Dienstag, 7. Mai 2019

[Fusion 2019] Eigenes Sicherheitskonzept bei einem Festival? Verboten! Sonst könnte ja jemand auf die Idee kommen, es gehe ohne Polizeistaat: Unterzeichnet die Protesterklärung!


Französischer Polizeistaat gegen Demonstranten - Paris am 29.11.2015Der Polizeipräsident von Neubrandenburg will eine Polizeiwache mitten auf dem Festival und eine anlasslose Bestreifung des Geländes durch Beamte. Die Veranstalter wehren sich: Sie verweisen auf die Freiheit der Kunst und auf mehr als 20 Jahre ohne nennenswerte Zwischenfälle. In der Tat kann die Fusion als Modellprojekt für einen alternativen Sicherheitsansatz bei Großveranstaltungen gelten. Seit mehr als 20 Jahren findet Ende Juni in Mecklenburg-Vorpommern das Fusion-Festival statt. Was als kleine linksalternative Technoparty auf dem ehemaligen Militärflugplatz in Lärz begonnen hatte, ist mittlerweile mit etwa 70.000 Gästen zu einem der größten alternativen Kulturfestivals Europas geworden. Trotz allem Wachstum, trotz mancher Veränderungen und vielen Menschen ist das fünftägige Festival immer anders geblieben als seine kommerziellen Gegenstücke: Es gibt keine Medienpräsenz, keine Werbung, kein Sponsoring, keine Promotion, keine Getränkekontrollen, kein Fleisch – und keine Polizei auf dem Gelände. Das Festival an der Müritz ist auch aus bürgerrechtlicher Sicht interessant, kann es doch als Alternativbeispiel dafür gelten, wie Ordnung und Sicherheit mit einer zurückhaltenden Strategie auch auf Großveranstaltungen gewährleistet werden kann. Das liegt nicht nur an einer funktionierenden Sicherheitsstruktur der Veranstalter, den achtsamen und friedlichen Besucherinnen und Besucher des Festivals, sondern vor allem auch daran, dass die Fusion aus einem Netzwerk veranstaltet wird, aus dem bis zu 10.000 Menschen aktiv an der Gestaltung mitwirken und so die involvierte Basis des Festivals bilden. Es sind also nicht nur gesichtslose kommerzielle Dienstleister, sondern Communities, die mit viel Einsatz für einen reibungslosen Ablauf sorgen. Hierin unterscheidet sich die Fusion von anderen Veranstaltungen in der Größenordnung…“ aus dem Beitrag „Fusion-Festival: Wie die Polizei ein liberales und erfolgreiches Sicherheitskonzept gefährdet“ von Markus Reuter am 04. Mai 2019 bei Netzpolitik externer Link über das versuchte Diktat, den Polizeistaat walten zu lassen… Siehe dazu auch einen Beitrag über die Reaktion der Veranstaltungsorganisation – und die Protesterklärung, zu deren Unterzeichnung aufgerufen wird (auch vom LabourNet Germany):
  • „„Wir werden nicht kapitulieren““ von Caroloina Schwarz am 05. Mai 2019 in der taz online externer Link zur Haltung der Festival-Organisatoren angesichts der Polizei-Offensive: „… Die Behörde will auf dem Festivalgelände eine mobile Polizeiwache errichten. Da es sich um ein laufendes Verwaltungsverfahren handelt, will die Polizei diese Pläne nicht bestätigen. Doch Dokumente, die der taz vorliegen, belegen die Pläne der Wache. Zusätzlich teilte eine Polizeisprecherin mit: „Wir haben das vorgelegte Sicherheitskonzept des Veranstalter detailliert betrachtet und festgestellt, dass bundesweite Sicherheitsstandards nicht eingehalten werden.“  Für die Veranstalter der Fusion, ist es keine Option, dass die Polizei ununterbrochen auf dem Gelände unterwegs ist. „Uns ist es wichtig, dass die Gäste frei sein können auf unserem Festival. Die dauerhafte Anwesenheit der Polizei empfinden wir dabei als Repression“, sagt Jonas Hänschel vom Kulturkosmos Müritz zur taz. Sie seien bereit, ihr Sicherheitskonzept in allen anderen kritisierten Punkten zu verändern und die Polizei im Notfall auf ihr Gelände zu lassen. Ihr Kompromissvorschlag: Statt direkt auf dem Gelände sollten die Beamten eine Wache vor dem Gelände erhalten, für alle gut zu erreichen und genügend ausgeschildert. Ein Kompromiss, den die Polizei nicht eingehen möchte. (…) Obwohl also Veranstalter*innen und die Polizei die Großveranstaltung als friedlich einstuften, teilt die Polizei in einem Schreiben an die Veranstalter mit, dass sie das Einvernehmen zur Durchführung der Veranstaltung verweigert. Aufgeben wollen die Veranstalter aber nicht. „Wir werden nicht kapitulieren. Jetzt geht es darum, für unser Festival zu kämpfen“, sagt Hänschel. Auf ihrer Seite rufen sie seit Sonntagmittag dazu auf, eine Petition mitzuzeichnen. Titel: „Für die Freiheit von Kunst und Kultur! Gegen anlasslose Polizeipräsenz auf friedlichen Kulturveranstaltungen!“
  • „Für die Freiheit von Kunst und Kultur! Gegen anlasslose Polizeipräsenz auf friedlichen Kulturveranstaltungen“ bei Kulturkosmos externer Link ist die Erklärung, zu deren Unterzeichnung hier aufgerufen wird (was bisher über 35.000 Menschen bereits getan haben – nacheifern!), in der es unter anderem heißt: „… Seit Jahren heißt die Antwort auf alle gesellschaftlichen, sozialen und politischen Fragen: mehr Polizei, mehr Überwachung und mehr Kontrolle. Und damit weniger Selbstbestimmung, weniger Grundrechte und weniger Freiheit. Dieser autoritäre Trend erreicht nun zunehmend die Kultur, deren Spiel- und Freiräume mit dem Argument vermeintlicher „Sicherheit“ immer mehr beschnitten werden. Dabei gehört es zum Wesen der Kunst- & Kunstfreiheit, die Art, Form und Erscheinung ihrer Inszenierung selbst zu gestalten: Clubs, Bühnen, Performance & Festivals sind die Räume des Schaffens, des Ausprobierens, des Experimentierens, des Staunens und des Erlebens, die existenziell für die freie Entfaltung der Person, die Kreativität und die Ausbildung des kritischen Geistes sind. Die Freiheit von Kunst und Kultur ist – nicht nur in Zeiten des Rechtsrucks – eine unabdingbare Säule für eine offene Gesellschaft und die Demokratie: Sie simuliert und stimuliert das mögliche Andere. Die Tendenz zu „shrinking spaces“ muss durchbrochen werden. Es geht also um weit mehr als um die Zukunft unseres geliebten Fusion-Festivals, das durch extreme polizeiliche Forderungen auf dem Spiel steht. Es geht am Ende um die politische Frage, ob es in dieser Gesellschaft weiterhin Freiräume geben kann, die nicht von der Polizei eingeschränkt und mit repressiven Maßnahmen begleitet werden…“

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