Von Peter Schwarz
31. Mai 2019
Die Bundesregierung ist bereit, eine von den USA geplante „Schutzzone“ im Norden Syriens militärisch zu unterstützen. Sie soll kurdische Milizen, die an der Seite der USA gegen den Islamischen Staat (IS) gekämpft haben, sowohl vor dem Zugriff syrischer wie auch türkischer Truppen schützen.
Entsprechende Pläne sollen am heutigen Freitag in Berlin diskutiert werden, wenn US-Außenminister Mike Pompeo seinen mehrfach hinausgeschobenen Antrittsbesuch in Deutschland macht.
Wie Spiegel Online am Donnerstag berichtete, hat die Bundesregierung den USA in monatelangen geheimen Gesprächen „signalisiert, dass sie bereit wäre, sich an der Absicherung der Schutzzone militärisch zu beteiligen“. Die Amerikaner hätten „in den vergangenen Monaten ihre Bitte um ein deutsches Engagement mehrfach hinter den Kulissen vorgetragen, erstmals am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar“.
Seither habe sich die Bundesregierung „um einen konstruktiven Dialog mit Washington“ bemüht. „Um nicht wieder als Bremser dazustehen“, seien sich „Kanzleramt, Außenamt und Verteidigungsministerium weitgehend einig, dass man die USA in der Syrien-Frage nicht verprellen sollte.“
Laut den Informationen von Spiegel Online haben seit der Münchner Sicherheitskonferenz nahezu kontinuierlich geheime Verhandlungen hinter den Kulissen stattgefunden. So hätten die Politik-Chefs des deutschen Verteidigungsministeriums und des Pentagons, Geza Andreas von Geyr und John C. Rood, Mitte März „strikt vertraulich die anderen Nationen, die bisher an der Anti-IS-Koalition teilnehmen,“ in Berlin versammelt. Im April seien sowohl Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als auch Außenminister Heiko Maas nach Washington gereist, „um das Thema auf höchster Ebene zu besprechen“.
Wie sich die Bundeswehr an der Einrichtung der Schutzzone beteiligen wird, ist nach Angaben von Spiegel Online noch offen. Die Entsendung von Bodentruppen werde zwar politisch ausgeschlossen, doch im Gespräch sei die Unterstützung einer möglichen Schutztruppe aus der Luft. Zu diesem Zweck habe Berlin Washington angeboten, die Mission der Bundeswehr in Jordanien zu verlängern.
Auf einem jordanischen Luftwaffenstützpunkt unterhält die Bundeswehr seit Juni 2017 unter dem Namen „Camp Sonic“ eine eigene Basis, von der aus speziell ausgestattete Tornado-Jets Luftaufklärung für die von den USA geführte Anti-IS-Koalition betreiben. Gleichzeitig tankt die deutsche Luftwaffe die Jets der Koalition über Syrien in der Luft auf. Das Mandat für diese Mission läuft am 31. Oktober dieses Jahres aus und soll laut Beschluss des Bundestags nicht mehr verlängert werden.
Militärs gehen aber davon aus, „dass die hochauflösenden Aufklärungsbilder der ‚Tornados‘ und die Luftbetankung“ auch für eine zukünftige Koalition wertvoll wären, berichtet Spiegel Online. „Politisch wäre der Einsatz zudem ein Symbol, dass Deutschland sich auch bei heikleren internationalen Missionen nicht verweigert.“
Die militärische Unterstützung einer „Schutzzone“ im Norden Syriens bedeutet eine massive Eskalation der deutschen Beteiligung am Syrienkrieg, der von Anfang an das Ziel verfolgte, das Regime von Bashar al-Assad zu stürzen und durch ein Marionettenregime des Westens zu ersetzen.
Das deutsche Außenministerium hatte sich intensiv am Aufbau der pro-imperialistischen syrischen Opposition beteiligt, die sich vorwiegend auf al-Qaida-nahe islamistische Milizen stützte. Dabei war es nicht nur von der SPD und den Grünen, sondern auch von der Linkspartei unterstützt worden. (Siehe: „Die Linke als Kriegspartei im Syrienkrieg“)
Nun, da dieses Unternehmen weitgehend gescheitert ist, 400.000 Zivilisten gestorben sind und große Teile des Landes in Trümmern liegen, stürzt sich die Bundesregierung in ein militärisches Abenteuer, das sie nicht nur in Konfrontation zum Regime in Damaskus bringt, sondern auch zum Nato-Partner Türkei, zum Iran und zur Nuklearmacht Russland.
Damaskus lehnt eine „Schutzzone“ ab, weil sie seine Souveränität im eigenen Land massiv beschneidet. Ankara ist dagegen, weil es die Entstehung eines Kurdenstaats an seiner Grenze, der noch dazu unter der Kontrolle einer PKK-nahen Organisation steht, unter allen Umständen verhindern will. Teheran, das von den USA ökonomisch ausgehungert und mit einem verheerenden Krieg bedroht wird, ist eng mit Damaskus und auch mit Ankara verbündet. Und Moskau, das das Assad-Regime militärisch unterstützt und enge Beziehungen zu Teheran und Ankara unterhält, betrachtet die westliche Offensive im Nahen Osten mit gutem Grund als Teil einer Einkreisungsstrategie gegen Russland.
Sagt die Bundesregierung Pompeo heute ihre militärische Unterstützung für die Errichtung einer „Schutzzone“ zu, wird noch am selben Tag die Propagandamaschinerie anlaufen, die das Ganze als „humanitäre Aktion“ zum Schutz von Menschenleben, als „Kampf gegen ein diktatorisches Regime“ oder etwas Ähnliches darstellT. Man kennt das vom Afghanistan-, vom Irak- und vom Libyenkrieg. Letzterer begann ebenfalls mit der Errichtung einer „Schutzzone“, die dann den Vorwand für die Bombardierung des Landes und den Sturz des Gaddafi-Regimes lieferte.
Niemand sollte solchen Lügen schenken. Washington und seine europäischen Verbündeten, einschließlich Berlins, verfolgen mit ihren Kriegen im Nahen Osten nackte imperialistische Interessen – die Kontrolle über Öl, Gas und Absatzmärkte, die Verdrängung und Schwächung ihrer Rivalen sowie die Stärkung ihrer eigenen Stellung als Weltmacht.
Die Bundesregierung hat, in den Worten des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier, bereits vor fünf Jahren ihre Absicht bekundet, die Weltpolitik nicht „nun von der Außenlinie zu kommentieren“ und „sich außen- und sicherheitspolitisch früher, entschiedener und substanzieller einzubringen“. Seither rüstet sie massiv auf. Im Pulverfass Naher Osten sieht sie nun eine weitere willkommene Gelegenheit, diese Ziele in die Tat umzusetzen – auch wenn sie damit einen Dritte Weltkrieg riskiert.
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