Dienstag, 1. Januar 2019

Abgedriftet, abgesoffen, Schiffbruch zum Wegschauen: Die Comicverfilmung »Aquaman«

Was hast du hier zu suchen?


Von Peer Schmitt
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Wer soll sich das ansehen, ohne nach Luft zu schnappen?
»Aquaman«, Regie: James Wan, USA 2018, 142 min, bereits angelaufen
»Ich habe einen großen Teich«, sagte der König, »da musst du morgen hin und musst ihn ausschlämmen, dass er so blank ist wie ein Spiegel, und es müssen noch allerhand Fische darin sein«.
Gebrüder Grimm, »Die beiden Königskinder«
Es wird doch nicht etwa schon wieder Plato schuld daran sein, dass wir abermals kräftig absaufen, tief sinken, Schiffbruch erleiden müssen? »Aquaman« des »The Conjuring (Die Heimsuchung) 1 und 2«-Regisseurs James Wan ist wirklich ein Schiffbruch von einem Film geworden. Abgedriftet, abgesoffen, Schiffbruch zum Wegschauen. Man kann sich kaum noch jemanden vorstellen, der sich das ansehen soll, ohne nach Luft zu schnappen.
Warum dem alten Philosophen den Schwarzen Peter zuschieben, zumindest »Aquaman«, die DC-Comicfigur aus den 1940ern, haben wir anderen zu verdanken. Der Mythos vom untergegangenen Inselstaat Atlantis ist auf seinem Mist gewachsen. Als illustrierende Anekdote zu grundsätzlichen Vorstellungen des Sokrates von einer vertrauenswürdigen Stadtpolitik legte Plato jene Mär im Dialog »Timaios« seinem eigenen brutal korrupten Großonkel Kritias in den Mund, der auch nur vergangenes Hörensagen als Zeugnis aufzubieten hatte: Märchen, Seemannsgarn.
So groß wie Libyen und die Türkei zusammen soll die Insel laut Kritias gewesen sein; ein prächtiges, machtvolles Königreich, schwer zu entdecken, da in unschiffbaren, schlammigen Gewässern gelegen, nach einer großen Flut von den Wogen begraben. So ungefähr heißt es, und man weiß ja, was in jüngerer Vergangenheit so aus dem benachbarten Libyen wurde. Wenn es galt, Karthago zu zerstören, hat man sich noch selten Zurückhaltung auferlegt.
In »Aquaman« nun entsteigt die Königin von Atlantis in Gestalt einer wie unter einer Totenmaske erstarrten Nicole Kidman, mit einem Dreizack bewaffnet, den Wogen, um für ein paar Jahre als Ehefrau eines Leuchtturmwärters Landurlaub zu machen. Resultat dieser Liaison ist, nun ja, Arthur Curry (Jason Momoa), der Aquaman, ein Königskind, gestrandet im Exil. Er spricht zu den Fischen und schwimmt so schnell wie ein Motorboot. Als halbwegs austrainierter, tätowierter Rocker kippt er in den Hafenkneipen der Landratten ganz schön was hinter die Kiemen. Anders gesagt, er sucht seine Bestimmung, nicht zuletzt seine politische.
Wie man auch von den Gebrüdern Grimm weiß, ist der Job des Königskindes eine freudlose Plackerei. Immer gilt es, irgend etwas wegzuräumen, irgendwelchen Schlamm abzutragen, verschiedene Steuer herumzureißen. Kein Wunder, dass der Aquaman sich empfindlich sträubt, diesen Job zu übernehmen. Zumindest zum Schein, denn in diversen herkömmliche narrative Logik sprengenden Rückblenden erfährt man, dass er in Wahrheit nie etwas anders getan hat, als sich auf seine Bestimmung vorzubereiten, sprich unter Anleitung von keinem anderen als Willem Dafoe eine Art Kung-Fu-Training mit dem mütterlichen Dreizack aufzunehmen.
Im Zeichen des Trainings beginnt »Aquaman« mit dem Kapern eines Atom-U-Boots und endet mit einer Krönung. Dazwischen Plackerei an digitalen Miniaturlandschaften im Aquarium. Märchenräume, die so gut wie ausschließlich aus verschwommenen Ornamenten bestehen. Wasser hat keine Balken, Ortsanweisungen sind kostbar, Schlachten dennoch zu schlagen.
Aquaman hat einen Rivalen, seinen streitbaren Halbbruder (Patrick Wilson), und eine Verbündete, dessen rothaarige Verlobte Mera (Amber Heard). Mit ihr macht er Erholungsurlaub auf Sizilien, am ungefähren Ort des platonischen Atlantis-Mythos. Die beiden schlendern über den Markt wie handelsübliche »Food«-Touristen und werden aus heiterem Himmel von einer Armee von Froschmännern angegriffen. Im Verlauf der sich entwickelnden Schlacht wird u. a. eine Weinhandlung zerstört. Die sizilianische Weinflut spült die Froschmänner hinfort. Im direkten Anschluss räkeln sich Mera und Aquaman auf dem Deck eines Fischkutters unter dem Mond des Mittelmeers, bevor auch diese touristische Idylle gestört wird. Diesmal von einem Schwarm drachenartiger Seemonster, die das königliche Paar in die Tiefe des Meeresgrundes ziehen, wo plötzlich Nicole Kidman in der Traumlandschaft einer gleichsam unter einer Käseglocke frisch gehaltenen Unterwasserlagune das Paar erwartet. In der Käseglockenlagune am Mittelmeergrund befindet sich ein Wasserfall, hinter dem wiederum in noch größerer Tiefe ein noch gewaltigeres Tiefseemonster in seiner Ruhe nicht gestört werden möchte. Das Monster stellt Aquaman die Orakelfrage: Was hast du hier zu suchen? Standesgemäß weiß der Held, dass er nicht die geringste Ahnung hat. Die Königswürde ist somit schon so gut wie gewonnen.
Dies alles geschieht, wie bereits angedeutet, in mehr oder weniger direkter Abfolge. Eine absurde Aneinanderreihung an sich schon schwachsinniger Sequenzen, letztlich nichts anderes als das kumulative Schachtelprinzip der Märchenerzählung. Der Schiffbruch hat seine Rahmenhandlung verloren. Keine Planke in Sicht.

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