Mittwoch, 3. Juni 2015
Newsletter zur Projektwerkstatt Saasen am 30.5.201
Neue Mailinglisten - aufgepasst!
Neu: Filme und Romane aus der Projektwerkstatt
Aktivitäten, Veranstaltungstouren usw.
Hallo,
dieser Newsletter ist nötig, weil sich etwas ganz Technisches geändert hat: Die www.projektwerkstatt.de ist umgezogen – und mit ihr die ganzen de.vu-Adressen zu verschiedenen Themen, die Mailinglisten und unsere Mailadressen. Das führt zu einigen Neuerungen – unter anderen, dass alle, die auf unseren Mailinglisten sind, eine neue Adresse nutzen müssen, um selbst dort etwas zu schreiben. Das ist ja der Vorteil an Mailinglisten, dass mensch nicht nur mitlesen, sondern auch selbst Informationen und Beiträge streuen kann.
Wer also diesen Newsletter über eine unserer Mailinglisten mit bisher "@listi.jpberlin.de" als Absender/Empfänger erhält, sollte diese bitte umstellen. Der erste Teil (alles vor dem „@“ bleibt gleich. Dann aber statt bisher @listi.jpberlin.de jetzt @lists.projektwerkstatt.de. Wir haben alle Adressen schon umgeschrieben auf die neue Liste, so dass Ihr Euch nicht extra nochmal anmelden müsst. Die Liste apo-calypse haben wir mit hoppetosse zusammengelegt. Wer also auf apocalypse war, muss jetzt auch vor dem @ was ändern, nämlich hoppetosse da als Adresse eintragen. Alle Anderen Listen (Yahoo usw.) sind nicht betroffen.
Wer schauen will, was es alles für Newsletter und Mailinglisten gibt, kann auf www.projektwerkstatt.de/mailing.html gucken, sich dort auch ein- und austragen.
Soweit das Technische. Bei den Internetadressen ändert sich für Euch nicht spürbar etwas. Alles liegt halt jetzt auf anderen Computern, aber das ist für Euch egal. Wir wollten halt weg von dem Provider, der mal als politisches Projekt gestartet ist und heute (wie so vieles, was mal politisch war) sehr kommerziell agiert und sich nicht einmal zu blöd ist, Staatsanwaltschaften zu beraten, die mit dem KnowHow dann politische Aktivist_innen ins Gefängnis schicken …
Neben dieser allgemeinen Einleitungen gibt es aber auch ein paar News, die ich gleich anhänge … viel Spaß beim Lesen und Gruß aus der Projektwerkstatt, Jörg
„Aufstieg und Fall einer Patentlösung“ – der erste große Film aus der Projektwerkstatt
Der Film "Aufstieg und Fall einer Patentlösung - Agro-Gentechnik in Mecklenburg-Vorpommern"
102 spannende Minuten (in der Langfassung sogar 123 Minuten) über die Hintergründe der aufstrebenden, profitträchtigen Technik und den Widerstand dagegen. In Hunderten von Zitaten, Interviews, Bildern und Filmsequenzen wird nachgezeichnet, wie Parteien, Landesregierung, Universität Rostock, große Welt- und dubiose Kleinstfirmen in Mecklenburg-Vorpommern ein Eldorado der Agro-Gentechnik aufbauten.
Doch aus der vermutet widerstandslosen Region wurde ein bemerkenswertes Symbol für die Kraft des Widerstandes, in dem sich kreative Aktivist*innen, Umweltschützer*innen und Anwohner*innen gegen die scheinbare Übermacht verbündeten. Spektakuläre Bilder von Feldbesetzungen, O-Töne von Ohrenzeug*innen der nächtlichen Feldbefreiungen und Dokumente aus dem Inneren der Gentechnik-Seilschaften machen den Film zu einem bemerkenswerten Rückblick auf fast zehn Jahre Aufstieg und Fall der Agro-Gentechnik. Am Ende siegte, zumindest in Deutschland und vorläufig, der Widerstand - ein nicht alltägliches Ergebnis. Wie das kam, zeigt der Film am Beispiel von Mecklenburg-Vorpommern.
Film "Aufstieg und Fall einer Patentlösung - Agro-Gentechnik in Mecklenburg-Vorpommmern"
http://www.youtube.com/watch?v=VVmIgMy10NQ (Achtung: Stefan Raabs Filmproduktionsfirma versucht, den Film verbieten zu lassen – es kann daher sein, dass er auf Youtube gesperrt ist ... wir ringen mit denen!)
Trailer zum Film: http://www.youtube.com/watch?v=lV2bmM-o8MI
Entstanden in der Projektwerkstatt. Buch, Regie und Schnitt: Jörg Bergstedt. Kamera: Michael Leitner und Andreas Winkler. Musik: Maximilian Bless, Sascha Ende und Christian Petermann (www.ende.tv) und aus dem Cayzland-Studio (www.cayzland-music.de).
Download in HD-Auflösung (102 min): www.projektwerkstatt.de/filme/mvp720.mp4
Download Langfassung (123 min): www.projektwerkstatt.de/filme/mvp_lang720.mp4
als DVD bestellen: www.projektwerkstatt.de/materialien/umw_themen.htm#gen
Es gibt den Film auch als Vorführ-DVD "Aufstieg und Fall einer Patentlösung“, dann gleich mi drei MP4-Filmen im HD-Format. Solche höhere Auflösung ist besser geeignet für Veranstaltungen. Die DVD enthält:
Den Film "Aufstieg und Fall einer Patentlösung" (102min)
Den FIlm "Aufstieg und Fall einer Patentlösung" als Langfassung (123min)
Die Ton-Bilder-Schau "Die Mischung macht's!" (108min)
Die DVD startet im Browserfenster des Computers. Die Filme liegen als MP4-Datei auf der DVD und sind auch einzeln anwählbar. Die DVD darf öffentlich vorgeführt werden. Der Kauf beinhaltet die Aufführrechte für alle nicht-kommerziellen Veranstaltungen.
Mehr Filme in Planung …
Die Filmschneideecke in Saasen, in der der Film entsteht, ist durch allerlei Spenden inzwischen einigermaßen gut ausgestattet. Was noch fehlt, ist eine hochwertige Kamera mit der Möglichkeit, externe Mikrofone anzuschließen. Entsprechende Buchsen müssen also vorhanden sein. Außerdem braucht es immer wieder Festplatten – so Filme sind ungeheuer speicherintensiv. IDE- oder SATA-Festplatten ab 100 GB sind weiter hilfreich. Ansonsten findet sich die Sachspendensuchliste immer unter www.projektwerkstatt.de/gesucht.
MATERIALIEN
Unser SeitenHieb-Verlag startet etwas Neues: Drei Romane
Die Romane sind ein bisschen Science Fiction, aber nicht in klassischer Form einer zukünftigen Welt. Jedes Buch bietet Ausschnitte aus einem möglichen Alltag auf der Welt - heute, morgen oder ganz weit weg. Alle zusammen kosten 22 Euro.
Die Aliens sind unter uns (von Christoph Spehr)
Sie gehen nicht einkaufen. Sie kochen nicht, sie ziehen ihre Kinder nicht selbst groß, sie produzieren nichts, was man essen, anziehen, lesen oder anschauen kann. Dafür gibt es andere: normale Menschen eben. Und denen können sie ganz genau begründen, warum sie effizienter werden und den Gürtel enger schnallen müssen, warum alle mitmachen müssen, um den Planeten zu retten, den Standort, das Abendland oder was immer.
Christoph Spehr spürt die "Aliens" unter uns auf, in Regierungen und Konzernen genauso wie im Betrieb, in der Familie, in Schule und Universität. Er zeigt, wie in unserer Gesellschaft Macht ausgeübt und begründet wird - gerade dort, wo sie sich vernünftig, offen und demokratisch gibt. Spehr fordert eine "Politik der Autonomie", die sich nicht der immer besseren Verwaltung der Welt verschreibt, sondern Herrschaft abwickelt. Und er fragt, wie wir künftig mit den Aliens in uns selbst umgehen sollen. (Beschreibung auf Amazon) 320 S., Erschienen im Mai 2015.
10 Euro ++ ISBN 978-3-86747-054-4
Suizidalien (von Jörg Bergstedt)
Irene hatte für eine freie Welt gekämpft. Rückblickend war schon vieles besser geworden, aber Irene war nie zufrieden. Dann trafen sie mehrere Schicksalsschläge. Ihr Leben geriet aus den Fugen, sie schaffte es nicht mehr, sich neu zu motivieren. Um den Alltag zu vergessen, half sie nach und stürzte immer weiter ab. Mehrere Anläufe, sich wieder zu fangen, scheiterten. Dann hörte Irene von einer Neuerung in der sich weiter von den alten Herrschaftsstrukturen befreienden Welt: Es gab einen Ort, an dem Menschen ihrem Leben ein Ende setzen konnten – ohne Angst vor dem Sterben in einem angenehmen Umfeld. Zwei Jahre kämpfte Irene mit dem Gedanken und war zunehmend fasziniert von der Hoffnung auf ein würdiges Ende. Sie schlich mehrfach um das Gelände. Doch einen Einblick erhielt sie erst, nachdem sie sich entschloss, diesen Weg zu gehen. Der Roman schildert die letzten Stunden von Irene. Sie erlebt eine eingemauerte Welt mit Menschen, die nicht mehr zu verlieren haben, wo Macht oder Reichtum keinen Sinn mehr ergeben. Es werden die interessantesten Stunden im Leben von Irene. Nie zuvor lernte sie so viele Menschen neu kennen, führte so intensive Gespräche und entwickelte so kreative Ideen – jetzt, wo es nichts mehr nützte. Begleiten Sie Irene durch die letzten Stunden ihres Lebens und lassen Sie sich anstecken von dem, was Menschen miteinander machen, wenn sie nur noch sich selbst und wenige Tage Zeit haben. Erschienen im Mai 2015.
10 Euro ++ ISBN 978-3-86747-055-1
Hinter den Laboren (von Jörg Bergstedt)
Es ist ein alter Menschheitstraum: Nicht zu altern und nicht zu sterben. Mit einer bahnbrechenden Entdeckung in den Laboren der Spezialfirma BioGeronto scheint er Wirklichkeit zu werden. Doch Komplikationen treten auf. Die Technik wird teuer - und es bedarf der Forschung an Embryonen. Gesellschaftlicher Widerstand regt sich - üblicherweise kein Problem für die FirmenmanagerInnen. Denn soziale Bewegungen sind handzahm geworden. Doch diesmal verläuft die Sache anders. Die Branche gerät unter Druck - und macht Fehler. Laborbaustellen werden besetzt, dann zerstört. Die Polizei nimmt ihre GegnerInnen auch zu leicht. Und muss lernen. Eine Sonderkommission ermittelt. Das Drama nimmt seinen Lauf. Zwischen Spurensicherung, Vernehmungen, öffentlichen Debatten und Strippenziehen hinter den Kulissen der Finanzförderungen entwickelt sich ein Krimi der besonderen Art. Glauben Sie ja nicht, die phantastische Erzählung könnte nicht wahr sein. Erscheint ca. Juli 2015.
10 Euro ++ ISBN 978-3-86747-056-8
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Kopfentlastung
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Material
Den Kopf entlasten?
Sog. "Verschwörungstheorien": Woher kommen sie?
Was bewirken sie? Und was ist von ihnen zu halten?
Definition ++ Wirkungsweise ++ Beispiele ++ Nutzen ++ Gegengifte ++ Aufklärer_innen ++ Reaktionen ++ Links
Buch Den Kopf entlasten?
Warum dieser Text?
Im Original: Persönliche Erlebnisse ... Diese Zitate ausblenden ++ Alle Zitate aus / einblenden
Mehrfach nach Vorträgen über deutsche Gentechnik-Seilschaften ("Monsanto auf Deutsch") wurde von BesucherInnen, zum Teil aber sogar von den VeranstalterInnen im Auditorium oder später am Kneipen- bzw. Frühstückstisch in Zweifel gezogen, dass der zweite Weltkrieg durch Deutschland angezettelt oder Juden im Dritten Reich umgebracht wurden. Kritische Nachfragen konnte niemand beantworten. Stattdessen wurde wiederholt, das alles hätte noch niemand beweisen können. Benannte mensch dann Fotos, Berichte und auch logische Fakten, so folgte darauf: "Haben Sie das selbst gesehen oder überprüft?" Ersteres natürlich nicht - und schon war manch nach einfachen Modellen suchender Kopf befriedigt.
Und massenweise z.B. im Internet. Unter dem Header "Willkommen im Faschismus" wurde beispielsweise eine Presseinformation zu den Gentechnik-Seilschaften gebloggt - ein schönes Beispiel für die Weltvereinfachungssuppe. Irgendwie alles Böse zusammengepanscht:
Analytisches Denken ist anstrengend. In einer komplexer werdenden oder aufgrund des Zugangs zu mehr Informationen so erscheinenden Welt geht Orientierung verloren. Diese muss durch intensiveres Hinschauen, Hinterfragen, Recherchieren und Abwägen wiedergewonnen werden - oder mensch geht den bequemeren Weg und schließt sich vorgegebenen Meinungen, Ideologien und Sinnstiftungen an. Eine dritte Variante wäre, im Trüben der Informationsüberflutung nach vereinfachten Welterklärungen zu fischen, die einem zumindest scheinbar wieder ein Handwerkszeug geben, die so anstrengend komplizierte Welt zu erklären. Sie geben Antworten darauf, wo die Guten (einschließlich einer/m selbst) und wo die Bösen (Anderen) stehen, machen die Welt des Bösen sichtbar und sind dabei nicht allzu anstrengend für den eigenen Kopf. Um diese Weltvereinfachungen soll es hier gehen. Mit ihrer Hilfe wird der (anstrengende) Versuch aufgegeben, die eigene Lage, das Umfeld und die gesellschaftlichen Verhältnisse zu durchschauen. Auf diese Weise entsteht nicht nur Anfälligkeit gegenüber gefährlichen, z.B. diskriminierenden Denkschablonen, sondern die verkürzten Analysen sind einer der Gründe, warum politischer Protest ständig ins Leere läuft. Denn wo die Fähigkeit zur analytischen Kritik des Ist-Zustandes fehlt, mutiert die Gegenwehr zum Kampf gegen Windmühlen oder zerläuft im Gefühl von Ohnmacht gegenüber den vermeintlich entdeckten, bösen Mächten dieser Welt, die alles steuern und in den Händen halten.
Was dieses Böse ist, fällt dabei je nach politischer Strömung oder ideologischem Background sehr unterschiedlich aus - es reicht von abstrakten Sphären wie "dem Kapital" oder noch vereinfachter "dem Finanzkapital" über zur Achse des Bösen erklärten Staaten oder Konzernen bis zu konkreten Bankerfamilien, die die Welt lenken. Je steiler das Welterklärungsmodell auf eine einzige Ursache eingeengt wird, desto kruder fallen in der Regel die Erzählungen über das Böse in der Welt aus. KritikerInnen solch vereinfachter Erklärungen werfen deren UrheberInnen mal "verkürzte Kapitalismuskritik" oder Antiamerikanismus vor. Für die am stärksten auf einzelne Ursachen oder Verursacher_innen zugespitzten Theorien wird in der Regel der Begriff "Verschwörungstheorien" gebraucht. Angegriffen würde damit die Vorstellung, dass kleine Kreise bewusst das Böse organisieren, die Welt unterwerfen und nach ihren eigenen Interessen oder Kriterien sortieren. Welche das sein soll, ist in den "Verschwörungstheorien" überraschend häufig gar nicht benannt. Das Böse in der Welt ist einfach so da. Es steuert und zerstört mit seltsamen Motiven - oder schlicht ohne.
Diese Texte sollen einen einführenden Blick auf die Logiken vereinfachter Welterklärungen werfen - ob nun naive Verkürzungen oder zugespitzte "Verschwörungstheorien". Er enthält weder eine vollständige Liste der vielen Einzelfälle und -erzählungen noch der verschiedenen Welterklärungen, die mit Vereinfachungen arbeiten. Außerdem muss hinzugefügt werden, dass es hier nur um die nicht-offiziellen Vereinfachungen geht. Letztlich bilden alle Religion und jede andere umfasssende Heilslehre (z.B. in der Esoterik) solche Vereinfachungen. Statt Analyse und Erkenntnisgewinn, präsentieren sie globale Großerklärungen, die mensch glauben soll. Sie stellen damit einen Großangriff auf das menschliche Denkvermögen dar. Bislang unerklärliche Naturphänomene und aus Interessenlagen heraus geschaffene Hierarchien werden auf eine externe Größe (Gott, kosmische Energie, Weltgeist oder was auch immer) projiziert und damit dem menschlichen Erkenntnisdrang entzogen. Das wollen auch vereinfachte Welterklärungen und "Verschwörungstheorien". Religionen, Esoterik, viele politische Ideologien und Diskurse sind wesentlich verbreiteter als die Beispiele dieses Textes. Das darf nie vergessen werden. Wer zu den VereinfacherInnen des Weltgeschehens auf Distanz geht, sollte Religionen, Esoterik, staatlich dominierte Diskurse usw. nicht vergessen. Es gibt viel zu tun auf dem Weg, das eigene Denken und eine kritische Debatte zu entfachen - als Gegengift gegen alles, was uns Schubladen anbietet, in die wir unseren Kopf legen sollen ...
Definitionen
Als "Verschwörungstheorie" werden im weitesten Sinne alle Versuche bezeichnet, ein Ereignis, einen Zustand oder eine Entwicklung durch eine Verschwörung zu erklären, also als zielgerichtetes, konspiratives Wirken von Personen zu einem illegalen oder illegitimen Zweck. Sie bieten damit einfache Erklärungsmodelle für die als unbefriedigend empfundene Lage. Wer immer die Entwicklung der Welt nicht mag, wer Ungerechtigkeiten spürt oder selbst in einer bedrückenden Lage ist, kann mit "Verschwörungstheorien" zwar keine Verbesserung erreichen, aber wenigstens die Schuldfrage klären, ohne allzuviel Denkkraft zu investieren.
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Aus Wikipedia zu Verschwörungstheorie
„Theorie“ bezeichnet eine modellhafte, korrekturfähige Vereinfachung der Wirklichkeit, die von Einzelereignissen oder Umständen abstrahiert, um übergreifende Zusammenhänge zu beschreiben. Genau das leistet eine Verschwörungstheorie aber nicht, da sie zwar vereinfachende Muster anbietet, aber kein Modell. Verschwörungstheorien leisten keine Abstraktion, sondern nehmen im Gegenteil eine Konkretion vor, die unzulässigerweise verallgemeinert wird. Während die Abstraktion Komplexität erhält und nur die Beobachtungsebene verändert, ist die unzulässige Konkretion verlustbehaftet. Die nachgelagerte Verallgemeinerung basiert also auf einer Vereinfachung. ...
Der Begriff Verschwörungstheorie wird oft kritisch oder abwertend verwendet. In der Rhetorik ist die mediale Diskreditierung des Gegners vermittels eines solchen Vorwurfs ein erprobtes Instrument. Die Charakterisierung als Verschwörungstheoretiker ist Gegenstand von Diskussionen.
Grundlage vieler Verschwörungstheorien ist ein dezidiertes und vereinfachendes Welt- und Geschichtsbild, das auf der Grundannahme basiert, dass Strukturen der sozialen Wirklichkeit durch Handlungen von Personen direkt steuernd beeinflusst werden können. Vor dem Hintergrund der gegenseitigen strukturellen Abhängigkeiten und hochgradigen Vernetzungen komplexer sozialer Systeme gilt diese Voraussetzung heute jedoch allgemein als unplausibel. Sozialwissenschaftliche Modelle zeigen, dass sich weitreichende Ereignisse in Gesellschaft, Wirtschaft oder Staat nicht allein durch das zielgerichtete Handeln von Personen oder Personengruppen verursachen lassen. Man geht hier vielmehr vom Zusammenwirken vieler verschiedener subjektiver Gründe und objektiver Bedingungen aus, die aus Strukturen, Konjunkturen, Absichten, Gegenabsichten, Irrtümern und schlichten Zufällen bestehen und sich zudem gegenseitig beeinflussen. Die Auffassung, eine relativ kleine Personengruppe könne wichtige gesellschaftliche Ereignisse zentral steuern, gilt daher als unterkomplex.
Karl Popper drückt dies – bezogen auf einen speziellen Typus von Verschwörungstheorie – folgendermaßen aus: „Um meine Gedanken zu verdeutlichen, werde ich in kurzen Zügen eine Theorie beschreiben, die weit verbreitet ist, aber das genaue Gegenteil dessen annimmt, was ich für das eigentliche Ziel der Sozialwissenschaften halte; ich nenne sie die Verschwörungstheorie der Gesellschaft. […] Diese Ansicht von den Zielen der Sozialwissenschaften entspringt natürlich der falschen Theorie, daß, was immer sich in einer Gesellschaft ereignet, das Ergebnis eines Planes mächtiger Individuen oder Gruppen ist.“ – Karl Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde – Band II – Falsche Propheten: Hegel, Marx und die Folgen ...
Typisch für „conspiracism“ ist dabei seine Immunisierung gegen jede Form von Widerspruch. Wer an den angebotenen Erklärungen zweifelt, gilt entweder als getäuscht, erpresst oder gar als Mitwisser der Verschwörung. Die Verschwörungsideologie kann dann nicht mehr widerlegt werden. Gerne wird von Verschwörungstheoretikern gerade das Fehlen von Beweisen als Beweis für eine Verschwörung gewertet, da dies eben die unheimliche Effektivität der Verschwörer zeige. Eine Parodie auf diesen Umstand ist etwa die im Internet zirkulierende „Bielefeldverschwörung“. Da die vermuteten Verschwörungen als strukturell unbeweisbar konstruiert werden, gilt ihnen eine Expertenmeinung nicht als höherwertig als eine private Spekulation. ...
Der Zusammenhang zwischen Verschwörungsideologie und Vernunft kann auch umgedreht werden. Der Historiker Dieter Groh vermutet hier eine „Dialektik der Aufklärung“ im Sinne Adornos: Verschwörungstheorien sind als „das Andere der Vernunft“ Schattenseite und gleichzeitig Gegenbewegung einer zu schnell sich vollziehenden Rationalisierung aller gesellschaftlichen Beziehungen; denn das Aufkommen der Verschwörungsideologien hängt gerade mit der Aufklärung und Säkularisierung zusammen, die irrationale Welterklärungen durch rationales Wissen ablösen und zurückdrängen will; wenn man nicht mehr alles mit dem Wirken eines allmächtigen Gottes erklären kann, wächst die Neigung, unerfreuliche Phänomene den Machenschaften einer Verschwörergruppe zuzuschreiben, da irgendjemand ja dafür verantwortlich sein muss. Für diesen Zusammenhang von technischem Fortschritt und Rationalität auf der einen Seite sowie mentaler Modernitätsverweigerung und Antirationalismus auf der anderen prägte der Philosoph Ernst Bloch auch den Begriff der „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“. Jüngere ethnologische Untersuchungen legen einen ähnlichen Zusammenhang nahe zwischen Verschwörungsideologien und der Bedrohung einer traditionalen Gesellschaft durch Modernisierung. J. Clyde Mitchell hat bei seinen Untersuchungen der Volksgruppe der Yao in Sambia aufgedeckt, dass mit der Unübersichtlichkeit des sozialen Wandels dort die Anklagen wegen witchcraft (allgemeiner magischer Schädlichkeit) zunahmen, wohingegen die angeblichen Fälle von sorcery (konkretem Schadenzauber) abnahmen: Sie dienen offenkundig dazu, soziale oder stammespolitische Konflikte auszutragen.
Definition auf der Seite der Skeptiker (GWUP), die aber auch wiederum selbst oft vereinfacht argumentieren
Eine Verschwörungstheorie ist die sachlich unbegründete Annahme, ein bestimmtes, meist negatives Geschehen sei das Ergebnis einer Verschwörung. Durch ihre Argumentation widersetzen sich Verschwörungstheorien jeglicher logischen Widerlegung, deshalb sind sie wissenschaftlich wertlos. Viele Vertreter von parawissenschaftlichen Behauptungen versuchen, ihre Thesen durch Verschwörungstheorien zu stützen (Beispiele s.u.).
Grundlage einer Verschwörungstheorie ist nach dem Modell von Thomas Grüter der Verschwörungsglaube, d. h. der Verdacht, dass eine Personengruppe heimlich Böses plant. Stärker ausgearbeitet als der Verschwörungsglaube ist die Verschwörungslegende, die bestimmte Ereignisse als Ergebnis eines Komplotts erklärt, ohne dies jedoch schlüssig zu beweisen. Die Verschwörungstheorie schließlich bündelt Verdacht und Legenden zu einem fest gefügten System.
Verschwörungstheorien enthalten teils reale Elemente, verquicken diese jedoch mit Erfundenem und bloßen Mutmaßungen zu einer „Parallelwirklichkeit“. Im Gegensatz zur rationalen Ursachenforschung zeichnen sich Verschwörungstheorien durch ihre Immunisierung aus. Äußert eine Person Zweifel oder führt sie Gegenargumente an, wird sie mit dem Vorwurf konfrontiert, selbst zu den Verschwörern zu gehören. Damit wird die Verschwörungstheorie der wissenschaftlichen Überprüfung entzogen. Die vorgebrachten Argumente für die Verschwörung halten jedoch keiner kritischen Untersuchung stand.
In "Stimme&Gegenstimme" Nr. 40/13 (S. 1) wird im Vorwort die Existenz von Verschwörungen beschrieben:
Auch diese S&G wirft ein Licht darauf, wie umfassend sämtliche Lebensbereiche allerorts von Überwachung und Verschwörung durchsetzt und verseucht sind. Man mag es kaum glauben: Dies alles ist langfristig geplant und wird mit allen Mitteln systematisch durchgesetzt. Wer sind die Drahtzieher hinter den Kulissen, die Köpfe dieser gezielten Zerstörung? Sie und ihre Machenschaften gilt es ans Licht zu bringen, ihrem Treiben ein Ende zu setzen und sie zur Verantwortung zu ziehen.
Aus dem Kapitel „Verschwörungstheorien“ in: Jörg Lorenz (2013): „Das Chemtrailhandbuch“, jmp-Verlag in Hannover (S. 11 ff.)
Verschwörungstheorien gibt es nicht erst seit jüngster Zeit, sondern wahrscheinlich schon immer. Zu den bekanntesten gehören sicher die zum Attentat auf John F. Kennedy, die zur Mondlandung und die zu den Ereignissen von 9/11 in New York.
Gekennzeichnet sind Verschwörungstheorien dadurch, dass Vorgänge, Ereignisse, Zustände und andere Sachverhalte durch Verschwörungen erklärt werden, die äußerst geheim stattgefunden hätten. So würde davon in der Öffentlichkeit nicht berichtet, sondern es würde vertuscht und abgelenkt. Die Verschwörungstheoretiker ("Truther", "lnfokrieger") selbst seien diejenigen, die die tatsächliche Wahrheit kennen würden. Diejenigen, die nicht an die Verschwörungstheorien glauben, seien "Schlafschafe" oder vom System bezahlt und sollten mal aufwachen.
Als Verantwortliche für die Verschwörungen werden immer wieder unterschiedliche Personen, Gruppierungen, Organisationen, Länder usw. benannt. Meist ist die Rede jedoch von Juden, USA + Israel, Freimaurern, Illuminati, Reptiloiden, CIA, Finanzelite. Gemeinsam ist aber, dass es etwas Böses sei, dem man angeblich ausgeliefert sei. Schließlich wurde ja schon immer gelogen und vertuscht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden schon immer begangen.
Die Methoden bei der Verbreitung der Verschwörungstheorien ähneln sich meist. Zunächst ist wichtig, dass nicht jedermann die Behauptungen wissenschaftlich prüfen kann, die aufgestellt werden. Nach dem Aufstellen von Behauptungen wird alles gesucht, was irgendwie dazu passen könnte (einschließlich Aussagen von Personen, deren Titel, Berufe usw. wichtig klingen) und es werden Zusammenhänge hergestellt, die für Außenstehende plausibel klingen, wissenschaftlichen Untersuchungen jedoch nicht standhalten.
Eine weitere Methode ist, dass die Verschwörungstheoretiker Vermutungen aufstellen und diese mit dem Konjunktiv formulieren: "Es könnte doch sein, dass …“. In der Folge gehen sie langsam dazu über, das im Konjunktiv Formulierte als Tatsache darzustellen: "Wenn es aber so ist, dann …“. Die ursprüngliche Vermutung ist nun auf einmal eine Tatsache, auf der alles aufgebaut wird: "Da es so ist, dann ...“.
Gern wird dazu bei entsprechenden Verschwörungstheorien ein Phänomen genutzt, dem wir alle unterliegen, die selektive Wahrnehmung. Die Verschwörungstheoretiker lenken den Blick auf Sachverhalte bzw. Vorgänge, die es schon immer gab, die wir aber noch nie bewusst beobachtet haben. Schon konnten wir etwas Neues entdecken: Stimmt, an der Behauptung muss etwas dran sein, denn es ist ja wirklich so.
Unterstützt wird dies dadurch, dass sich sicher nicht jeder alles erklären kann. Die Verschwörungstheoretiker drücken also aus, dass da etwas seltsam sei, also etwas nicht stimmen würde. Deshalb könne das auch nicht normal sein. Dass es für alles Fachleute gibt und man nicht alles wissen kann, wird dabei ausgeblendet.
Durch Nutzung des Internets werden die Inhalte der Verschwörungstheorien besonders dort verbreitet, wobei die Quantität zählt. Die "Truther", "Wahrheitssucher", Infokrieger" oder wie sich die Vertreter der Verschwörungstheorien auch immer nennen, zeigen dabei mehr oder weniger Fanatismus bei der Umsetzung des Ziels, möglichst viele Menschen zu erreichen. Und da es heute jedermann möglich ist, Inhalte ins Internet zu stellen, ist dies für sie auch kein Problem. Dadurch werden diese Inhalte natürlich auch durch die Suchmaschinen gefunden.
Darauf aufbauend kommt eine weitere Methode zum Einsatz: Die Vertreter der Verschwörungstheorien rufen auf, nach den jeweiligen Inhalten zu suchen. Und wenn wir nach etwas suchen, bekommen wir die entsprechenden Inhalte als Suchergebnisse. Suchen wir also nach "Weihnachtsmann", werden wir die Inhalte dazu bekommen. Suchen wir nach "9/11" oder "Chemtrails", werden wir ebenfalls die entsprechenden Inhalte finden.
Und weil mittlerweile viele Menschen schon danach gesucht haben, bietet Google bei der Eingabe der Suchbegriffe zweckmäßiger weise auch gleich die Suchen zu den Verschwörungstheorien an. Somit wird der Blick gezielt auf die Inhalte der Verschwörungstheorien gelenkt. Auf die Idee, nach den anderen Inhalten zu suchen, kommen viele Menschen nicht. Und da eben gerade massig Inhalte ins Netz gestellt wurden, kann man auch feststellen, dass es schon viel dazu gibt.
Wer vertritt nun die Verschwörungstheorien bzw. wer glaubt an sie? Hier sind einige Beispiele:
In erster Linie werden es natürlich die Personen sein, die sich fachlich noch nicht ausreichend mit dem Inhalt der Verschwörungstheorie, mit der sie unbewusst konfrontiert werden, auseinandergesetzt haben. Wenn man Schatten, die auf Fotos von der Mondlandung nicht parallel verlaufen sieht, muss man entweder Kenntnisse in der Optik oder sich zumindest schon mit Bildaufbau in der Fotografie beschäftigt haben. Dann wüsste man, dass auch auf der Erde Schatten nicht immer parallel verlaufen.
In der Verschwörungstheorie wird edoch genau auf dieser Unkenntnis aufgebaut; es werden Zusammenhänge konstruiert und es wird ausgedrückt, dass das auf dem Bild zu sehende physikalisch unmöglich sei und schon besteht die Gefahr, dass man bei der Konfrontation mit der Verschwörungstheorie diesem Inhalt verfallen ist.
So hätte also niemand an der Mondlandung gezweifelt, wenn nicht Verschwörungstheoretiker Bilder falsch interpretiert hätten. Und bei einem Himmel mit hoher Bewölkung würde man immer noch davon ausgehen, dass eine Wetteränderung bevorsteht, wenn nicht die Chemtrail-Gläubigen den "verschmierten" Himmel als Folge von Chemtrail-Sprühungen bezeichnen würden.
Man darf bei den hier betroffenen Personen allerdings nicht den Fehler machen und sie generell als "dumm" o.ä. einschätzen. Diese Personen können in anderen Bereichen topfit sein. Selbst Fachleute können unter bestimmten Umständen betroffen sein dass ein Flugzeug in niedrigen Höhen auch schnell fliegen kann, ist durchaus auch nicht allen Aviatik Fachleuten bekannt, weil dieser Vorgang doch recht selten und auf Flugshows beschränkt ist.
Dadurch, dass die Verschwörungstheorien nach außen hin aber so konstruiert sind, dass Scheinzusammenhänge gerade durch Fachfremde leicht verstanden werden können, kann es auch diesen Personen passieren, dem zunächst Glauben zu schenken.‘
Allerdings hätten viele dieser Personen ein leichtes Spiel, die Verschwörungstheorien zu durchschauen. Sie müssen dazu nicht einmal Fachkenntnisse im entsprechenden Bereich haben, sondern es muss zuerst die Bereitschaft vorhanden sein, sich überhaupt damit auseinanderzusetzen. Dann brauchen sie noch die methodische Kompetenz; sie müssen also wissen, auf welchen Wegen sie sich mit den Inhalten auseinandersetzen können. Und hier ist es besonders wichtig, dass sie sich nicht auf die Quellen konzentrieren, die die Inhalte der Verschwörungstheorien wiedergeben.
- Weiterhin verfallen Menschen diesen Verschwörungstheorien, die selbst in irgendeiner Art und Weise im Leben versagt haben oder Misserfolge hatten und die Schuld woanders als bei sich selbst suchen. Diese Misserfolge können verschiedenste Hintergründe haben sei es eine gewisse Perspektivlosigkeit nach der Wende in der ehemaligen DDR, sei es der Verlust des Arbeitsplatzes, Scheidung, Sucht usw. Hier bieten die Verschwörungstheorien den geeigneten Boden. Auch bei ihnen geht es schließlich darum, dass irgendwelche Mächte die Schuld an den Inhalten der Verschwörungstheorien haben. DIE sind schuld.
- Man kann an den Verschwörungstheorien viel Geld verdienen, zum Beispiel durch Eintrittspreise zu Veranstaltungen, durch Seminarbeiträge, durch den Verkauf von irgendwelchen Unterlagen (Literatur, DVDs usw.) und in Abhängigkeit von der Jeweiligen Verschwörungstheorie am Verkauf von irgendwelchen Techniken/Mittelchen. Nicht zuletzt finden wir auf den einschlägigen Websites auch immer wieder Spendenaufrufe. Ob diejenigen Personen selbst an die Inhalte der Verschwörungstheorien glauben oder ob sie die nur als Mittel zum Geldverdienen einsetzen, ist natürlich fraglich.
- Viele Verschwörungstheoretiker sind anfällig für Schuldzuweisungen an etwas Böses. Dieses Prinzip verfolgen auch politisch extreme Kräfte, indem sie bestimmte Personengruppen verantwortlich für mögliche Missstände machen. Somit sind auch die Verschwörungstheoretiker eine geeignete Zielgruppe für deren Gedankengut, wobei hier auch der allgemeine Antiamerikanismus ins Spiel kommt, für den die Zielgruppe gut eingesetzt werden kann.
Natürlich könnte zu den Verschwörungstheorien noch viel mehr analysiert werden damit beschäftigen sich sogar viele Leute. Hier sollte es aber nur ein kleiner und relativ allgemeiner Überblick sein.
Die bestehenden Herrschaftsverhältnisse hingegen sind komplex. Es wäre anstrengend, die verschiedenen Mechanismen, Konkurrenzen und Elitestrukturen auch nur annähernd zu erfassen, um zu begreifen, warum was und wie geschieht (siehe die Texte, Definitionen und Thesen auf www.herrschaftsfrei.de.vu sowie in den Büchern des Seitenhieb-Verlages). Denn bei genauerem Hinsehen fehlt ein klar lokalisierbares Zentrum der Welt - ebenso ein alles prägender, außerhalb der Gesellschaft liegender Mechanismus. Daraus folgt nicht, dass alle Menschen gleichberechtigt sind, sondern die Menschen haben je nach Stellung, Beziehungen, Fähigkeiten und Mitteln unterschiedliche Gestaltungsmacht in dieser Gesellschaft. Aber niemand, auch keine Institution oder Gruppe, hat den Steuerknüppel exklusiv in der Hand. Es gibt sie einfach nicht, die oft gesuchten und mitunter vermeintlich gefundenen StrippenzieherInnen der Welt. Das ist doof für alle, die schnell und einfach die Welt erklären wollen. Denn gerade darum haben "Verschwörungstheorien" Hochkonjunktur: Sie entlasten so schön den Kopf, wenn mensch sich einreden kann, irgendwo säßen die Bösen, die alles lenken - oder es existiere ein diffuser großer Keilriemen im metaphysischen "Off", der die Welt antreibt. Doch solche Sparsamkeit im Denken ist nicht nur gefährlich, weil auf diesen Bildern auch alle bisherigen Vernichtungsphantasien (historisch vor allem gegen „die Juden“, heute oft gegen „den Islam“, "die Ausländer", "das Finanzkapital" oder „die USA“) basieren. Sie sind zudem eher für die nützlich, denen sie eigentlich entgegentreten sollen: Den Funktionseliten moderner Herrschaftssysteme. Sie können ungestört in den intransparenten und zentrumslosen Sphären gesellschaftlicher Gestaltungsmacht agieren, während viele unzufriedene Menschen sich mit Chemtrails, Zinseszins- und Finanzkapitalhetze oder an ausgewählten Bankiersfamilien dieser Welt abarbeiten ...
Was braucht eine vereinfachte Welterklärung und was macht sie attraktiv?
Wodurch überzeugen "Verschwörungstheorien" oder einfache Welterklärungen? Was macht sie aus? Es sind mehrere Merkmale.
1. Vereinfachungen, gepaart mit ...
... schlichten Ursache-Wirkungs-Ketten: Damit ein Welterklärungsmodell gut in die Köpfe geht, darf es nicht zuviele Einflussfaktoren aufweisen. Die meisten AnhängerInnen haben Gedankenkonstrukte, die eine einzige Gruppe von Mächtigen und Bösen oder ein einziges Motiv, Ziel bzw. einen Antrieb hinter Geschehnissen benennen. Geld, Kontrolle oder Rohstoffe finden sich als Erklärungsansatz, aber auch umfassendere "Verschwörungen" wie eine militärische oder religiöse Mission, das Erringen der Weltherrschaft oder skurril wirkende Programme z.B. zur Reduzierung der Weltbevölkerung auf 0,5 Milliarden (also ein Schrumpfen auf ein Vierzehntel). Damit werden dann alle Geschehnisse, mit oder ohne gezielte Umdichtungen, erklärt. Da immer die gleiche Ursache den Geschehnissen beigedacht/-gedichtet wird, entsteht schließlich der Eindruck, dass hier ein übermächtiges und unkontrollierbares Prinzip oder eine entsprechende Gruppe von Menschen tätig ist. Das löst Angst aus - der wirksamste Verstärker politischer Verunsicherung. Angst ruft nach Hilfe, öffnet Köpfe und Herzen für einfache Losungen und Lösungen. Das schwächt die Fähigkeit zur skeptischen Analyse. In der Geschichte gibt es viele Beispielen für diesen Effekt. Die Religionen bauten und bauen ihre Macht auf der selbsterzeugten Angst vor Gottes Strafe (im Hier&Jetzt oder als (Höllen-)Qual nach dem Tod) auf. Moderne Innen- oder KriegsministerInnen schüren Ängste, um Akzeptanz für Präventionsmaßnahmen, Waffen und deren Anwendung zu schaffen. Wer es geschickt anstellt, kann nach diesem Wirkprinzip sogar gesellschaftliche Einzelfragen, mitunter auffällige Nebensächlichkeiten, zu monströsen Einflussgrößen aufblasen. Unter den unten genannten Beispielen vereinfachter Welterklärungsmodelle findet sich z.B. die Sache mit dem Zins. Dem wird die prägende Rolle auf das gesamte wirtschaftliche Geschehen beigemessen - ein extremes Beispiel solcher Empörungs-Aufwertung.
... klaren Feindbildern: Viele "Verschwörungstheorien" sind attraktiv, weil sie einen greifbaren Gegner zu lokalisieren scheinen. Es sind nicht mehr abstrakte und damit anstrengend zu durchdenkende Antriebskräfte wie die Verwertungslogik, das Streben nach Profit oder der Selbsterhalt von Macht, die zudem noch in allen Menschen und Strukturen zumindest teilweise vorhanden scheinen. Sondern konkrete Personen oder Personengruppen sind für das verantwortlich ("schuldig"), was auf der Welt als schlecht empfunden wird. So kann der Hass auf etwas Konkretes projiziert werden.
... und der Einteilung in Gut und Böse (wahlweise auch wahr-unwahr, desinformiert-wissend): Mit der Aufladung des Anderen, Äußeren und Abgegrenzen als Hort des Bösen zeichnet sich eine zweigeteilte Welt ab. Die Grenzlinie verläuft immer so, dass mensch selbst auf der Seite der Guten steht. Das verleiht dem Gedankenmodell Charme. Mensch wird selbst zum Guten, in dem das Andere als Böse definiert wird. Komplexe Herrschaftsanalyse gerät ebenso in Vergessenheit wie die eigene Verwobenheit in die Verhältnisse.
2. ... ständigem Einhämmern der simplen Losungen ...
"Siehste!" und "self-fullfilling prophecy": Wer bei Ereignissen oder Informationen auf eine bestimmte Sache schaut, wird diese auch bevorzugt in Erinnerung behalten. Wer z.B. bei Treffen von Privilegierten immer die Angehörigen einer Religion, einer Nation oder sozialen Strömung benennt, erzeugt den Eindruck, als würden diese überrepräsentiert sein. Durch eine voreingenommene Brille betrachtet, wird jedem Geschehen ein bestimmter Erwartungshorizont aufgedrückt und dadurch eine Wertung erzeugt, die in Erinnerung bleibt. Wenn dann noch von Außen auf das explizit hingewiesen wird, was ohnehin durch gefilterte Wahrnehmung im Vordergrund steht, verstärkt sich die Wirkung. Dieser Siehste-Effekt wird benutzt, um eine bestimmte Wahrnehmung in die Köpfe zu bringen. Er trägt sich aber auch unbewusst von Person zu Person weiter.
stetiger Wiederholung: Eine Personengruppe oder ein Mechanismus können nur dann als dominant gefühlt werden, wenn ihre Wirkung sich überall und wiederholend bestätigt. Ob das durch eigene Anschauung oder ständige Legenden und Hilfskonstrukte geschieht, ist dabei in der Wirkung ähnlich. Garniert werden muss das (scheinbare) Erleben von gleichen Wirkungsmustern mit der dazugehörigen Legende von Strippenzieherei. Sonst reicht es nicht. Denn selbst wenn mensch z.B. annimmt, dass die "Bilderberger" oder die Bankiersfamilie Rothschild (siehe Beispiele unten) die Strippen dieser Welt ziehen, wäre das im eigenen Alltag kaum spürbar. Es bedarf daher einer Wirkungskette, die - oft über viele Ecken und Kanten - ein Ereignis auf die gewünschte Ursache zurückführt. Bei Personen geht das nach dem einfachen Muster: Der kennt den, der wieder den usw., so dass schon nach einigen Stationen der gewünschte Personenkreis im Spiel scheint. Dass die moderne Soziologie längst weiß, dass über 5 bis 10 Ecken fast jedeR mit jeder/m verwandt, bekannt oder irgendwie verflochten ist, muss natürlich verschwiegen werden, um das Aha-Erlebnis nicht zu relativieren.
Ähnlich funktioniert es mit abstrakten Wirkmechanismen. Geld, Zins, Rohstoffe, religiöse Muster - irgendwie lässt sich davon immer zumindest ein bisschen nachweisen. Daraus abzuleiten, dass es auch die Ursache ist, ist dann der Verschwörungsaspekt in der Welterklärung. Sie überzeugt, weil sie so schön einfach ist, immer nur den einen Aspekt erwähnt und ihn zur Hauptursache aufbläst.
3. ... und einem Schuss geheimnisvollen Welten
Gesteigert durch geheimnisvolle FädenzieherInnen: Allerdings würden klare Feindbilder unmittelbare Handlungsoptionen nach sich ziehen - wie es in der Geschichte ja auch ständig der Fall war von Kreuzzügen über Hexenverbrennungen und Holocaust bis zu modernen Hetzkampagnen gegen AusländerInnen oder SozialhilfeempfängerInnen. "Verschwörungstheorien" dienen aber meist der Kultivierung eigener Ohnmacht. Wer sich als Opfer inszeniert, muss keine Gedanken an die eigene Verwicklung in gesellschaftliche Abläufe und damit den eigenen Anteil an der Lage der Dinge verschwenden. Die klare Grenzziehung zwischen Gut und Böse wird gefördert, wenn die Personen, denen in den einfachen Welterklärungsmodellen die Macht zukommt, auf normalen Wegen unerreichbar sind. So ranken sich die Mythen steuernder Mächte selten um (abwählbare) PolitikerInnen oder die real handelnden Bosse großer Konzerne. Sie werden eher als Marionetten von Kräften gesehen, die im Hintergrund die Fäden ziehen. Diese Kombination einer beschreibbaren, aber wegen derer geheimnisvoller Kräfte nicht exakt lokalisierbaren Sphäre mit unangreifbaren Personen stellt die typische Form des herbeiphantasierten Zentrums der Welt dar.
Dazu der Charme der Weltrettung ...
In Konferenzen, Filmen, auf Internetseiten, Online-Nachrichtenportalen usw. frönen die VordenkerInnen der einfachen Welterklärung der Vorstellung, sie seien die Auserwählten der Weltrettung. Damit machen sie die nächste Vereinfachung auf: Enttäuschte, Empörte, Verwirrte, VerliererInnen neoliberaler Umwandlung, Internet- und Smartphoneverstörte und viele mehr verlagern den Wunsch nach Veränderung von sich selbst und ihrem eigenen Leben (Handeln, Denken ...) auf Führungsfiguren, die in großen Inszenierungen symbolischer Beteiligungsdebatten ihre Stellung zelebrieren. Nie geht es z.B. bei den großen Kongressen um offene Diskussion. Vielmehr ist alles gesteuert, mehrfach aufgefangen in Moderations- und Interventionsstrukturen. Billiger Applaus, wie er für einfache Erklärungsmodelle immer schnell kommt, schafft den Schein kollektiven Zusammenhandelns. Ob Anti-Zensur-Konferenz (AZK), die Handzettel und Konferenzen von "Stimme und Gegenstimme" oder der Aufbruch "Gold-Rot-Schwarz" (Start war am 9.11.2012 in Alsfeld) - das Management ist immer das Gleiche.
Im Original: Abschriften/Auszüge 9.11.2012 Alsfeld ... Diese Zitate ausblenden ++ Alle Zitate aus / einblenden
Verlaufsbeschreibung und Zitate (kursiv) aus Reden und Ergebnisprotokollen (Quelle: Videos auf Internetseite)
Anfang: Ein Mann spricht davon, das Weibliche zu fördern. Seine Frau macht eine Atemmeditation, dann kommen wieder zwei Typen aufs Podium, um Inhalte und Regieanweisungen des Treffens vorzugeben.
Konferenzregime: In Eingangsrede erklärt Jo Conrad (Macher von www.bewusst.tv) den Ablauf. Es gibt Arbeitsgruppen, die sollen was erarbeiten. Für alle Gruppen sind "MediatorInnen" vorgesehen. Die sollen vor allem störende Einzelmeinungen verhindern: "Bitte arbeiten Sie mit an den einzelnen Bereichen, und versuchen Sie nicht, Ihre eigenen Vorstellungen durchzusetzen, denn natürlich möchte jeder mit seinen Ideen gerne Anerkennung finden. " ... "Und lassen Sie uns um die Unterstützung der geistigen Welt bitten, die nur zu freudig bereit ist, uns zu helfen, wenn sie darum gebeten wird. Denken Sie daran, dass wir alle geistige Wesen sind, die sich entschieden haben, hier zu inkarnieren, und dass dies ein wichtiger Tag für uns alle sein kann, wenn wir den Respekt für alles, das uns begegnet, aufbringen."
Michael Vogt trägt zudem anfangs vor, dass ein Rahmentext, der eigentlich das Ergebnis sein soll, bereits im Internet steht. Protest regt sich nicht. Von der Bühne folgt ständiges Bedanken dafür, dass alle Leute da sind, dass viele unterstützen ... "es ist wie geführt ... bleibt in Eurer Energie"
Arbeitsgruppen werden vorgestellt.
Mikrofon kaputt ... "Nehmen wir das nächste, ist ja nicht wie bei armen Leuten"
Als eine Frau eine Stelltafel trägt: "Oh guck mal, starke Frauen".
Nach Arbeitsgruppenphase folgt eine Mediation über gemeinsame Ideale ... "Eure Wurzeln am Steißbein fallen lassen, Euch erden ... Stellt Euch jetzt vor: Wie sieht die Welt aus, in der Ihr idealerweise leben wollt (meditative Musik mit Vogelgezwitscher folgt, mehrere Minuten, dazwischen gesagt:) und fühlt in Eurem Körper: Wie fühlt sich diese Vision in Eurem Körper an ... was Ihr aussendet, was Ihr in die Welt strahlt, dass ist das, was Ihr bekommt ... Lasst uns Liebe in die Welt strahlen ... dann könnt Ihr langsam wieder ankommen, aber ich möchte Euch bitten, den Fokus zu halten auf diese Vision, auch wenn Ihr wieder hinausgeht in die Welt da draußen" (Applaus).
Moderator: "Wir bauen hier ein Bewusstseinsfeld auf, das weit über Alsfeld hinausgeht ... geht mal in das Wesen, dass Ihr wirklich seid ... seid Euch bewusst: Ihr seid göttliche Wesen und dann können die, die immer denken, sie können hier über uns bestimmen, nämlich einpacken ... jeder Einzelne hier könnte eine bessere Politik machen als die in Berlin"
Vorstellung AGs (alle bekamen Textvorlagen, die einige Tage später als weitgehende Abschrift aus einer Burschenschaftszeitung identifiziert werden konnten):
- AG "Forschung, Wissen, Weisheit" will, dass außerweltliche Phänomene als Forschungsgegenstand anerkannt werden ... "Die ethischen Gesetze und die Achtung vor der Einzigartigkeit der Schöpfung wird in allen Bereichen der Forschung geachtet und hat die Suche nach der kosmischen Wahrheit zum höchsten Ziel." (Applaus, Moderation: "Sehr schön")
- AG "Wirtschaft und Finanzen": Vergleicht Moderatorin mit Löwenbändigung ... wollen Aufklärung: Was ist Geld? ... Zinsthematik: "Aufklärung über die Zinsproblematik, daß die Zinsen ja nicht mitgeschöpft werden, der parabolische Anstieg der Schulden, Zwangsläufiges Scheitern eines Zinsgetriebenen Fiat-Money-Systems, Gründe des Zinsverbotes in Religionen und Geschichte." ... "Anschaulich erklären, simple Beispiele verwenden." ... "wir haben alle etwas Göttliches in uns" ...
- AG "Medien und Kommunikation": Hetze gegen Dagegensein "FÜR eine Sache einzutreten ist wesentlich. Gegen eine Sache zu kämpfen erzwingt Gegenkampf. ... "Respekt und Wertschätzung der deutschen Sprachkultur" (spontaner und fetter Applaus) ... "ich bin in der Seele deutsch" (Daumen hoch vom Moderator) ... "ich liebe die deutsche Sprache, da darf keiner etwas sagen drüber" (wieder spontaner Applaus) ... "Aufrechterhaltung des hohen Energieniveaus der deutschen Sprache"
- AG "Kunst und Kreativität": Durch Vertrauen in den kreativen Prozess kann Schönheit entstehen.
- AG "Spiritualität und Bewusstseinsentfaltung": Auszug "Ich lebe aus göttlichem Ursprung nach universellen Gesetzen mein bewußtes Sein in Liebe zum Wohle allen Lebens. Ich bin Schöpfer meiner eigenen Realität. Spiritualität und Bewußtseinsentfaltung dienen allen Lebensbereichen, insbesondere in Bildung und Forschung werden kosmische Gesetze gelehrt, erforscht und gelebt." (Reaktion Moderation: "wunderbar")
- AG "Regierung und Politik": Rätebildung, orientiert am Thing ... "natürliche Netzwerke" ... "Wir setzen uns ein, für ein freies Europa der Heimatländer und für ein freies Deutschland als Ganzes"
- AG "Recht und Sicherheit": "Jeder Mensch hat unveräußerliche Rechte, die ihm von der Schöpfung gegeben und nicht beschnitten werden dürfen. ... Das Recht dient den schöpfungsgegebenen Menschenrechten." ... "Die Polizei – die Exekutive - hat die Aufgabe, die Menschen vor Straftaten zu schützen." ...
- AG "Außen-/Bündnis- & Sicherheitspolitik" (vorgetragen von Michael Vogt): "Deutschland nimmt sein Schicksal in eigene Hände und stellt seine (immer noch nicht vorhandene) Souveränität auf der Basis des Völkerrechtes her. ... Diese Souveränität geht mit der Sicherung der eigenen Identität einher. ... Deutsche Verteidigungstechnologie dient ausschließlich der Landesverteidigung. ... Das Asylrecht wird grundsätzlich beibehalten und zugleich auf die Länder, in denen tatsächliche Menschenrechtsverletzungen stattfinden, konzentriert. Einer demographischen Umgestaltung der autochthonen Gesellschaft wird durch Einführung von Visumspflicht vorgebeugt. Das Asylrecht wird durch gezielte Entwicklungshilfe vor Ort ergänzt. ... Deutschland muß aus der Haft durch die Stationierung us-amerikanischer ABC- und anderer Massenvernichtungswaffen heraus. ... Deutschland nimmt seine Landesverteidigung in eigene Hände. Dazu dient eine Truppe, die mit den dazu nötigen Mitteln ausgestattet und entsprechend auf- und ausgebaut wird. ... Vor dem Hintergrund der gemeinsamen Geschichte und der Bedeutung des Landes als europäischer Nachbar kommt darüber hinaus den guten und freundschaftlichen Beziehungen zu Rußland eine besondere Bedeutung zu." ... (ständiger Zwischenapplaus)
- AG "Familie und Kinder": "Familie: Mutter - Vater - Kind (kleinste Einheit der Gesellschaft)... Wertschätzung der verbindlichen Partnerschaft" ... Werbung für freileben.org
- AG "Umwelt ...": Definition "Umwelt – die Welt die uns umgibt. Immer und überall, mit der wir zutiefst verbunden sind – im feinstofflichen und im Energiefeld."
- AG "Landwirtschaft" (Friedhelm Berger):
- AG "Bildung ...": "Jeder der kann, darf lehren (Bsp.: Omas - Kochen, Opas – werken, bauen, Väter – Information)"
Endmoderation Jo Conrad: "Wir senden hier auch etwas aus. Es kommt ein Massenbewusstsein in das morphogenetische Feld ..." Michael Vogt: "Und irgendwann sind wir die 99%." (Applaus) "Wenn wir ans Herz gehen, dann sind wir in einer anderen Qualität, die ist nicht zu erreichen für Manipulation." ... "Hambacher Fest 2.0"
Meditationsfrau macht Abschluss und bedankt sich bei den "Männern im Hintergrund", dass sie hier für alle Frauen reden darf, ohne darum kämpfen zu müssen (Applaus). Dann Mediation mit Händchenhalten im Kreis (fast alle machen mit): "Atmet durch die linke Hand ein und durch die rechte Hand aus." Am Ende: "Das war Nineeleven Germany - und jetzt umarmt Euch, was das Zeug hält!"
Reproduktion patriarchaler Frauen-Männer-Bilder und Deutschtümelei schon im Aufruf vor der Konferenz: "Integration von Frauenbewegungen, die sich mit den spirituellen Kräften verbinden und zur Heilung von Mutter Erde und vielen Menschen beitragen. Die Vereinigung der weiblichen und männlichen Kräfte birgt für uns ein riesiges Potential ... Ausrichtung an dem hohen geistigen Erbe der Deutschen"
Ging es um Geld? Ganz absurd ist die Frage nicht, denn auch vereinfachte Welterklärer_innen stellen ihre Spendenkonten und -kassen oft in den Vordergrund. So wie die Internetseite zur obigen Veranstaltung ...
Mit ihrer gezielten Art, kopfgängige und schnell akzeptierte Begründungsmuster mit hohem Empörungspotential zu verbreiten, gehören die einfachen Welterklärungen und "Verschwörungstheorien" zu den Populismen. Komplexe Einflüsse werden ebenso weggelassen wie Zweifel und Gegenbeispiele. Typisch ist, alle möglichen Geschehnisse auf das einmal als dominant erklärte Muster zu projizieren: "Siehste, schon wieder ...", heißt es dann schnell. Und so entstehen die sich selbst bestätigende Ideologie und der Glaube an deren Dominanz. Andere Erklärungsmöglichkeiten werden gar nicht mehr ins Auge gefasst. Es reicht der gelungene Versuch, das beobachtete Geschehen auf die als zentral empfundene Universalursache zurückführen zu können. Dass dafür immer wieder Details uminterpretiert oder hinzuerfunden werden müssen, geht im Gesamtempörungsmischmasch unter, der aus den populistischen Erklärungsmustern regelmäßig entsteht.
Empfehlungsliste auf Youtube (Screenshot am 28.5.2014): Hoher Anteil am Thema "Verschwörungen"
Typische Mischung aus dem KOPP-Verlag (führend in Literatur zu vereinfachten Welterklärungen): Sex, Verschwörung, Goldkauf
... und ein Jammern über die eigene Lage (vermeintliche Zensur, Ausgrenzung usw.)
Die endlosen Listen mit Vorwürfen wegen Zensur bieten eine perfekte Anschauung über das zentrale Wirkungselement vereinfachter Welterklärungen. Mitunter geht dieser eine eigene, durchaus nützliche und intensive Analyse der Mainstream- bzw. herrschenden Meinung voraus. Dann aber kommt das, was alle Weltvereinfachungen kennzeichnet: Die eigene Matrix, das politische Interpretationsmuster, wird auf die Angelegenheit gedrückt. So geschieht es im Buch „Die Akte Wikipedia“ von Michael Brückner. Minutiös werden die Manipulationen in der Online-Enzyklopädie aufgelistet – durchaus zumindest eine Fleißarbeit. Der Blick auf führende Personen und ihre Interessenlagen deckt die fraglos bestenden Machtapparate auf. Dann allerdings verfällt das Buch in einen Jammerstil, dass vor allem die eigenen Meinungen ausgegrenzt würden. Schnell werden Feindbilder ausgemacht: Die Linken müssen das Projekt "Wikipedia" beherrschen. Beweise für diese These liefert das Buch nicht. Wer Kapitel über "Gentechnik" oder andere Themen durchliest, stellt auch schnell fest, dass diese Auffassung absurd ist. Wikipedia ist ein Projekt der gesellschaftlichen Eliten - konzernnah, technizistisch und feindlich gegenüber allem, was Markt und moderne Rechtsstaaten kritisch sieht.
Vom gleichen Autor, zusammen geschrieben mit dem ebenfalls als Enthüllungsschreiber mit bemerkenswertem Buchausstoß bekannten Udo Ulfkotte, stammt „Politische Korrektheit“. Es ist eine dramatisch daherkommende Sammlung von Fallbeispielen für vermeintlich absurde gesellschaftliche Zustände und Akzeptanz des Schlechten. Fast überall lauert das Böse – stets bereit, die Rechtschaffenen und das Lieblingsopfer aller bösen Mächte, die Deutschen und ihr Land, zu unterdrücken. Klassisch die Zweiteilung: Zum Teile gute Kritik herrschender Meinungen, gepaart mit überwiegend quellenlosen und regelmäßig frei konstruierten Herleitungen, in denen die vorab vorhandene Interpretationsmatrix deutlich wird. Auffällig ist die Schludrigkeit des Buches, welches – angesichts der Schreibwut der Autoren vielleicht nicht überraschend – bemerkenswerte Schnellschüsse an die Stelle von Argumenten und Logik setzt. Nicht immer ist es dabei so seltsam wie auf Seite 200, wo oberflächliches Wissen über Kriminalitätsstatistiken mit der Matrix des Ausländer_innenhasses belegt wird: „Dabei sind in Deutschland bei Mord und Totschlag 28 % aller Täter Ausländer – Tendenz steigend“ (immerhin mit Quellenangabe: Die BILD-Zeitung). Dann folgt der Satz: „Nimmt man Totschlag noch mit hinzu, dann stellen Ausländer mehr als ein Drittel der Tatverdächtigen.“ Eine schöne Kombination: Erstens war Totschlag bei ersten Satz schon drin, zweitens wechselt der Begriff ganz unmerklich von „Täter“ auf „Tatverdächtiger“. Dass häufiger Nicht-Deutsche verdächtigt oder z.B. kontrolliert und deshalb gefasst werden, könnte auch ganz andere Ursachen haben … z.B. der Hass gegen alles Fremde, den die Autoren zwei Seiten weiter offen zeigen: „Deutsche werden regelmäßig von Migranten grundlos auf der Straße zu Tode geprügelt.“ Welch ein Satz – und schon rein logisch ganz unverständlich: Was ist denn mit regelmäßig gemeint? Jeden Dienstag um 12.21 Uhr? So geht es Thema für Thema, alles wird irgendwie angerissen und dann teils bemerkenswert oberflächlich abgetan. Kostprobe: „Dummerweise ist Gender bei näherer Betrachtung nichts anderes als Blödsinn“ (S. 279).
Das Buch "Unzensiert 2013" von Andreas von Rétryi überrascht durch zweierlei. Zum einen enthält es keine einzige Quellenangabe. Das ist für ein Werk, welches als Enthüllungsbuch auftritt, schon bemerkenswert. Offenbar scheint der Autor der Meinung zu sein, dass das einfache Erzählen von Stories, die empören sollen, reicht. Zum zweiten sind in dem Buch wenig Sachen zu entdecken, die nicht schon aus den Mainstreammedien bekannt sind. Es sind also gerade keine unterdrückten Informationen, die nun über dieses Buch ans Tageslicht kommen, sondern all das, was als zwar von der Durchschnittsmeinung abweicht, aber durchaus längst bekannt ist. Das ist selbst für den Kopp-Verlag unüblich, der ja regelmäßig quellenlosen Empörungsjournalismus Raum bietet, aber meist nicht auch noch derart langweilig geschrieben.
Aber eigentlich ist es selten mehr als die Projektion eigener Annahmen auf das Geschehen in der Welt
Zentrales Mittel der Konstruktion ist das Hineinpressen von vorher feststehenden Interpretationen in ein Geschehen, d.h. es gibt keine Ursache, aus der sich das Geschehen entwickelt, sondern es passiert etwas und dann wird es der Denkschablone entsprechend interpretiert. Anschließend erscheint die Sache dann so, als hätte die benannte Ursache. Berühmtestes Beispiel sind die einstürzenden WTC-Türme in New York am 11.9.2001. Angesichts der Vielzahl an Interpretationen ist ein Durchdringen zu den Ursprungsvorgängen kaum (noch) möglich. Aber es geschah, was vorher klar war: JedeR an den Spekulationen Beteiligte projizierte seine Erwartung in das Geschehen. So fand die US-Regierung islamistische Gruppen als Täter - es hätte nicht anders kommen können im Jahr 2001. US-feindliche "VerschwörungstheoretikerInnen" entdeckten hingegen, was sie immer schon im Kopf hatten: Die CIA. Antideutsche nannten die Palästinenser usw. Recherche ist dafür nicht nötig.
So ging es bei zahlreichen anderen Fällen - und fast alles wird heute gerichtet interpretiert: Der Abgang von Bundespräsidenten, Doktortitel-BetrügerInnen oder Päpsten ... alles wird zur großen Verschwörung.
In der Abbildung ein Beispiel aus der Nachrichtensammlung von solchen einfachen Welterklärungen, diesmal zum Amoklauf von Winnenden. Keine Quelle wird genannt, überwiegend nur spekulative Punkte aneinandergereiht. Aber im Kopf bleibt hängen: Da stimmt was nicht - böse Mächte haben da was manipuliert. Dabei ist nicht gesagt, dass das falsch ist. Das lässt sich gar nicht beurteilen, denn die Interpretation folgt einem gerichteten Blickwinkel, d.h. kümmert sich nicht um eine Analyse, sondern projiziert das vorher feststehende Ergebnis auf das Geschehen. Rein statistisch ist wahrscheinlich, dass ab und zu auch mal der eine oder andere Punkt stimmt. Darauf kommt es aber gar nicht an.
Rechts und unten: Beispiele aus "Stimme&Gegenstimme" mit einfachen Spekulationen über Morde als Mittel der Beschneidung des (offenbar gewünschten) Waffenbesitzes (also Lobbyarbeit pro Waffenbesitz).
Im Original: Alles taugt für Erklärungsmysterien ... Diese Zitate ausblenden ++ Alle Zitate aus / einblenden
Aus dem Katalog des KOPP-Verlages:
... und: Titanic-Untergang, Rücktritte von Wulff oder Papst Benedikt ...
Da stören dann auch nicht mehr ... absurde Widersprüche
Es sind zu großen teilen die gleichen Leute, die ...
erstens behaupten, dass Chemtrails gegen den Klimawandel gesprücht werden ... und zweitens, dass es den Klimawandel gar nicht gibt.
erstens die USA bzw. ihre Eliten als Quelle aller Lügen und des Bösen schlechthin an den Pranger stellen ... und zweitens mit der Leugnung des Klimawandels genau eine Position von dort übernehmen.
erstens das Finanzkapital als Weltherrscher und das Böse bezeichnen ... und zweitens die totale Marktorientierung wollen (Anarchokapitalismus, Freiwirtschaft u.ä.)
Vereinfachte Welterklärungen an Beispielen
Es gibt unzählige Verschwörungsmythen und vereinfachende Erklärungsmuster für komplexe, gesellschaftliche Phänomene. Viele davon werden in möglicherweise etwas gelangweilten Kreisen immer wieder neu erzählt und sorgen für Entrüstung ohne jegliche Relevanz für eigenes Leben oder öffentliches Wirken. Ob es die im Winde flatternde Fahne bei der ersten Mondlandung ist (auf dem Mond gibt es doch gar keinen Wind ...) oder irgendwelche seltsamen Wetterphänomene sind - es gibt mindestens so viele Geschichten, wie rotwein-feuchte Abende oder andere Anlässe vorbeiziehen, bei denen solche Ideen entstehen. Nicht dass die empörten Berichte immer völlig aus der Luft gegriffen sind - aber trotz auch anderer möglicher Erklärungen ziehen sie im Schnellschuss das gewünschte Fazit. Viel schlimmer aber: Sie sind für das praktische Leben so interessant wie eine verpasste oder, schlimmer, mitverfolgte "Wetten, dass ..."-Sendung.
Einige der Erzählungen und Erklärungsmuster tauchen gerne in politischen Debatten auf. Das ist nicht überraschend, denn "Verschwörungstheorien" bieten einfache Erklärungsmodelle für eine als unbefriedigend empfundene Lage. Wer immer die Entwicklung der Welt nicht mag, wer Ungerechtigkeiten spürt oder selbst in einer unfreundlichen Lebenslage schmort, kann mit "Verschwörungstheorien" zwar keine Verbesserung erreichen, aber wenigstens die Schuldfrage abhaken, ohne allzuviel Denkkraft zu investieren. Es wäre nämlich anstrengend, die eigene oder allgemeine Situation mit ihren vielen Mechanismen, Konkurrenzen, Deutungs- und Funktionseliten in modernen Herrschaftsstrukturen auch nur annähernd zu erfassen. Aber genau das ist nötig, um zu begreifen, warum was geschieht. In der Komplexität bestehender Hierarchien und Diskurse haben Menschen zwar unterschiedliche Gestaltungsmacht, d.h. es existiert ein - mitunter sehr steiles - Gefälle der Macht. Doch nirgendwo hat das Geflecht hegemonialer Teile und Mechanismen ein klares Zentrum.
Umweltzerstörung, Globalisierung und Kapitalmacht sind besonders häufige Kontexte für vermeintlich enttarnte Verschwörungen oder vereinfachte Welterklärungen. Einige von ihnen sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden - ohne Anspruch auf Vollständigkeit sowohl hinsichtlich der Liste von Theorien wie auch der möglichen Varianten und skeptischen Fragen bis Widerlegungen. So wenig wie Vereinfachungen die Wahrheit widerspiegeln, als deren Enthüllung sie sich gern inszenieren, so wenig hat auch dieser kritische Text einen Anspruch auf höhere Erkenntnis. Der Feind aller Vereinfachung und Verkürzung ist die bohrende Skepsis, also das ständige Hinterfragen. Das gilt immer. Folglich sollte auch diese Kritik am Vereinfachten nicht als neue Wahrheit akzeptiert werden. Möge einiges auch noch so einleuchtend klingen ...
Zu den einzelnen "Theorien", Personen und Hintergründen werden Links angegeben, die zum Teil auf die Seiten der Benannten selbst führen oder auf Seiten über diese. Dazu gehört www.psiram.com - eine Art Wikipedia vereinfachter Welterklärungen. Die Quellenlage ist dort mitunter schwierig und deutet an, dass auch die Kritik eher vom Sofa und vereinfachend formuliert wird. Dennoch ist es die umfangreichste Datenquelle mit Links und vielen Zusatzinformationen, weshalb ein Blick dorthin in der Regel lohnt. Selbst zu denken, ist ja ohnehin immer gut - also auch (und gerade) bei Psiram ... und auch bei diesem Text!
Mythen über Deutschland
ChemTrails
Genderismus
Weltbeherrscher
Weltuntergänge
AkteurInnen
Politische Bewegung und vereinfachte Welterklärungen
Richtig dumm: Was „Verschwörungstheoretiker_innen“ so von sich geben ...
... und trotzdem angesagt sind. Oder deshalb?
Wenn Akif Pirincci sein Buch „Deutschland von Sinnen“ schon auf dem Titel mit dem Zusatz „Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“ versieht, ahnt mensch schon nichts Gutes. Denn mit dem „Kult“ um die drei Gruppen, die zusammen die überwältigende Mehrheit der Menschen stellen, sind nicht extravagante bis exotistische Bühnenshows oder Comingsouts in den Glamoursphären der Gesellschaft gemeint, sondern der Versuch, Benachteiligungen und Unterdrückung von Menschen aufzuheben. Dass dabei nicht immer alles sinnvoll ist oder für andere Zwecke genutzt wird – geschenkt. Wo ist das nicht. Aber Pirincci macht aus seinem Hass und offenbar aus Langeweile ("da ich grad nix Besseres zu tun habe") eine Anklageschrift, noch dazu in einem Stil, der seinem selbst benannten Ziel gerecht wird: „Ich hoffe trotzdem inbrünstig, daß ich Sarrazin in dieser Beziehung mit dem vorliegenden Buch den Rang ablaufen werde“.
Nirgends erklärt wird, wie die Buchreihe, die Pirincci jetzt berühmt machte, zu ihrem Namen kam: „Lichtschlag in der Edition Sonderwege“ steht unten auf dem Titel. Ein Autor der Edition ist Andre F. Lichtschlag. Wäre er der Namensgeber, würde das passen. Denn in seiner neoliberal-weltvereinfachenden Zeitschrift „eigentümlich frei“ (Sept. 2014, S. 34) findet sich der wohl dümmste Spruch zum Thema Frauen und Gleichberechtigung: „Eine für den Mann kochende Frau ist ein transzendentales Urerlebnis, vergleichbar mit dem Öffnen des ersten Dosenbiers, dem Jagen eines wilden Tieres oder dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft.“
Im Original: Princci von Sinnen ... Diese Zitate ausblenden ++ Alle Zitate aus / einblenden
Aus Akif Pirincci (2014), „Deutschland von Sinnen“, Edition Sonderwege
Deutschland, o du goldenes Elysium! Du kraftvoller Stier! Du bist die Macht, die ganz Europa trägt! Du bist das schönste aller schönen Länder! Du bist das warme Licht des Südens und das kühle Meer des Nordens, darüber die sternenklare Nacht! Niemals möge der Adler seine wachsamen Augen von dir abwenden, und immerdar mögen seine scharfen Fänge und sein starker Schnabel dich beschützen! Du bist das Paradies, und ganz gleich, wieviele Hurensöhne dich noch verraten werden, am Ende wirst Du sie alle überleben.
Wären wir bei einem Blogeintrag im Internet, würde der Leser jetzt auf den für Begriffsstutzige ausgedachten Zusatz »Ironie off« warten. Von wegen, ich meine es wirklich ernst! Dort, wo ich herkomme, heißt die Heimat nicht Vaterland, sondern Mutterland. Und so nenne ich auch dich, meine Hübsche, »Mutter«, auch wenn ich nur dein Adoptivsohn bin. Aber du hast es mich nicht spüren lassen. Keine Sekunde lang.
Wie augenschmeichelnd du daherkommst. Grün bist du, oben vom Flugzeugfenster aus betrachtet, grün, nichts als grün, mit Einsprengseln von pittoresken Dörfern, kleinen Ortschaften und wenigen Großstädten, und selbst die schwelgen in Grün. Ein einziger Naturpark. Deine Wälder, deine riesenhaften und geheimnisvollen Wälder, in denen die deutsche Seele fest verankert sein soll, in denen Arminius' Herz blutete und sich einst Hänsel und Gretel verirrten. Deine Seen, deine Flüsse, dein Wasser wußtest du, daß das erste Mineralwasser aus einer deiner Quellen in die Welt kam? Viele Namen stehen für dich; der schönste ist Grimm. Durch ihn nistest du dich ein in die Seelen der Kinder, wo immer diese auch leben. Beim Erfinden warst du schon immer spitze. Du hast den Computer vor dem Computer erfunden und die Rakete vor der Rakete. Ohne deinen Erfindungsgeist existierte nicht die moderne Welt, wie wir sie kennen. »Wir sind alles, ihr seid nichts!« Ironie on. Aber nur ein bißchen. Denn mia san mia! … (S. 11)
Man darf in diesem Land in einer Kneipe nicht mehr rauchen, aber nach der eingeatmeten rauchfreien Luft einer Kneipennacht und deren süßer Folge ein Kind abtreiben. Und die komplette linksversiffte Presse applaudiert dazu. … (S. 12)
Geisteskrankheit namens Gender Mainstreaming ... (S. 16)
Und so ist die Ehe vor Urzeiten für die Stabilität einer Familie »erfunden« worden und keineswegs, damit man eine tolle Party namens Hochzeit feiert und anschließend dem Familienmodell »Papa, Papa, Strichjunge« frönt. … (S. 21)
die Schwulen und Lesbenlobby ist hierzulande die mächtigste gleich nach dem Beamtenbund … (S. 23)
Ich werde jetzt erklären, wie es dazu kam, daß aus den tapferen Deutschen, brüderlich mit Herz und Hand, das größte Hosenscheißervolk der Welt wurde. … (S. 83)
Enteignungen von Privatvermögen zugunsten von Sozialparasiten oder Parasitenstaaten, Sozialklimbim noch und nöcher und Wohltaten für alles und jeden … (S. 87)
Da ich grad nix Besseres zu tun habe, zähle ich mal schnell die öffentlich rechtlichen Hörfunkprogramme auf: … (S. 178)
Und mehr Vertreter von Umweltverbänden sind diesmal dabei. Schließlich muß ja jemand das doofe Volk via Staats-TV mit der Lüge versorgen, daß es eine tolle Sache ist, wenn es durch den Umwelt- und Energiewende-Schwachsinn immer mehr verarmt. Diese Lüge wird clever bearbeitet, und das Volk wähnt sich mittels Klimawandel Horrorszenarien sogar im eiskalten Mai in den Tropen. Vertreter von Umweltverbänden (also gewissenlose Naturhasser und Umweltschänder a priori) … (S. 181)
Der deutsche Intellektuelle der Gegenwart ist von Natur aus dumm, … (S. 200)
Sobald jemand unter Sarrazin-Verdacht gerät, ist er praktisch schon tot. Ich hoffe trotzdem inbrünstig, daß ich Sarrazin in dieser Beziehung mit dem vorliegenden Buch den Rang ablaufen werde, … (S. 214)
Die zweite Todsünde der Frauenbewegung war der Umstand, daß sie sich von Lesben infiltrieren und dominieren ließ, bei näherem Hinsehen hauptsächlich einer Lesbenveranstaltung auf den Leim ging, welche man nach außen hin als »die Sache der Frau« verkaufte. Da sieht man mal wieder, wie manipulierbar Frauen sind, um nicht das Wort »doof« in den Mund zu nehmen. (S. 248)
Können "Verschwörungstheorien" auch zu etwas nützen?
Ja - und zwar sogar zweifach.
Teilweise gute Analyse offizieller Erklärungsversuche
Zum einen starten viele vereinfachte Welterklärungen mit einer deutlichen Skepsis gegenüber offiziellen Verlautbarungen. Das ist im Prinzip gut, um die Mechanismen von Manipulation, Diskurssteuerung und Erfindungen zu demaskieren und sich aus der Ohnmacht angesichts ständiger Fälschungen aus Herrschaftskreisen und Funktionseliten von Politik, Wirtschaft, Medien, Bildung und Justiz zu emanzipieren. Doch ein Lossagen allein von herrschenden Diskursen ist zu wenig. Es muss ein allgemeines, skeptisch-analytisches Denken hinzukommen - also eines, dass sich auf die eigenen Ideen, Recherchen und Analysen bezieht. Doch leider werden die eigenen Interpretationen und Erklärungen den Anforderungen, die "VerschwörungstheoretikerInnen" an regierungsamtliche Erklärungsmodelle stellen, selbst nicht gerecht. Sie sind regelmäßig platte Vereinfachungen und lassen bei ihren AutorInnen genau jene Denkschärfe vermissen, mit der die offiziellen Welterklärungen abgelehnt werden. Das beschriebene Fallbeispiel 9/11 zeigt das gut: Teilweise sauber recherchierte Enthüllungen der Lügen und Verdrehungen offizieller Seite, aber dann leider eigene Storys, die genauso vereinfachende Schlussfolgerungen ziehen. Das ideologische Ziel prägt die Analyse - hüben wie drüben: Die einen wollten den Islam oder wahlweise anzugreifende Staaten als Verursacher konstruieren - und dabei vertuschen, welchen Anteil sie selbst an der Ausbildung und Ausstattung der als zentral inszenierten "TäterInnen" hatten. Die anderen wollten die bösen USA brandmarken, um bei passenden Gelegenheiten auch noch kleine Nebenstorys mit einzubauen, die wie zufällig Finanzkapital, Israel und andere Bilder in die Gesamtkomposition des Bösen einfließen lassen.
Skeptizismus ist eine wunderbare Sache, hält das ständige Hinterfragen doch den eigenen Kopf in Schwung. Misstrauen nur gegenüber anderen, aber nicht gegenüber eigenen Welterklärungen zu hegen, ist aber kein sonderlicher Fortschritt. So werden nur die einen gerichteten und manipulativen Erklärungen durch andere ersetzt.
Einfache Erklärungen des Schlechten (Bösen?) in der Welt benennen oft gesellschaftliche Defizite, die auch aus emanzipatorischer Perspektive kritisiert werden müssen. Das gilt auch für ihre größeren Geschwister, die "Verschwörungstheorien". Der Fehler liegt meist nicht in der Benennung der Mangelsituationen, sondern in pauschalen oder frei erfundenen Verknüpfungen von Ursachen und Wirkungen bzw. der Überbetonung von Einzelaspekten zur Hauptursache.
"Verschwörungstheorien" und einfache Welterklärungen überhöhen in der Regel Teil- oder Scheinursachen gesellschaftlicher Abläufe zu Regelmäßigkeiten, die Dogmen gleichen. Statt eines analytischen Blickes wird der feststehende Erklärungsansatz auf alles angewendet und, wenn nötig, passend zurecht gebogen. Mit diesem Prinzip ähneln sie Religionen, esoterischen Lehren und einigen nicht-religiösen Ideologien. Zwar mag das jeweilige Muster, durch das alles betrachtet wird, unterschiedlich und in manchen Fällen (z.B. dem dogmatischen Marxismus) als Teilerklärungsansatz sogar tauglich sein. Doch wenn es alleinig, ständig und alternativlos angewendet wird, formt der Blickwinkel das Geschehen so stark, dass es zum prägenden Faktor wird. So geschieht es auch bei den "Verschwörungstheorien".
Hinzu kommt, dass sich die Erklärungsmuster ähneln können. So bewegen sich Metaphern von höheren Mächten, externen Energien oder geheimnisvollen Verbindungen zwischen den Menschen nahe an Erzählungen aus der Esoterik. Allmachtsphantasien aus Religion können denen in "Verschwörungstheorien" gleichen. Und die Reduzierung des Bösen in der Welt auf das Finanzkapital ist nicht so weit weg von der marxistischen Idee, die Welt sei Ökonomie.
Denkhilfe als schlechtes Beispiel
Zum anderen kann jedes schlechte Beispiel zum kritischen Hinterfragen und Fortentwickeln des eigenen skeptischen Denkens dienen. Denn mit kritischem Blick entlarvt sich schnell selbst, dass und wie bei "Verschwörungstheorien", einfachen Welterklärungen und verkürzten Gesellschaftskritiken gearbeitet wird. Da die Vereinfachungsmuster denen der vermeintlich entlarvten Mächtigen und Institutionen dieser Welt stark ähneln, hilft die kritische Auseinandersetzung mit "Verschwörungstheorien" und einfachen Welterklärungen als Training gegen das, was überall Diskurse hervorruft, gestaltet und steuert: Weglassen, täuschen, vereinfachen. Analytisches Denken folgt keinem festen Schema und hat keine vorhersehbaren Ergebnisse. Es ist das ständige Aktivbleiben im Kopf. Nichts und niemand darf davor sicher sein, kritisch beäugt zu werden.
Gegenmittel: Skeptisches Denken
Eigentlich hätten die ideologischen Propagandamaschinen von Regierungen, Institutionen, Konzernen, "think tanks" und anderen bessere Gegner_innen verdient als die lange Palette der Welterklärer_innen unterschiedlicher Vereinfachungsgrade von Anti-Finanzkapital bis zu Weltverschwörungen kleiner Kreise oder Außerirdischer. Doch unabhängiges Denken, Hinterfragen, Recherchieren und Gegenöffentlichkeit sind rar. Dabei wäre genau das ein wirksames Gegengift zur Manipulation des Kopfes: Das Nutzen und dabei Trainieren des eigenen kritischen Denkens.
Es gibt keine Pillen gegen verkürzte Analysen. Skeptisches Denken ist eine Form hinterfragender Wahrnehmung aller Informationen und Eindrücke. Es fühlt sich anstrengend an – am Anfang. Wer aber das skeptische Denken zum Alltag macht, wird merken, wie der Kopf mitgeht und zu einem verlässlichen Werkzeug wird, sich von nichts und niemandem mehr einfach einlullen und zu einer neuen „eigenen“ Meinung bringen zu lassen. Wer genau hinguckt und hinterfragt, emanzipiert sich nicht nur von vorgekauten Informationen und Wertungen aus offiziellen Ecken, sondern benötigtz gar keine gutgläubige Übernahme wohlklingender oder scheinbar schlüssiger Erklärungsversuche mehr. Alles, was mit einfach erscheinenden Erklärungen herüberkommt, sollte kritisch beäugt werden. Oder besser: überhaupt alles. Denn dazu ist der Kopf da - und das beste Gegengift zu "Verschwörungstheorien" und Regierungspropaganda heißt schlicht, immer skeptisch zu sein, zu hinterfragen und viele Quellen zu nutzen. Beginnt gleich mit diesem Text: Auch er ist keine unhinterfragbare Weisheit. Nichts ist eine Bibel - schon gar nicht die Bücher, die sich dreist auch noch so nennen, um besonders wichtig genommen zu werden. Dein Kopf ist der Partner, auf den Du Dich am meisten verlassen kannst in dem Sinne, dass Du einen immer Einfluss auf die Faktoren hast, die in ihm wirken. Jedoch bedenke, dass jeder Mensch - also auch Du - eine lange soziale Zurichtung abbekommen hat, unter den Diskursen der Zeit steht und sich all das in der Art der Wahrnehmung und Wertung verfestigt hat. Das lässt sich nicht abstellen, aber es gibt Hilfsmittel, um den eigenen Projektionen und erst recht denen anderer auf die Schliche zu kommen.
Kritisches Hinterfragen hat viele Vorteile, unter anderem auch eine bessere Abwehr gegen das Eindringen rechten und anti-emanzipatorischen Gedankenguts in eigene Überzeugungen. Das ist vielerorts nötig, z.B. in der Gentechnikkritik: Da treiben sich mitunter mehr oder weniger offen NPDler_innen herum, weit häufiger aber noch krude Heimatschützer_innen bis zu Menschen, die einem erzählen wollen, hinter allem stünden jüdische und/oder US-amerikanische Konzerne, Geheimdienste oder gar Außerirdische. Die Ausweitung einer herrschaftskritischen und emanzipatorischen Position bietet die notwendige und deutliche Abgrenzung gegenüber solchen und anderen antiemanzipatorischen Blickwinkeln. Am besten wird sie mit dem offensiven Formulieren einer Zukunft kombiniert, in der nicht die Zunahme von Kontrolle, Macht und Reglementierung, sondern deren Verschwinden die menschliche Produktivkraft für ein besseres Leben nutzbar macht. Solange aber nur Sorgen um Gesundheit und Umwelt die Kritik ausmachen, können sich Rechtsextreme, Freund_innen entfesselter Regulierungswut durch immer neue Gesetze und Ordnungstruppen ebenso problemlos einreihen wie die Anbeter_innen fremder Mächte von kosmischer Energie bis zu irgendwelchen Göttern, deren Willen zu befolgen sei oder deren Werke mit der Gentechnik besudelt würden. Die Unterschiede würden nicht auffallen. Sie wären im Kern ja auch gar nicht vorhanden. Wo aber eine emanzipatorische Orientierung prägend wird, entspannt sich die Lage. Wer sich um die Machtfülle von Staaten oder Göttern, die Reinheit von Völkern oder die Unversehrtheit von Heimat sorgt, steht dann im Widerspruch dazu. Abgrenzungen wären nicht mehr nötig, weil eine inhaltliche Nähe fehlt.
Dem skeptischen Hinterfragen steht der Verlust einfacher Orientierung im Leben gegenüber. Die schönen Klarheiten, die bisher den festen Anker des eigenen (politischen) Denkens bildeten, verschwinden. Ebenso fehlen geistige Führungsfiguren, Leitideologien und -kulturen. Fortan ist nichts mehr selbstverständlich, sondern die - sich durch Übung schärfenden - Sinne beobachten, hinterfragen, analysieren. Bei Bedarf werden Menschen selbst recherchieren, unangenehme Fragen stellen. Nichts ist schon vorher klar, nichts mehr einheitlich. Die Gesellschaft besteht nicht weiter aus festen Kategorien, sondern zerfällt in eine unendliche Vielfalt, die zudem dynamisch ist, d.h. sich ständig verändert. Sie ist eine Welt, in der viele Welten Platz haben.
Was immer gilt: Kritische Analyse statt feststehender Wahrheiten
Zum skeptischen Denken gehört auch die prinzipielle Skepsis gegenüber eigenen, gerade für sinnvoll gehaltenen Analysen und Überzeugungen. Es gibt keine Dogmen und keine Wahrheiten. Jede Meinung, die sich selbst für ewig richtig hält, ist ein Dogma. Denn wer heute meint, dass eine Überzeugung auch morgen noch Bestandskraft haben soll und wird, definiert sich selbst außerhalb der Fortentwicklung von Wissen und Möglichkeiten. Das machen aber nicht einmal PhysikerInnen auf der Suche nach dem Ursprung der Materie - warum also sollte es bei Erklärungsmodellen für soziale Abläufe gelten, wo doch dort deutlich mehr verändernde Einflüsse und grundsätzliche Möglichkeitserweiterungen hineinspielen.
Die kritisch-skeptische Analyse sei daher geübt und zum Alltag des Denkens gemacht. Sie stellt mindestens die folgenden Fragen an jede Information:
Werden Quellen genannt? Wenn ja: Welche sind das?
Sind Analogien, wenn sie vorgenommen werden, passend? Oder behaupten sie Scheinähnlichkeiten, die sich tatsächlich nicht vergleichen lassen?
Welche Interessen bzw. Motive stehen hinter Entstehen oder Verbreitung der Information?
Enthalten die Informationen Projektionen, d.h. werden bestimmte Vorurteile oder vorher feststehende Bilder in ein Geschehen hineininterpretiert?
Wo sind Zirkelschlüsse da, d.h. wo wird A mit B begründet und dann B mit A?
Werden aus Einzelinformationen Verallgemeinerungen gemacht?
Werden komplexe Sachverhalte auf einzelne Informationen vereinfacht bzw. aus vielen denkbaren Ursachen nur eine genannt?
Welche Sprache (z.B. zu einem bestimmten Denken drängende Wörter wie "sollst, wirst, ist, wahr, objektiv, bewiesen ...") und welche kulturellen Codes enthält die Information?
Ist ein missionarischer Geist erkennbar?
Aus "Eine herrschaftskritische Warnung" von Jörg Bergstedt, im Text: "Gentechnik und Herrschaft: Eine Kritik aus emanzipatorischer Perspektive"
Aus der Idee von Unbestimmtheit der Zukunft folgt aus herrschaftskritischer Sicht eine Position, die manch radikalem/r GentechnikgegnerIn vielleicht zunächst aufstößt: Es ist nie emanzipatorisch, die Zukunft festschreiben zu wollen. Über das Geschehen in einigen Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten entscheiden nicht die Menschen jetzt, sondern dann. Deshalb ist es problematisch, nicht rückholbare Veränderungen vorzunehmen. Zwar ist Wandel auch immer ein Teil von Natur und Kultur (die ohnehin nicht trennbar sind), aber dennoch müssen grundlegende Eingriffe besonders gut überlegt und begründet werden. Das ist ein wichtiges Argument gegen Gentechnik. Allerdings folgt daraus nicht, dass auch unter gewandelten, z.B. herrschaftsfreien Verhältnissen jede Gentechnik abzulehnen ist. Denn diese Situation ist aus der heutigen heraus nicht wirklich plan- und vorstellbar. Daher wäre eine Festlegung ein anti-emanzipatorischer Akt, weil es Menschen der Zukunft Handlungsschranken auferlegen will. Daher sollte eine emanzipatorische Kritik der Gentechnik immer die konkreten Formen dieser Technik benennen und die Rahmenbedingungen, unter denen sie steht. Daraus kann eine grundlegende Ablehnung der Gentechnik folgen, denn alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens unterliegen aktuell sowohl der Profit- wie auch der Machtmaximierung, z.B. auch die Medizin. Es ist sogar sehr naheliegend, die Gentechnik unter aktuellen Bedingungen ganz abzulehnen. Aber eben nicht für immer, weil es grundsätzlich nicht sinnvoll ist, für Situationen etwas festlegen zu wollen, die mensch nicht kennt. Jedenfalls aus herrschaftskritischem Blick wäre das fatal. Denn die radikal herrschaftskritische Perspektive ist dort aufgehoben, wo aus politischen Positionen, die aus aktuellen emanzipatorischen Überlegungen resultieren, feststehende, nicht mehr hinterfragbare Dogmen werden. Herrschaftsfreiheit kennt keine Klarheiten außer der, dass immer die Menschen selbst der Ausgangspunkt sind. Nichts steht höher als sie - keine Religion, Moral, kein Gesetz und keine Ideologie, auch wenn viele das behaupten oder mit Macht durchsetzen.
Zur Dynamik von Welt und menschlicher Gesellschaft
10 Regeln um Verschwörungstheorien zu bremsen – Fallbeispiel Ukraine
Von Schein gesteuerter Verhältnisse
Der Verdacht, etwas sei von zentraler Hand gesteuert, entsteht oft (auch) deshalb, weil sich Verhältnisse ähneln.
Alle Industrienationen reißen sozialpolitische Standards ab und pumpen Großindustrie, neue Technologien und Banken voll Geld. Das kann doch kein Zufall sein ...
NATO-Länder und ihre Verbündeten zettern Kriege an und halten zusammen. Da zieht doch einer die Strippen ...
Bürgerliche Medien verschweigen Informationen, die bestehende Verhältnisse grundlegend in Frage stellen. Die werden doch von irgendwoher alle kontrolliert ...
Immer wenn ich mich über mir bislang unbekannte Firmennamen informiere, stecken große Konzerne dahinter. Da zeigt sich doch, dass nur Wenige Welt beherrschen ...
Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Doch der Schein trügt. Wer die tatsächlich spürbare Gleichschaltung von Verhaltensweisen als Beleg für die Steuerung durch zentrale Gruppen wertet, unterschätzt die Macht der Diskurse und Verhältnisse. Diese dringen nämlich viel tiefer in die Poren des Lebens ein, bis in die kleinsten Ritzen des Alltags. Fast alle Menschen, die über genügend Geld verfügen, leben in Wohnungen, wollen arbeiten, jagen Billigangeboten hinterher, gucken stundenlang pro Tag Fernsehen und Internet, glauben an die Existenz voneinander unterscheidbarer Geschlechter, Rassen usw. Für all das gibt es nirgends Steuerungsgruppen, die solches Denken verordnen. Sondern die Gesamtheit der Einflüsse prägen die Menschen (auch jede_n Einzelne_n von uns). So ist es auch im Großen: Alle Firmen müssen Profite machen und Kapital akkumulieren - bei Strafe der Insolvenz. Ihre Angestellten sind die Vollstrecker_innen dieses Zwangs. Sie sind damit Marionetten - aber nicht konkreter Machtkreise, sondern der Verhältnisse und Interessen, die von einer amorphen Sphäre von Elite exekutiert wird.
Als Beispiel mag Wikipedia dienen. Wer meint, das sei eine offene Plattform, bei der alle mitarbeiten können und so verschiedene Blickwinkel auf eine Sache geworfen werden können (was herrschaftstheoretisch und wissenschaftlich das Beste ist, was erreichbar ist), irrt. Wikipedia vertritt die - völlig unwissenschaftliche - These, dass es Wahrheit gibt. Diese folgt aus einem "neutral point of view" (NPOV). Doch so etwas können Menschen gar nicht haben. Tatsächlich ist es die Meinung derer, die bei Wikipedia die Macht haben. Wird etwas Abweichendes geschrieben, so zensieren die Adminstrator_innen (eine Art Wikipedia-Polizei) das Unerwünschte weg. Statt Argumenten wird einfach behauptet, es sei nicht NPOV - also nicht die Wahrheit. Wie von Geisterhand gesteuert neigt nun Wikipedia dazu, tendenziell vor allem fortschrittsgläubige und pro-kapitalistische Positionen zu fördern. Doch die Geisterhand sind auch hier die Diskurse und Verhältnisse. Die Administrator_innen sind kein Querschnitt der Bevölkerung, sondern Akademiker_innen, die viel am Computer machen. Sie wollen sich zudem bei den Bildungseliten einschleimen. Und schließlich braucht das Projekt nicht nur Anerkennung bei den Eliten, sondern schlicht auch Geld. Alles zusammen reicht, um einen Druck auszuüben, der sich in Einseitigkeit niederschlägt. Eine direkte Steuerung bedarf es dafür nicht.
Extraseite zu Herrschaftsausübung bei Wikipedia
Konkrete Kritik mit umfangreicher Analyse verbinden
Konkrete Gegenpolitik muss greifbare Missstände oder Symbole thematisieren und angreifen, um wahrnehmbar zu werden. Das schafft die Gefahr, die Kritik auch auf den Einzelpunkt zu reduzieren, um so schnelle Erfolge oder gute PR zu machen. Da aber die Missstände immer auch einen komplexe Hintergrund haben, läge darin bereits eine Form der Vereinfachung. Gegenmittel ist, mit der konkreten Kritik die Benennung der dahinterliegenden Gesamtverhältnisse zu verknüpfen.
Im Original: Konzern- mit Gesellschaftskritik verbinden ... Diese Zitate ausblenden ++ Alle Zitate aus / einblenden
Aus einem Gespräch mit Axel Köhler-Schnura von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) zu Konzernkritik und zum Verhältnis zu den Gewerkschaften, in: Direkte Aktion, Nov 2014
Frage: Konzernkritik birgt ja immer so eine gewisse Gefahr, den Kapitalismus mit seinem Wachstumszwang zu verkürzen. Problematisch ist es ja etwa bei Banken, die gerne mal als Feindbild dienen. Besteht nicht schon eine gewisse Tendenz bei Kritik an einer Branche bzw. einem Unternehmen?
Das ist tatsächlich ein Problem. Es gibt die Gefahr, dass alle Probleme auf „die Konzerne“ oder „das Finanzsystem“ verkürzt werden. Deshalb ist es wichtig, dass Konzernkritik eingebettet ist in Gesellschafts- und Systemkritik und dass die gesellschaftlichen Zusammenhänge immer mitthematisiert werden. Das tun wir bei der CBG. Wir verstehen uns als kapitalismuskritisches Netzwerk und thematisieren die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mit ihrem Profitzwang mit. Wir haben sogar in den 80er Jahren mal ein Umbauprogramm für den Bayer-Konzern debattiert. Wir haben dann zum 125-jährigen Jubiläum des Konzerns einen Umbau-Kongress in Leverkusen organisiert, und da hat das eine große Rolle gespielt. Man kann einen Konzern nicht umbauen, ohne die Gesellschaft umzubauen. Wir bringen das auf die Formel, dass der Bayer-Konzern unter demokratische Kontrolle gestellt werden muss – wie alle Konzerne überhaupt. Und da wird sofort deutlich: Unsere konzernkritische Arbeit zu Bayer ist beispielhaft für die konzern- und gesellschaftskritische Arbeit insgesamt, mit „Verkürzung“ und „Branchenblindheit“ hat das nichts zu tun.
Wer klärt auf und enthüllt "Verschwörungstheorien"?
Es gibt eine Menge Menschen und Gruppen, die sich gegen vereinfachende Welterklärungen wenden. Von einem Teil dieser lässt sich leider auch nur wenig Gutes vermelden, denn sie demaskieren zwar mit herzerfrischendem Skeptizismus die kruden Thesen von Verschwörungen, wenden dann aber immer wieder selbst vereinfachte Muster oder Schubladen an. Das treibt das Ganze dann auf die Spitze: Die KritikerInnen derer, die bei der Kritik manipulierter, offizieller Informationen selbst manipulieren und vereinfachen, sind ebenfalls manipulierend und vereinfachend unterwegs!
Noch schlimmer: Fast alle leben - wie ihre KontrahentInnen aus der Verschwörungs-Ecke - in identitären Zirkeln, wagen sich nicht in offene Debatten und verkümmern spürbar auf dem eigenen, verbohrten Blickwinkel.
Etliche FunktionärInnen und Aktive aus dem Lager atheistischer bzw. humanistischer Verbände in Deutschland bekämpfen mit Inbrunst und analytischer Schärfe den Glauben an Überpersonen (wie Götter), klerikale Dogmen und Hierarchien sowie die daraus resultierende Unmündigkeit von Gläubigen. Viele wenden sich auch gegen metaphysische oder parapsychologische Erzählungen. Doch immer wieder neigen sie dazu, ihre eigenen Lehren als absolut zu setzen, organisieren in eigenen Schriften und auf eigenen Treffen Meinungseinfalt oder überziehen ihre KritikerInnen mit Kommunikationsblockern wie Rücktrittsforderungen. Der Idee von Vielfalt, Offenheit und Streitkultur folgt das nicht.
Die lange am meisten beachtete Internetseite hieß www.esowatch.org (später umbenannt in www.esowatch.com, inzwischen als www.psiram.com) reihte Daten zu Verflechtungen aneinander, konstruierte die Szene der "VerschwörungstheoretikerInnen" aber ganz ähnlich, wie diese die vermeintlichen WeltherrscherInnen beschreiben. Zudem war die Seite voller unbelegter Mutmaßungen und Fehler. Das ist bedauerlich, aber kennzeichnend für die starke Verbreitung vereinfachten Denkens. Eine Gegenkritik erfolgte dann auch prompt unter der schon bekannten Internetadresse www.esowatch.org, aber erneut mit vielen Vereinfachungen - quasi ein Wettbewerb des verkürzten Denkens. Wobei klarzustellen ist, dass diese Kritik nicht in Abrede stellen soll, dass auf Psiram auch viele wichtige Kritiken und Verflechtungen aufgedeckt werden. Ein Blick lohnt daher durchaus - aber skeptisch!
Einen meist ganz guten Eindruck von den Denklogiken vermitteln die bei vielen Veröffentlichungen angefügten Linksammlungen. Hier hat es Psiram in sich. Unter "Ökologismus" werden z.B. die Kritik an Atomenergie und Gentechnik lächerlich gemacht. Dabei werden wissenschaftliche Behauptungen aufgestellt (z.B. dass Gentechnik-Essen gesünder sei als Bio-Lebensmittel), für die es noch nie eine Forschung gegeben hat. Damit sind die "Verschwörungstheorie"-GegnerInnen genau auf dem gleichen Trip wie die von ihnen Kritisierten! Interessant ist oft auch, zu den AutorInnen zu recherchieren. Auch da zeigt Psiram Bemerkenswertes: Ökologismus-Gegner wie Beda M. Stadler empfehlen auf ihren Seiten z.B. die Seite "Achse des Guten" der Marktradikalen/Anarchokapitalisten Maxeiner und Miersch (zusammen mit Populist Henryk M. Broder). Ausschnitt aus der Linksammlung auf Psiram:
Ein weiteres Beispiel ist die Sprache auf Psiram - eine Art "Offenbarung" im wahrsten Wortsinn. Hier an einem Beispiel:
Zu seinen Aktivitäten soll Hirneise das pseudowissenschaftliche Werk Was Ärzte Ihnen nicht erzählen und Ansichten der Organisation people against cancer animiert haben. ...
Offenbar will er somit die Stimmungslage der Patienten heben, was diese sodann als "Heilung" empfinden können. ...
Offenbar ist Hirneise auch unter dem Pseudonym Prof. Dr. Peter Yoda der Autor eines "hochbrisanten Buches" in seinem eigenen Sensei-Verlag mit dem Titel Ein medizinischer Insider packt aus. ...
... heißt es in dem Buch, das offenbar ganz und gar nicht von einem Insider geschrieben wurde. ...
Kausanetik - Dieser an die Dianetik der Scientologen erinnernde Begiff ...
Und: Alle Zitate, die auf dieser
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