Andere Prioritäten
![]()
Hintertürchen für museumsreife Technologie: Ein Schaufelradbagger im Tagebau Hambach im September 2018
Foto: Federico Gambarini/dpa
|
Seit Ende der 1980er Jahre wird auf UN-Klimakonferenzen über Klimaschutz verhandelt. 1992 einigte sich die überwältigende Mehrheit der Staaten in der Klimaschutzrahmenkonvention darauf, »die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu stabilisieren, das eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert«. Dieses Niveau wurde bisher ebensowenig definiert wie die »gefährlichen Störungen«. 23 Jahre später sind letztere endlich mit der Pariser Klimaübereinkunft aus dem Jahre 2015 eingegrenzt worden. Die globale Erwärmung soll »deutlich unter zwei Grad Celsius« gegenüber dem vorindustriellen Stand gehalten werden. Weitere Forschung solle zeigen, ob diese Grenze auf 1,5 Grad Celsius abgesenkt werden muss. Diese liegt nun mit dem im Oktober 2018 veröffentlichten Sonderbericht der UN-Organisation für Klimawissenschaften – Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – faktisch vor, auch wenn viele Industriestaaten sich zieren, dies anzuerkennen. Von Entwicklungsländern wie Bolivien oder vielen besonders bedrohten Inselstaaten wird hingegen schon lange gefordert, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Komplett anzeigen
Das Thema gehört jedenfalls definitiv nicht zu den Prioritäten der Bundeskanzlerin. Das wird dieser Tage deutlicher denn je. Vorgesehen war, dass die sogenannte Kohlekommission spätestens Anfang Dezember ihre Empfehlungen für den Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Stoffe vorlegen soll. Das hätte Dynamik in die am Montag beginnende UN-Konferenz gebracht, insbesondere wenn der Ausstieg für 2030 oder gar früher vorgeschlagen worden wäre. Doch daraus wird nun nichts. Die Bundesregierung hat veranlasst, dass die Kommission bis Anfang Februar weitertagt. Die Entscheidung wird aufgeschoben, während RWE im Hambacher Forst richterlichen Anordnungen zum Trotz immer noch versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen.
Dabei fehlt es nicht an Alarmzeichen. Am gestrigen Donnerstag machte zum Beispiel die Weltorganisation für Meteorologie in Genf darauf aufmerksam, dass die ersten zehn Monate 2018 um fast ein Grad wärmer waren als der gleiche Zeitraum über die Jahre 1850 bis 1890 gemittelt. Damit wären wir nur noch etwa ein halbes Grad von der 1,5-Grad-Celsius-Schwelle entfernt, die nach Ansicht vieler Wissenschaftler nicht überschritten werden sollte. Erwärmt sich der Planet stärker, wird immer wahrscheinlicher, dass die Eismassen auf Grönland und in der Antarktis destabilisiert werden, und damit auch, dass der Meeresspiegel um mehrere Meter ansteigt.
Werden die Treibhausgasemissionen nicht schon in den nächsten Jahren drastisch reduziert, wird diese 1,5-Grad-Schwelle voraussichtlich bereits zu Beginn der 2030er Jahre überschritten. Der Meeresspiegelanstieg wird sich über Jahrhunderte hinziehen, aber die ersten Folgen werden schnell zu spüren sein. Und die mit dem Klimawandel einhergehenden Wetterveränderung sowieso. Derzeit erwärmen sich vor allem die nördlichen Polregionen besonders stark. Das Meereis zieht sich im Sommer immer weiter zurück, die Folge: Das Wetter in den gemäßigten Breiten, nicht zuletzt in Europa, gerät durcheinander. Der abnehmende Temperaturgegensatz zwischen dem Nordatlantik und den nun im Sommer eisfreien Zonen des Arktischen Ozeans begünstigt stabile Wetterlagen, die in der BRD in diesem Jahr zu neuen Hitzerekorden und zu der immer noch anhaltenden schlimmsten Dürre seit dem Beginn der Aufzeichnungen geführt haben.
Doch die Berliner Regierung ist weit davon entfernt, daraus Konsequenzen zu ziehen. Im Bundestag wird am heutigen Freitag das sogenannte Energiesammelgesetz verabschiedet. Darin werden die Bremsen für den Ausbau der sauberen Energieträger noch einmal angezogen. Die Vergütung für Strom aus neuen Solaranlagen wird weiter abgesenkt, und somit werden auch die Mieterstromprojekte erschwert, die den Sonnenstrom endlich in die Städte holen sollten. Dafür könnten Dach- und Fassadenflächen genutzt und zugleich die Netze entlastet werden, da der Strom verbrauchernah erzeugt würde.

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen