Dienstag, 27. November 2018

Proteste gegen hohe Benzinpreise greifen aus Frankreich auf Nachbarland über

Auch in Belgien


Von Gerrit Hoekman
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Bereits am 20. November brannte in Seneffe nach Protesten der »Gelben Westen« ein Lastwagen
Nicht nur in Frankreich, auch in Belgien demonstrieren seit mehr als einer Woche die »Gelben Westen« gegen die rasant gestiegenen Brennstoffpreise. Die Aktionen konzentrierten sich bislang auf die französischsprachige Wallonie, doch auf Facebook kündigten Aktivisten nun an, den Protest auch auf Flandern ausweiten zu wollen, wie VRT Nieuws am Montag berichtete. »Wo wir aktiv werden, halten wir noch geheim«, sagte Marko Kleijn am Montag der Onlineausgabe der Tageszeitung Het Belang van Limburg. Der Niederländer, der seit zehn Jahren in Genk wohnt und arbeitet, ist Administrator einer geschlossenen Facebook-Gruppe, zu der angeblich rund 5.000 Follower gehören. »Diese Gruppe ist dazu da, bald Belgien stillzulegen, bis die Verbrauchssteuern auf Brennstoff anständig nach unten gehen«, droht Kleijn. Aber er betont: »Wir wollen die Politiker treffen, nicht die Bürger.«
Bislang stoßen die »Gelben Westen« in Flandern allerdings auf deutlich weniger Widerhall als in der Wallonie, wo der Funke aus Frankreich rasch übersprang. Das liegt vor allem daran, dass die soziale Not im niederländischsprachigen Landesteil geringer ist als bei den französischsprachigen Nachbarn. Zwar sind die Spritpreise gleich hoch, aber die Flamen verdienen im Schnitt besser. Außerdem sind die Wallonen dringender aufs Auto angewiesen, weil der öffentliche Nahverkehr schlechter ist. »In der Wallonie wohnen die Menschen weiter weg von ihrer Arbeit, sie müssen größere Entfernungen zurücklegen«, erklärte Maarten Matienko vom flämischen Automobilklub VAB am vergangenen Donnerstag bei VRT Nieuws. Hinzu kommt: Belgien ist die europäische Hochburg des Dieselautos, und der Preis für Diesel ist noch mehr gestiegen als der für Benzin.
So haben die Wallonen schon fast zwei Wochen Aufruhr hinter sich. Immer wieder wurden Autobahnen blockiert, was zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei führte. Weil die »Gelben Westen« zehn Tage lang mehrere Brennstoffdepots belagerten, wurden an manchen Tankstellen Benzin und Diesel knapp. Seit Montag können die Autofahrer aber erst einmal aufatmen: Die Barrikaden sind verschwunden, der Nachschub fließt wieder. »Wir ruhen uns ein paar Tage aus und kehren dann irgendwo anders stärker zurück«, warnte allerdings am Montag ein Sprecher der »Gelben Westen« in Wierden.
Auch in Charleroi beruhigte sich die Lage am Sonntag. Auf der »E 19« von Brüssel nach Paris hielten Protestierende jeweils für wenige Minuten am Grenzübergang zu Frankreich den Verkehr an. Autos und Lkw konnten die Blockade nur einzeln passieren, wie De Standaard berichtete. In der Provinz Lüttich kam es auf der Autobahn ins niederländische Maastricht ebenfalls zu überfallartigen Blockaden von einigen Minuten.
Kein Vergleich also zu den Ausschreitungen, die am Freitag und Samstag in Charleroi stattgefunden hatten. Gegen Abend hatten sich dort offenbar 150 Militante unter die »Gelben Westen« gemischt, die auf Krawall aus waren. Nach Augenzeugenberichten flogen Molotowcocktails und Steine, die Polizei setzte Wasserwerfer ein. Nachdem sie von der Polizei auseinandergetrieben worden waren, zogen kleine Gruppen durch Charleroi und warfen Fensterscheiben beim Rathaus, dem Justizpalast und bei Banken ein. Auch einige Haltestellen und Reklametafeln mussten dran glauben. Die »Gelben Westen« distanzierten sich von der Gewalt. 27 Personen wurden festgenommen, vier von ihnen bleiben vorerst in Haft. »Sie sind ziemlich jung«, teilte Charlerois Bürgermeister Paul Magnette am Sonntag auf einer Pressekonferenz mit. Die Polizei sprach von einer »Stadtguerilla«. Demgegenüber geht der belgische Innenminister Jan Jambon davon aus, dass die Militanten weder linke noch rechte Ziele verfolgen. Es handele sich einfach um Krawallmacher, so Jambon.
Auch Patrick Lefèbvre, ein Reporter der Brüsseler Tageszeitung La Dernière Heure, verbrachte eine Nacht in Polizeigewahrsam, weil er verdächtigt wurde, kein »echter Journalist« zu sein. Dabei baumelte der Presseausweis um seinen Hals, als Lefèbvre den Einsatz der Polizei in Charleroi filmte. Bis morgens um sieben Uhr saß er in der Zelle. »Dann haben sie mich wieder freigelassen, ohne Erklärung und ohne Verhör«, berichtete Lefèbvre, der die Verhaftung als »willkürlich« kritisierte.

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