Dossier
„
Das
Gesetzespaket wurde von den Regierungsparteien in Baden-Württemberg –
den „Grünen“ und der CDU – erarbeitet. Hans-Ulrich Sckerl von den
„Grünen“ spricht von einer gelungenen „Balance zwischen Freiheit und
Sicherheit“. Wo er den freiheitlichen Teil des Gesetzes wähnt, bleibt
wohl sein Geheimnis. Ohne dass dies nötig gewesen wäre, stimmte nach
minimalen Nachbesserungen auch die oppositionelle SPD dem Gesetz zu. Das
autoritäre Gesetzespaket wurde somit von einer besonders großen
Koalition der Überwachenden (Grüne, CDU und SPD) im Ländle angenommen.
Von den im Landtag vertretenen Parteien sprachen sich nur FDP und AfD
gegen das Gesetz aus. Auch der Landesdatenschutzbeauftragte kritisierte
das Gesetz: Es führe zu einer „realen Einbuße an Freiheit“, wobei
gleichzeitig offen bleibe, ob das Gesetz zu einer tatsächlichen
Verbesserung der Sicherheitslage beitrage. Außerdem kritisierte er, dass
Teile des Gesetzes möglicherweise verfassungswidrig seien und: „Wer an
die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen geht, provoziert zwei
Konsequenzen: Er überantwortet die Letztentscheidung zu
sicherheitspolitischen Fragen dem Verfassungsgericht und er läuft
Gefahr, Anlass und Zweck der Sicherheitsnovelle aus den Augen zu
verlieren.“ Angesichts der zahlreichen Eingriffe in die Grundrechte und
die Privatsphäre der Bürger_innen hätten die Medien die Aufgabe gehabt,
über das Thema ausgiebig zu berichten und eine gesellschaftliche Debatte
anzustoßen. Leider war die mediale Aufarbeitung – vielleicht auch
mangels wirklicher Opposition im Landtag – sehr unkritisch und vielen
Zeitungen nur eine Randnotiz wert“ – aus der
IMI-Analyse 47/2017 „Neues Polizeigesetz in Baden-Württemberg von Alexander Kleiß am 14. Dezember 2017 bei IMI-Online ,
worin abschließend noch darauf verwiesen wird, dass dieses Gesetz genau
der „Richtlinienkompetenz“ der Bundesregierung folge… Siehe dazu:
- Onlinedurchsuchung auf bloßen Verdacht – Polizeigesetz Baden-Württemberg: Erneute Verschärfung?
“Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt wird das Polizeigesetz
in Baden-Württemberg zur Zeit kontinuierlich verschärft. Nach einer sehr
einschneidenden Verschärfung vor gerade einmal 14 Monaten plant der
baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) nun einen
weiteren Abbau von Bürgerrechten. Während die letzte Gesetzesänderung
anfangs noch mit einer “abstrakten Gefahr terroristischer Anschläge”
begründet wurde, wird mit der Zeit immer offensichtlicher, dass die
Aufrüstung der Polizei sich auch gegen soziale Bewegungen und
Migrant*innen richtet. (…) Der Gesetzesentwurf wird bislang geheim
gehalten und auch auf Anfrage nicht herausgegeben. Vermutlich soll das
Gesetz auch dieses Mal im Schnellverfahren und ohne öffentliche
Diskussion durch den Landtag gepeitscht werden. Dennoch wurden über die
Presse einige Vorhaben aus dem neuen Gesetzesentwurf bekannt: So soll in
einem 30 Kilometer breiten Korridor entlang der Bundesgrenzen zur
Kriminalitäts- und Migrationsbekämpfung die Schleierfahndung möglich
sein. Bislang war dies nur auf den großen Fernstraßen möglich. Im Fall
einer Verabschiedung des Gesetzes wären anlasslose Kontrollen dann in
diesem Bereich, in den auch ganze Städte wie Freiburg oder Karlsruhe
fallen, jederzeit ohne weitere Angabe von Gründen möglich. Auch im
Zusammenhang mit Demonstrationen sollen die rechtlichen Spielräume für
umfassende Personenkontrollen erweitert werden. De facto kontrolliert
die Polizei bereits jetzt schon häufiger im Vorfeld von Demonstrationen.
Dies ist nach gängiger Rechtsprechung jedoch eigentlich nicht erlaubt,
da Vorkontrollen einschüchternd auf die Demonstrierenden wirken und
diese vom Demonstrieren abhalten könnten – ein Verstoß gegen das
Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Mit dem neuen Gesetz soll die
bereits gängige illegale Praxis der Polizei nun legalisiert werden.
Protest wird dadurch weiter kriminalisiert. Bislang darf die Polizei
bereits Bodycams, also kleine Kameras, die z.B. auf der Schulter der
Polizist*innen angebracht sind, an öffentlich zugänglichen Orten
einsetzen. Mit der neuen Gesetzesänderung soll dies auch in
Privatwohnungen möglich sein, wodurch das Grundrecht auf
Unverletzlichkeit der Wohnung eingeschränkt wird. Presseberichten
zufolge steht auch die DNA-Untersuchung zu präventiven Zwecken im
Gesetzesentwurf. Zur Verhütung von Straftaten oder zum Schutz
hochrangiger Rechtsgüter soll es künftig präventiv, also noch vor der
Begehung einer Straftat, möglich sein, “das DNA-Identifizierungsmuster
(‘genetischer Fingerabdruck’), das Geschlecht, die Farbe von Augen,
Haaren und Haut, das Alter sowie die biogeografische Herkunft”
Verdächtiger zu erfassen. Die DNA-Analyse befindet sich jedoch noch in
der Entwicklungsphase. Sie weist noch eine hohe Fehlerquote auf…” Beitrag von Alexander Kleiß vom 25. Januar 2019 bei Telepolis
- Verfassungsbeschwerde gegen baden-württembergisches Polizeigesetz eingelegt
“… Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V. (GFF) und der Chaos
Computer Club Stuttgart e. V. (CCCS) haben in Karlsruhe eine
Verfassungsbeschwerde (PDF) gegen das Polizeigesetz Baden-Württemberg
eingelegt. Die Erlaubnis zum Einsatz von Staatstrojanern setze falsche
Anreize für Behörden im Umgang mit IT-Sicherheitslücken. Seit einer
Gesetzesnovelle aus dem vergangenen Jahr darf die Polizei in
Baden-Württemberg IT-Sicherheitslücken für die Überwachung mit
staatlichen Cyber-Angriffen ausnutzen, statt die Lücken den Herstellern
zu melden. Bei den Sicherheitslücken handelt es sich um technische
Fehler in IT-Systemen, über die Schadsoftware eindringen kann, um so
etwa Daten auszulesen. Hersteller bemühen sich, solche Schwachstellen
durch regelmäßige Updates zu schließen. Solange solche Schwachstellen
zwar der Polizei, aber nicht den Herstellern bekannt seien, könnten
beispielsweise Kriminelle auf die Daten aller Nutzer:innen der gleichen
Soft- oder Hardware zugreifen, sagt die Juristin Lea Beckmann, die das
Verfahren bei der GFF koordiniert: „Das ist unverantwortlich – und
unvereinbar mit dem staatlichen Schutzauftrag gegenüber seinen
Bürger:innen.“…” Beitrag von Markus Reuter vom 7. Dezember 2018 bei Netzpolitik
- [CCC] Keine erneute Verschärfung des PolG in BW!
“Seit einigen Tagen kursiert der Entwurf des Innenministeriums für
eine erneute Änderung des erst Ende 2017 beschlossenen Polizeigesetzes
(PolG) in Baden-Württemberg. Bei dem bereits verabschiedeten PolG
handelt es sich um eines der schärfsten in Deutschland. Besonders
möchten wir der Einführung einer Online-Durchsuchung widersprechen, also
der heimlichen Durchsuchung der Inhalte eines Gerätes aus der Ferne. In
unserer Pressemitteilung haben wir einige prinzipielle Argumente gegen
eine solche Möglichkeit dargelegt, fordern aber auch Verbesserungen an
dem Entwurf, so sich das Parlament für diese Maßnahme entscheiden
sollte. Einige weitere Punkte der geplanten Neuerungen: – Gewahrsam für
Unschuldige- Willkürliche Durchsuchungen von Menschen bei großen
Veranstaltungen (z.B. Demonstrationen) – DNA-Analyse zur Erstellung
eines genetischen Fingerabdrucks – Bodycams auch in Gebäuden. Wir
widersprechen der Einführung dieser Maßnahmen entschieden und fordern,
im Gegenteil, die Rücknahme der 2017 eingeführten Quellen-TKÜ…” Stellungnahme des Chaos Computer Clubs Stuttgart e.V. vom 6. November 2018
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