Treten wir einen Schritt zurück: In den Sozialwissenschaften ist es üblich, zwischen Beobachter- und Teilnehmerperspektive zu trennen - umgangssprachlich könnte man auch den Blick Außenstehender vom Blick unmittelbar Betroffener unterscheiden. Aus der Perspektive von Beobachtern waren und sind Kleins Einlassungen ein aufschlussreicher Hinweis auf die aktuelle politische (Un)Kultur in Deutschland, während die Reaktionen von Teilnehmern von der Zustimmung des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster bis zu der geharnischten Kritik des jüdischen Publizisten Michel Friedman reichten.
Obwohl der Bundestag gerade mit Mehrheit eine nicht unumstrittene Entschließung zu BDS und sogenanntem »linkem« »israelbezogenem Antisemitismus« verabschiedet hat, gehen in überwiegender Mehrheit von Rechtsextremisten begangene Hassverbrechen gegen Juden in Wort und Tat immer weiter. Tatsächlich konnten »nach Chemnitz« Gruppen von Neonazis ungestört durch Dortmunds Straßen paradieren und dabei ungestört schreien: »Wer Deutschland liebt, ist Antisemit.« Die Polizei ließ sie gewähren.
Daher: Die Ideologien Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und Islamophobie - die als Ideologien zwar gemeinsame Züge tragen, aber keineswegs unterschiedliche Ausformungen desselben darstellen - müssen allen künftigen BürgerInnen dieser Gesellschaft kritisch erklärt werden. Gewiss: Bildung ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Bildung. Daher sollten in Zukunft alle künftigen Lehrerinnen und Lehrer - egal, ob sie Biologie, Musik, Sport oder Geschichte vertreten - obligatorisch in ihrem Lehramtsstudium Kurse über deutsche Geschichte zumal des NS und des Holocaust belegen, damit sie später in Klassen und auf dem Schulhof bei hasserfülltem, menschenfeindlichem Mobben eingreifen können.
Darüber hinaus ist auch - horribile dictu - die Praxis der Repression entscheidend zu verbessern. Zu fordern ist deshalb die Einrichtung einer speziellen Abteilung für »Hassdelinquenz« beim Bundeskriminalamt sowie sämtlicher Landeskriminalämter. Diese Abteilungen hätten sich nicht nur judenfeindlichen, sondern auch sexistischen, rassistischen und islamophoben Delikten, ihrer Verfolgung, Vorbeugung und Aufklärung zu widmen. Das sind Projekte und Fragen, die ich, bei allem Respekt, von einem Beauftragten der Bundesregierung erwartet hätte. Die Zivilgesellschaft wird schon für sich selber sorgen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1119909.antisemitismus-judenhass-staat-und-zivilgesellschaft.html
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