Diese Riege schafft Vertrauen. SPD-Funktionäre anno 2018
Foto: Lars Klingbeil/SPD/dpa
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Wer hat uns verraten? Na klar: Sozialdemokraten! Der alte KPD-Slogan, der an die vielen Kapitulationen der SPD gegenüber dem Kapital erinnert, bringt die Ambivalenz zwischen Revolutionären und Reformern auf den Punkt. Immer da, wo man hätte losschlagen müssen, war es die Sozialdemokratie, die das zu verhindern wusste. 1918/19, während der Novemberrevolution; 1923, als die Arbeiterregierungen in Thüringen und Sachsen niederkartätscht wurden; 1933, als es einen Generalstreik gegen den Faschismus hätte geben müssen.
Und doch: »Verraten« werden kann nur, woran man irgendwann gemeinsam gearbeitet, dessen Ziele man einmal geteilt hat. Die Kluft zwischen SPD und KPD in der Weimarer Zeit ist so tief, weil ihre organisatorische Wurzel dieselbe ist. Die alte, »revolutionäre SPD« des 19. Jahrhunderts umfasste eben Sozialreformer, Frauenbewegte und Bildungsbeseelte, Anhänger von Kooperativgedanken und Marxisten. Solange eine feudale Aristokratie die Entwicklung der Gesellschaft hemmte, gab es genug, auf das sie sich einigen konnten: Wahlrecht für alle, Trennung von Kirche und Staat, Achtstundentag und Verbot der Kinderarbeit. Da hörte es dann auch schon auf, und seit dem Ersten Weltkrieg ist die Einheit der Linken Geschichte.
Das ist alles lange her. Was ist aus ihr, der Sozialdemokratie, geworden? Manchmal hat es den Anschein, eine Partei auf allerletzter Schwundstufe zu erleben: Wahlergebnisse, die früher im tiefschwarzen Bayern als Katastrophe gegolten hätten, werden nun im Bund eingefahren. Eine indolente Führung schwebt wie in einem Ufo über die Ruinen. Parteiveteranen, Bürgermeister und Ortsvereinsurgesteine erklären ihren Austritt. War es das dann, nach 155 Jahren?
Zunächst ein Blick auf die Basis: Von allen im Bundestag vertretenen Parteien, die im ganzen Land antreten, hat die SPD immer noch mit Abstand die meisten Mitglieder, die weder über Abitur noch mittlere Reife verfügen (Daten nach Bundeszentrale für politische Bildung, Stand 2016, AfD noch nicht enthalten). Der Anteil der Arbeiter ist mit 16 Prozent immer noch groß, nur die Linkspartei schafft mehr (19 Prozent). Und die größten proletarischen Massenorganisationen der BRD, die Gewerkschaften, sind eng an die Partei gebunden: 42 Prozent der SPD-Mitglieder sind hier organisiert (zweiter Platz: Die Linke, mit 32 Prozent). Nach diesen nackten Zahlen ist die SPD immer noch die größte Arbeiterpartei.
Doch ein Kontrast sticht ins Auge: Obwohl keine der verglichenen Parteien weniger Hochschulabsolventen in ihren Reihen hat, ist eine solche Qualifikation fast Voraussetzung, um in der SPD Karriere zu machen (am besten natürlich, wie bei Heiko Maas, Olaf Scholz und Katharina Barley: Jura). Die Funktionärsschicht hat sich meilenweit von ihrer Basis entfernt. Die »neue Mitte«, die Gerhard Schröder gefunden hat, war vor allem eine elegante Selbstbeschreibung. Immerhin, esoterische Studiengänge werden geduldet (Germanisten wie Andrea Nahles, Sozialwirte, Politikwissenschaftler und dergleichen). Wirklich gearbeitet hat in diesem Milieu kaum einer, und wenn, dann höchstens für die Partei.
Ist es nicht zu einfach, nur auf »die Führung« zu zeigen? Auf keinen Fall. Denn unter dem sozialdemokratischen Permafrostboden regt es sich tatsächlich immer wieder – zum Beispiel, als Parteichefin Nahles den Rechtsausleger Hans-Georg Maaßen befördern wollte. Das hätte sie beinahe das Amt gekostet. Sie lebt noch, die SPD, und wir werden sie brauchen, die sozialdemokratischen Arbeiter und Angestellten, wenn der Rechtsruck gestoppt werden soll. Doch solange die Parteiführung die eigene Basis zu sedieren vermag und noch jeder sozialen Schweinerei und jedem Kriegseinsatz mit Hurra zustimmt, gilt: Wer hat uns belogen? Sozialpädagogen!
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