anzuschreien. Er werde nun sein Medikament erst um 13 Uhr erhalten; auch der Hinweis, es sei für ihn gesundheitlich von großer Wichtigkeit, das Medikament pünktlich einzunehmen, habe sie nicht umzustimmen vermocht.
Da er wegen des Zelleneinschlusses kaum noch an der Arbeitstherapie teilnehmen könne, denn die findet u.a. von 8 bis 11 Uhr statt, und schon bedingt durch die Corona-Maßnahmen (wie das Besuchsverbot) besonders getroffen sei, möge die Maßnahme vorläufig, d.h. bis zur Entscheidung im Hauptverfahren außer Vollzug gesetzt werden.
Der Beschluss vom 22.06.2020
Mit dem Beschluss (Az. 13 StVK 246/20) kam die Kammer des Landgerichts dem Eilantrag vollumfänglich nach. Es sei mitnichten ausgeschlossen, dass er im Hauptverfahren gewinnen werde. Würde man also jetzt nicht die weitere Vollziehung aussetzen, wäre bis zu einer entsprechenden Entscheidung die Disziplinarmaßnahme vollständig verbüßt und der effektive Rechtsschutz wäre verwehrt.
Ausblick
Ob Shorty auch das Hauptverfahren gewinnen wird, bleibt abzuwarten, aber erneut zeigt sich, wie rigide die Anstalt vorzugehen in der Lage ist, selbst wenn jemand wie Shorty doch völlig zu Recht auf seine Not nachdrücklich hinweist. Da der Flur von Kameras überwacht wird, kann das Gericht ohne weiteres prüfen, ab welchem Zeitpunkt Shorty vor dem Büro wartete. Da das Büro zudem verglast ist, könnte Frau P. nicht sagen, sie hätte ihn nicht gesehen, sollte er dort gestanden haben.
Vor ein paar Monaten erschien in der Zeitschrift der evangelischen Gefangenenseelsorge (https://www.gefaengnisseelsorge.de) ein bemerkenswerter Aufsatz eines Gefängnisseelsorgers. Tillmanns schreibt dort (Ausgabe Nr. 9 – April 2020, Seite 42 ff) über das „Sterben ohne Tod“ in der Sicherungsverwahrung. Er bemängelt die nachdrücklichen Ohnmachtserfahrungen, denen die Sicherungsverwahrten ausgesetzt seien, ohne eine wirkliche Perspektive, jemals wieder auf freien Fuß zu kommen. Wie dies gerade auf die noch etwas jüngeren Verwahrten wirkt und zu welchen dysfunktionalen Reaktionen dies führt, habe ich kürzlich schon näher skizziert.
Nicht anders verhält es sich hier.
Was sind schon 15 Tage weniger Zellenaufschluss – für einen lange Zeit in Haft sitzenden Menschen ist dies kaum ein Mückenstich. Aber solche Mückenstiche gibt es täglich, gerne auch mehrfach, Woche um Woche, Monat um Monat, Jahr für Jahr. Dass das nicht die produktivsten Kräfte in den Menschen weckt, sollte eigentlich offensichtlich sein ….
Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com
http://www-freedom-for-thomas.de
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