Mittwoch, 5. April 2017

Militarisierung der Polizei

IMI-Studie 2017/05



Massive Aufrüstung im Namen der Terrorabwehr

von: Martin Kirsch | Veröffentlicht am: 31. März 2017

 

Ob Fußfesseln für Gefährder, mehr Videoüberwachung, Predictive Policing oder neue Spionagesoftware für das BKA – Polizei und Geheimdienste befinden sich international und insbesondere in Europa auf dem Vormarsch. Neben neuen Ermittlungs- und Überwachungsmethoden findet aktuell eine massive Aufrüstung der Polizeikräfte von Spezialeinheiten bis zu den Streifenwagen statt, die in den Medien fast ausschließlich als Gewinn an Sicherheit gefeiert wird. Ausgangspunkt für die derzeitigen Aufrüstungsvorhaben, deren Ende nicht abzusehen ist, waren die Terroranschläge auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt in Paris im Januar 2015. So forderte Roger Lewenz, Innenminister von Rheinland-Pfalz und damaliger Vorsitzender der Innenministerkonferenz daraufhin in einem Interview mit der Welt: „Wir müssen für Waffengleichheit sorgen.“[1]
Das Szenario, für das sich die Polizei rüsten soll, sind islamistisch motivierte Anschläge, ausgeführt von militärisch ausgebildeten Terroristen, die mit Sturmgewehren, Sprengsätzen und geschützt durch militärische Schutzwesten in europäischen Innenstädten agieren. Dem entsprechend werden für die Polizei aktuell neue Schutzwesten, Stahlhelme, Sturmgewehre und Radpanzer eingekauft und das polizeiliche Training mit militärischen Szenarien angereichert. Wichtig für die Einschätzung der Entwicklung ist allerdings, dass sämtliche Aufrüstungsbemühungen der Polizei ihren Ursprung nicht in den Anschlägen von 2015 und 2016 haben, sondern auf älteren Entwicklungen und Strukturen aufbauen. Die medial vermittelten Horrorszenarien von schießwütigen Attentätern in Paris und Brüssel und zunehmenden Anschlägen auch in Deutschland haben lediglich eingängige Bilder geliefert, um die Finanzmittel zu mobilisieren, mit denen bereits angestoßene Prozesse massiv beschleunigt wurden.
Außerdem ist die Präsentation von neuer Ausrüstung und Waffen dienlich, um vermeintliche Handlungsfähigkeit der Innenminister_innen und ihrer Polizeien unter Beweis zu stellen. Völlig unabhängig von der Frage, was die Attentäter motiviert und welche gesellschaftlichen Umstände, z.B. Ausgrenzung von Migrant_innen und Kriegseinsätze deutscher Soldat_innen von Afghanistan bis Mali, sie möglicherweise radikalisiert haben. Nach dem Anschlag in Berlin im Dezember 2016 konnten so bereits in den Folgetagen auf Weihnachtsmärkten und in Zeitungen in der ganzen Republik neue Waffen und Schutzausrüstungen bestaunt werden. Bis der tatsächliche Attentäter allerdings identifiziert, gefunden und seine Kontakte zu V-Leuten des Verfassungsschutzes[2] öffentlich bekannt wurden, dauerte es deutlich länger.
Hier die ganze Studie zum Download
[1] Manuel Bewarder und Martin Lutz: „Die Polizei braucht schwere Waffen“, welt.de, 06.03.15.
[2] „V-Mann fuhr Amir mindestens einmal nach Berlin“, spiegel-online.de, 14.01.17.

 

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