Freitag, 30. November 2018

Magnus Carlsen gelang der perfekte Tiebreak: Mit 3:0 verteidigte er seinen Titel als Schachweltmeister

Denn er spielte sehr klug


Von Jens Walter
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Der nächste Zug will wohlüberlegt sein: Magnus Carlsen (l.) und Fabiano Caruana
Abgezockt. So könnte man das nennen. Magnus Carlsen feiert am heutigen Freitag einen ganz besonderen Geburtstag, er wird 28, aber vor allen Dingen wird er den Freudentag als weiter amtierender Schachweltmeister begehen. Das ist er bereits seit 2013, aber vor dem und auch während des diesjährigen Wettkampfs war nicht abzusehen, dass er den Titel verteidigen kann. Dafür war sein Gegner diesmal zu stark.
Im nachhinein könnte man allerdings sagen: Carlsen war Fabiano Caruana auch taktisch überlegen. Die langen Partien konnte er bis zum Schluss ausgeglichen gestalten, es gab zwölfmal Remis in zwölf Partien. Im auf vier Partien angesetzten Tiebreak, der Verlängerung im Schnellschach, war Carlsen dann überlegen. Nach dem raschen 2:0 musste Caruana alles riskieren und verlor so letztlich auch die dritte Partie. »Ich hatte nie wirklich eine Chance«, befand der US-Amerikaner anschließend: »Ich habe nicht ansatzweise auf seinem Level gespielt.«
Langweilig war der lange Zweikampf keineswegs. Beide Konkurrenten lieferten sich ein packendes und mitunter hochklassiges Duell – mit leichten Vorteilen für Caruana. Regelmäßig hatte sich der 26jährige in den Eröffnungen besser vorbereitet gezeigt und Carlsen immer wieder in die Enge getrieben. Doch selbst in der fulminanten achten Partie gab er trotz klarer Stellungsvorteile den Sieg aus der Hand. Es sollte die beste Gelegenheit bleiben für den Herausforderer, der damit auch die Chance vergab, als erster US-Amerikaner seit dem legendären Bobby Fischer Weltmeister zu werden. Carlsen, der immer wieder offen seine Anspannung verraten hatte (bester Spruch war die Antwort auf die Pressekonferenzfrage nach seinem Vorbild: »Ich vor drei Jahren«), verzichtete weitgehend auf waghalsige Manöver und verließ sich auf seine Stärke im Schnellschach.
»Ich würde sagen, ich hatte heute einen ziemlich guten Tag auf der Arbeit«, scherzte Carlsen anschließend: »Fabiano war der härteste Konkurrent, den ich in einem WM-Kampf je hatte. Ich bin froh, diese Herausforderung gemeistert zu haben.« Carlsen, der schon vor der Entscheidung als besserer Schnellschachspieler galt, wurde seiner Favoritenrolle im Stechen gerecht. Bereits im ersten Spiel baute er mit den weißen Steinen früh Druck auf und forcierte nach einem klugen Bauernopfer ein Turm-Endspiel, das er souverän gewann. Im zweiten Match nutzte der Norweger eine Ungenauigkeit, um auch mit den schwarzen Steinen die Initiative zu ergreifen. Caruana, sichtlich überrascht, suchte lange nach einem Ausweg, musste aber letztlich noch vor dem 30. Zug aufgeben. Die dritte Partie war dann Formsache. Caruana setzte mit Schwarz alles auf eine Karte. Er wählte die Sizilianische Verteidigung, war jedoch nie in der Lage, entscheidend Druck aufzubauen. Im Endspiel schob Carlsen seine Freibauern vor und holte sich eine neue Dame. Caruana gratulierte seinem Gegner in aussichtsloser Lage nach 54 Zügen.
»Das Ergebnis zeigt, dass er der stärkste Spieler der Welt ist«, sagte der unterlegene Caruana. Nach seinem ersten WM-Triumph 2013 verteidigte die Nummer eins der Welt nun schon zum dritten Mal seinen Titel. Aber es gibt auch Kritik. So sagte Schachjournalist Leontxo García der norwegischen Zeitung Verdens Gang: »Ich glaube nicht, dass Magnus selbst damit zufrieden ist, obwohl er es geschafft hat, den Weltmeistertitel zu verteidigen. Ich meine, dass er sich mit einem Mentaltrainer aus dem Spitzensport in Verbindung setzen sollte.«
Auch der australische Schachexperte Ian Rogers meinte, Carlsen sei nicht so dominant wie noch vor einigen Jahren. »Magnus ist jetzt gerade um eine Haaresbreite besser als Caruana. Wenn es ihm gelingt, eine Dominanz gegenüber Caruana aufzubauen, kann er wirklich davon sprechen, einen Schritt weiter zu sein.«
Die nächste Schach-WM der Männer wird 2020 stattfinden. Mal sehen, wer und was Magnus Carlsen dann fordert. Amtierende Weltmeisterin ist übrigens die Chinesin Ju Wenjun. Sie setzte sich im Endspiel in Chanty-Mansijsk (Russland) gegen die Russin Jekaterina Lagno durch. Die Schach-WM der Männer war insbesondere in Norwegen ein Medienereignis, das Endturnier der Frauen ging auch hierzulande vergleichsweise unter. Ein Missstand, der bald behoben werden sollte. Auch einen Vergleich zwischen Ju Wenjun und Carlsen sollte es bald geben. Schließlich heißt es: »Schachmatt, durch die Dame im Spiel.«

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