Zum Jahreswechsel haben in Deutschland 428 örtliche Stromversorger ihre Preise erhöht – das sind 52 Prozent aller Grundversorger. Diese Zahl ermittelte das Preisvergleichsportal Verivox. Auslöser für den Aufschlag ist diesmal nicht die EEG-Umlage, die zur Förderung der erneuerbaren Energien dient, denn diese ist zum Jahreswechsel um knapp 0,4 Cent je Kilowattstunde gesunken. Die Preiserhöhungen basieren vielmehr auf dem deutlich gestiegenen Strompreis im Großhandel: Nachdem die Notierungen für die Rund-um-die-Uhr-Versorgung (Grundlast) an der Strombörse vor einem Jahr noch bei rund 35 Euro pro Megawattstunde lagen, erreichen sie heute 50 bis 55 Euro. Das ist ein Anstieg von knapp zwei Cent je Kilowattstunde.
Entsprechend verteuerten manche Versorger zum Jahresbeginn deutlich ihre Tarife, manche im zweistelligen Prozentbereich. Damit vollzieht sich am Strommarkt eine Trendwende, denn über mehrere Jahre hinweg waren in Deutschland die Strompreise langsamer gestiegen als die Löhne. Manche Anbieter hatten ihre Tarife seit bis zu fünf Jahren konstant gehalten. Relativ zur Kaufkraft wurde Strom sogar billiger. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln errechnet alljährlich ein Kennziffer: die Kaufkraft je Lohnminute. Während der durchschnittliche Lohnempfänger im Jahr 2013 noch drei Stunden und 49 Minuten arbeiten musste, um sich 200 Kilowattstunden Strom samt monatlicher Grundgebühr leisten zu können, sank der Wert bis ins Jahr 2017 um 13 Minuten.
Diese Entwicklung dürfte sich 2019 aufgrund des Preisniveaus im Großhandel wieder umkehren. Das hat sich vor allem deswegen erhöht, weil die CO2-Zertifikate im vergangenen Jahr – politisch gewollt – deutlich teurer wurden. Deren Preis fließt in den Börsenstrompreis ein, weil Betreiber von Kohle- und Gaskraftwerken die Papiere für jede erzeugte Tonne CO2 vorweisen müssen. Zuletzt lag deren Preis bei über 20 Euro pro Tonne, nachdem er lange unter zehn Euro betragen hatte.
Getrieben wurde der Strompreis zudem durch Kraftwerksausfälle im Ausland – speziell in Belgien, wo es technische Probleme bei den alten Atomkraftwerken gibt. Da Belgien nun mehr Strom aus den Nachbarländern beziehen muss, erhöhen sich aufgrund der Verknappung auch in anderen Ländern die Preise.
Dass aus diesen Gründen auch bei Ökostromanbietern die Preise steigen, sorgt bei einigen Kunden für Verwirrung. Die Entwicklung ist gleichwohl logisch. Schließlich verkauft kein Produzent seinen sauberen Strom unterhalb des Referenzpreises der Börse. Wer als Kunde seinen Strom aus dem allgemeinen Netz bezieht, wird sich daher nie von den Entwicklungen des Marktes abkoppeln können.
Da hilft nur Eigenerzeugung, speziell mit Photovoltaik auf Dach oder Balkon. Schließlich kostet Solarstrom weniger als die Hälfte des Netzstroms. Auf Einfamilienhäusern ist die Eigenerzeugung einfach und längst etabliert. Auf Mehrfamilienhäusern ist die Sache hingegen komplexer – nicht aus technischen, sondern aus formalen Gründen. Um auch Bewohnern von Wohnungen den Preisvorteil des Solarstroms zu erschließen, trat im Juli 2017 das Mieterstromgesetz in Kraft, das die Eigenerzeugung auf Mehrfamilienhäusern regelt.
Anbieter von Mieterstrom müssen aber einige formale Dinge berücksichtigen, weshalb Hausverwaltungen und Wohnungseigentümergemeinschaften oft vor dem Aufwand zurückschrecken. Doch gibt es inzwischen Dienstleister – vor allem die großen unabhängigen Ökostromversorger und lokale Energiegenossenschaften – die Mieterstromprojekte organisieren.
Eine andere Option sind Balkonmodule, einst als »Guerilla-Photovoltaik« bezeichnet. Das sind Solarmodule mit integriertem Wechselrichter, die ihren Strom einfach per Stecker über die Steckdose ins Hausnetz einspeisen können. Sie können sich rechnen, weil der Kunde damit weniger Strom aus dem Netz verbraucht. Lange agierten diese Geräte abseits der technischen Normen und damit in einem juristischen Graubereich. Das hat sich zwischenzeitlich geändert. Die Verbände der Elektrotechnik, die für die Sicherheitsbestimmungen solcher Geräte zuständig sind, haben eine entsprechende Norm erarbeitet, die heute den Einsatz der einstigen Revoluzzer-Module erlaubt.
Formal werden die Module, die zumeist rund 300 Watt liefern, allerdings wie eine große Photovoltaik-Dachanlage behandelt. Sie müssen folglich – wenn man es ganz korrekt nimmt – beim Netzbetreiber angemeldet werden. Eine, wie viele Solarfreunde finden, unnötige Erschwernis.
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