Montag, 28. Januar 2019

Die deutschen »Gelben Westen«: Die Volksseele trägt Gelb



Dossier

Foto von Bernard Schmid der Demo in Paris am 24.11.2018“… Nachdem in Frankreich teils militante Massenproteste gegen die steigende Kraftstoffsteuer ausgebrochen waren, deren Teilnehmer diese Westen trugen, wurde die extreme Rechte hierzulande aufmerksam. Bei der Jungen Freiheit, deren Macher sonst keine Freunde brennender Barrikaden sind, schafften es die gilets jaunes mit ihrer »Wut auf die Elite« auf die Titelseite. »Aus der Tiefe der Volksseele« sei die Bewegung erstanden, schwärmt das Blatt. Die Sezession begeistert sich für die Bewegung aus der weißen Mittelschicht in einem bereits stark »umgevolkten« Frankreich. Hierzulande wurde die Symbolik umgehend für eine Kampagne gegen den UN-Migrationspakt adaptiert, der am 10. Dezember auf einer UN-Konferenz unterzeichnet werden soll. In den einschlägigen Ecken des Internet kursieren Rücktrittsultimaten an die Bundesregierung, andernfalls soll unter der Parole »Deutschland macht dicht« der Verkehr blockiert und eine »Revolution« ausgerufen werden. Vor allem liest sich der Forderungskatalog der deutschen Warnwesten, als hätten einige Reichsbürger zu viel gekifft: Viel ist vom »eigenen Volk« die Rede, gefordert werden Austritte aus den UN, der EU, Nato und dem IWF, dazu die Abschaffung von Schulpflicht, Zinsen, Waffenfabriken und Gentechnologie. Cannabis hingegen soll legalisiert, die »deutsche Souveränität« wiederhergestellt werden. Am Ende aber geht es wieder um Migration. (…) Anders als in Frankreich ist der Unmut nicht einem ökonomischen Problem entsprungen, sondern wird von der AfD-Lobby angeheizt. Die Rechercheure der Initiative »Volksverpetzer«, die sich früh des neongelben Wahnsinns angenommen haben, machen eine signifikante Zahl von AfD-Aficionados in der Blase der Warnwesten aus…” Artikel von Volker Weiß in der Jungle World vom 06.12.2018 externer Link, siehe dazu:
  • Gekaperte Proteste in Berlin: Außen Gelbweste, innen Reichsbürger New
    “… Nun protestieren sie auch hier. Stehen in gelben Westen auf dem Rasen vorm Reichstag, beteuern ihre Solidarität mit den Aufständischen in Paris und rufen Passanten dazu auf, sich anzuschließen. Für Neugierige haben sie zusätzliche Westen mitgebracht. Eine Mitstreiterin fordert, den Reichstag zu besetzen, ein anderer ruft „Revolution!“. Der Wortführer stolziert mit französischer Flagge umher und verkündet: „Ihr müsst wütend werden!“ Was der Mann nicht erwähnt: Mit den Zielen der französischen Bewegung haben die Berliner Gelbwesten wenig gemein. Die regelmäßigen Proteste auf dem Platz der Republik werden von Reichsbürgern organisiert. Federführend ist eine Gruppierung namens „Staatenlos“, die seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Bei ihrem Wortführer handelt es sich um einen ehemaligen NPD-Kader, der wegen versuchten Mordes mehrere Jahre im Gefängnis saß…” Beitrag von Sebastian Leber vom 25. Januar 2019 beim Tagesspiegel online externer Link
  • „Gelbwesten“-Kopien von rechts. Große Teile der „Gelbwesten“-Proteste gegen die Unterzeichnung des „Vertrags von Aachen“ waren am Dienstag durch Vertreter aus der rechten Szene geprägt 
    Am gestrigen Dienstag haben in Aachen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag unterzeichnet. Dabei kam es vor dem Rathaus zu mehreren Kundgebungen. Laut Polizei war das EU-freundliche Netzwerk „Pulse of Europe“ mit rund 150 Menschen vor Ort, zudem demonstrierten 120 Vertreter der „Gelbwesten“. Sowohl Vertreter linker Gruppen und Parteien, als auch extreme Rechte waren in gelbe Westen gekleidet und hielten getrennte Versammlungen ab. Teilnehmer der rechtsextremen „Gelbwesten“ wurden dabei in den sonst von ihnen gehassten „Lügenmedien“ oft als deutsche Vertreter des französischen Originals dargestellt. Tatsächlich waren nach Recherchen von bnr.de unter dieser Gruppe der „Gelbwesten“ jedoch zahlreiche Rechtsradikale und Rechtsextremisten, vereinzelt Anhänger der AfD, Antisemiten, Verschwörungsgläubige und „Reichsbürger“. (…) Obschon in Aachen am Dienstag ein Aufmarsch von rechten beziehungsweise rechtsextremen „Gelbwesten“-Nutzern stattfand, erreichten diese gegenüber anderen Versammlungen aus den eigenen Reihen medial gesehen eine enorme Reichweite. Sie konnten ihre Inhalte zuweilen sogar per Interviews unter dem Deckmantel des unzufriedenen Normalbürgers verbreiten. Pressevertreter erkannten oft diese dubiose Mischung von Personen aus verschiedenen rechten und verschwörungsideologischen Spektren oft nicht, umschrieben sie zuweilen sogar eher hilflos als Linke und linksalternative Kapitalismuskritiker. Der mediale Hype um das Original in Frankreich schien zu verlockend zu sein: endlich konnten die Medien vermeintlich authentisch auch deutsche Vertreter der „Bewegung“ auf dem eignen Sender zeigen. Hinzu kam offenbar ein Mangel an Wissen darum, dass rechte Splitterparteien, Verschwörungsgläubige und verschrobene Einzelkämpfer die „Gelbwesten“ unterdessen kopieren, um so selbst Reichweite und Einfluss zu erlangen.Artikel von Michael Klarmann vom 23.01.2019 bei blick nach rechts externer Link
  • Gelbe Westen in Gießen machen weiter – Zweifel an Überparteilichkeit 
    Die Demo der Gelben Westen am Sonntag war keine Einzelfall. Die Gruppe hat bis Ende März Kundgebungen angemeldet. Es bestehen jedoch Zweifel an der Überparteilichkeit. (…) Auch am kommenden Sonntag will die Gruppe am Nachmittag vor dem Rathaus Flagge zeigen. Zudem hat die Stadt bestätigt, dass die Gelben Westen bis Ende März an jedem Sonntagnachmittag am Berliner Platz eine Kundgebung angemeldet haben. »Eine Gegendemo ist derzeit nicht angemeldet«, hieß es aus dem Rathaus. Am vergangenen Sonntag waren knapp 50 Personen einem auf Facebook verbreiteten Aufruf zur Demonstration der Gießener Gelbwesten gefolgt. Die Gruppe war Anfang Januar von Ronny Böhm aus Buseck gegründet worden. Mittlerweile haben sich den Gelben Westen bei Facebook rund 100 Personen angeschlossen. In dem Aufruf zur ersten Demonstration hieß es: »Wir sind weder links noch rechts. Wir sind das Volk aus der Mitte.« An dieser Verankerung in der Mitte indes bestehen Zweifel, dies zeigt schon der Blick auf den Forderungskatalog, den die Gruppe in der vergangenen Woche veröffentlicht hatte. Es ist ein Sammelsurium an Themen, die in den letzten Jahren im Wesentlichen von der AfD und der Linkspartei [sic!] bestimmt wurden. (…) Auf der Facebookseite der GAZ wird von Usern darauf verwiesen, dass der Initiator im Internet auf rechtspopulistischen Seiten wie »Patriotischer Aufbruch – Familie, Heimat, Zukunft«, »Gegen Til Schweiger und die Gutmenschen«, »Keine weiteren Asylantenheime in Deutschland« unterwegs ist und Beiträge des rechten Netzaktivisten Henryk Stöckl teilt…” Artikel von Burkhard Möller vom 24. Januar 2019 bei Gießener Allgemeine online externer Link
  • Gelbe Westen missbraucht: Rechte Demos in Stuttgart und Wiesbaden / Rassismus und soziale Forderungen
    “Dass bundesweit vernetzte rechte Kreise gezielt die äußere Form der französischen Gelbwestenbewegung für ihre Zwecke zu kapern versuchen, wurde am Samstag in Stuttgart deutlich. Dort war die AfD zusammen mit einer rechten Gewerkschaft treibende Kraft einer Kundgebung von »Gelbwesten« gegen das Dieselfahrverbot. In Wiesbaden demonstrierte gleichzeitig eine bislang in der Stadt nicht in Erscheinung getretene Gruppe in gelben Warnwesten sowie mit Deutschlandfahnen und Reichsadler gegen »regierungspolitische Missstände«, »abgehobene Politiker« und die »Diktatur der EU«. Die vorab über Internetdienste gestreuten Forderungen umfassten soziale Belange und den Protest gegen Altersarmut ebenso wie knallharte rassistische, gegen Geflüchtete gerichtete Parolen. (…) Auf dem Weg zum Landtag stellten sich zwei Dutzend Antifaschisten den rund 80 Demonstranten in den Weg. Mit einer friedlichen Blockade hinderten sie die Rechten für anderthalb Stunden am Weitermarschieren. Offenbar war die Polizei auf die Aktion nicht vorbereitet, denn sie wurde von den Antifaschisten von selbst beendet. Später seien zwei Antifaschisten am Hauptbahnhof von rechten »Gelbwesten« attackiert und verletzt worden, berichteten Aktivisten in Online-Netzwerken…” Beitrag von Hans-Gerd Öfinger bei neues Deutschland vom 20. Januar 2019 externer Link
  • Gelbe Westen Dortmund: Die Bewegung der „Gelben Westen“ – Soziale Revolte oder nationalistische Mobilisierung?
    “… Die gesellschaftlichen Widersprüche, die von der französischen Bewegung thematisiert werden, existieren im Prinzip auch in Deutschland. Dennoch gab es hierzulande bislang nur einige weitgehend erfolglose Versuche, an die Bewegung der „Gelben Westen“ anzuknüpfen. Die Aufrufe kamen meist aus dem politisch rechten Lager und riefen anstatt zum Protest gegen die soziale Misere eher zum Schutz des Abendlandes vor vermeintlicher Überfremdung auf. Wir wollen uns damit jedoch nicht kampflos abfinden! Deshalb haben auch wir uns gelbe Warnwesten angezogen und mischen uns ein, um andere Akzente zu setzen. Wir rufen alle freiheitlich gesinnten Menschen auf, es uns gleich zu tun. Sorgen wir dafür, dass eine möglicherweise entstehende Bewegung eine antifaschistische und antiautoritäre Ausrichtung hat! Der Aufruf aus Commercy könnte dafür eine gute Diskussionsgrundlage sein. Wir dokumentieren ihn im Wortlaut…” Beitrag von Gelbe Westen Dortmund vom 06.12.2018 bei indymedia externer Link – siehe diese auf Twitter unter: @gelbwestenDort2
  • Gelbe Westen [in Essen]
    Eigentlich entschied ich mich am 30. November, nachdem ich mal wieder eine Demo der Dortmunder Nazis begleitet hatte, den Tag darauf mal nichts mit Nazis zu machen. Mein Plan war mir die angekündigte “Revolution” der Gelben Westen am 1. Dezember 2018 anzuschauen. Davon ausgehend, dass es schon nicht so krass wird, dachte ich es würde mal für etwas Entspannung, ja vielleicht für leichte Unterhaltung sorgen. Es sollte leider anders kommen … (…) Hier, in Doitschland ist das anders. Es gibt genügend Belege, dass die “Gelben Westen” eindeutig aus dem rechten Spektrum kommt. Erstmalig bin ich durch Texte dazu des rechten “Frauenbündnis Kandel” aufmerksam geworden. Mittlerweile versuchen auch die Patrioten NRW sowie Dominik Roeseler, der Gründer von HoGeSa, diese “Bewegung” für sich zu vereinnahmen. Das bedeutet, allen die da mitmachen muss eigentlich klar sein, mit wem sie sich da gemein machen. Da findet keine Abgrenzung statt und im Gegensatz zu Frankreich steht hier in erster Linie der sogenannte Migrationspakt im Vordergrund. Wo wir dann wieder bei Hetze gegen Geflüchtete sind. Die Gruppe bewegte sich in Richtung Weihnachtsmarkt und verteilte ihre Flyer², ich begleitete sie und twitterte darüber, nachzulesen unter dem Hashtag #essen0112. Für mich war offensichtlich, dass hier keine mir bekannten Nazis handelten, eher so klassisches Wutbürgertum. Das auch ein bekannter Reichsbürger unter ihnen war habe ich erst später erfahren…” Bericht vom  2. Dezember 2018 von und bei Robert Rutkowski externer Link

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen