»Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.« So heißt es im Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – für derlei Teilhabe aber muss man einige der vorherigen 26 Artikel heranziehen dürfen; wir denken nur an Meinungsfreiheit und Recht auf soziale Sicherheit. Wir wollen nicht gleich die Idee von einst heraufbeschwören, dass man zunächst essen, trinken, wohnen und sich kleiden muss, bevor man Philosophie und dergleichen treiben kann. Ins Theater kann man nur gehen, wenn man (etwas) Geld hat. Beim Museum ist es ähnlich, es sei denn man besucht eines von vierzehn öffentlichen und kostenlosen Pariser Museen. Oder wartet in Deutschland auf den Museumstag.
Artikel 27 hat einen zweiten Teil: »Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.« Um unsere folgenden Ideen nicht zu verkomplizieren, wollen wir mal auf korrekte Sprache verzichten, etwa aus »Jeder« noch »Jede« und »Jederix« machen und ständig von »Urheberinnen und Urhebern« sprechen. Wir wollen uns zudem nur der geschriebenen Sprache zuwenden, auch künstlerische Installationen mit Licht und Gerüchen vernachlässigen.
Was wir nicht vernachlässigen können: das Internet. Zu Brechts Zeiten war es noch relativ einfach, in Fragen des geistigen Eigentums etwas lax zu sein. In Zeiten von Copy, Paste & Content schaut man schärfer hin, obwohl alles viel einfacher zu sein scheint.
Wer einen Text geschrieben hat, den er für wichtig und wertvoll hält, kann ihn zum Beispiel als Buch drucken lassen. Bei einem seriösen Verlag – der nicht unbedingt hohe Summen für derlei Dienstleistungen verlangt, bisweilen sogar Honorar auszahlt – ist damit die Urheberrechtsfrage geklärt. Da gibt es ein Copyright für lange Zeiten und alle noch zu entwickelnden neuen Medien und basta.
Landet der Text im Internet, so kann der Urheber eine Bezahlschranke einrichten (lassen). Jeder Leser, der auf Deutsch jetzt User heißt, leistet somit ein Scherflein fürs Wohlergehen des Urhebers. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die wichtigen und wertvollen Texte überall genutzt und – Gipfel der Frechheit – mit einem anderen Urhebernamen versehen werden. Eine jetzt etwas kleiner gewordene Partei namens »Piraten« will ohnehin die kostenlose Nutzung schöpferischer Leistungen für alle und jeden erreichen – wir vergröbern jetzt leicht unzulässig –, was nicht ungerechtfertigt erscheint: Warum soll jemand, der einmal einen blitzgescheiten Zweizeiler erdachte, ewig davon profitieren?
Was aber das Menschenrecht auf angemessene Vergütung betrifft, so können wir an Lohnuntergrenzen denken. Jedoch hat ein normaler Autor, der nicht eben Auflagenmillionär ist, aber dennoch mit Verlagshilfe ein paar Tausend Exemplare absetzen kann, einen Durchschnittsbruttostundenlohn von einem Euro siebzehn, nach zwei Jahren Arbeit am Buch. Und wenn er clever ist, sich Lesungen und Preise organsiert, steigt dieser auf 3,33 Euro oder schnellt gar auf über fünf Euro hinauf. Nun gut, er hat ja auch das Menschenrecht der freien Berufswahl genossen.
Ein frei Schreibender aber, steht er in der Tradition eines Theodor Fontane oder eines Thomas Mann, nimmt sich die Wirklichkeit als Material. Er beobachtet eine fremde Familie am Kaffeetisch, merkt sich die Porzellanmarken und die Speisezubereitungen, forscht gar nach deren Familiengeheimnissen und schreibt das dann alles ab – oder auf. Kam dann bei Thomas Mann zum Beispiel ein Gustav von Aschenbach vor, konnte zwar eine Ähnlichkeit mit Gustav Mahler gefolgert werden, Urheberrechtsprozesse hingegen gab es eher selten – wenn man von Arnold Schönberg absieht. Auch das Vorbild der Effie Briest, eine gewisse Elisabeth von Plotho, hat nie gegen Fontane geklagt. Sie hätte ja darauf bestehen können, dass dieser komische Onkel Theodor mit dem Aufschreiben ihres Schicksals eine Urheberrechtsverletzung beging …
Heute, wo Suchmaschinen noch eine jede irgendwo an fremden Kaffeetischen abgeschriebene Porzellanmarke aufspüren, ist das Menschenrecht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen ein überaus gern von Rechtsgelehrten praktiziertes. Die Prozesse, die gegen Maxim Biller und Alban Nikolai Herbst vor über zehn Jahren wegen Verletzung von persönlichen Intimsphären geführt wurden, waren nur der Beginn dessen, was die digitalisierte Welt bereithält. Denn bei entsprechender Suche kann man einen jeden erdachten Personennamen, jede Handlungslinie und alle Requisiten für einen ordentlichen Krimimord in Texten versteckt finden. Es sollte nicht schwerfallen, im Umfeld eines »Urhebers« all das aufzuspüren, was dieser sich für sein – angebliches – Phantasieprodukt aneignete.
Das »freie künstlerische Tätigsein« wird folglich zunehmend umstellt und eingeengt von juristischen Besonderheiten. Man wird sich einstellen müssen auf solche Fragen: Ist der Wald, in dem der beschriebene Sonnenuntergang erfolgte, privates Eigentum? Hat der Eigentümer seine Einwilligung zur Nutzung gegeben? Ist das Collier, das der Täter stahl, versichert? Darf es einer Öffentlichkeitsfahndung, wie im Roman angegeben, ausgesetzt werden? Haben alle Personen von Adorno, Theodor Wiesengrund bis Zitterbacke, Alfons beziehungsweise deren gesetzliche Erben ihre Zustimmung gegeben, dass ihre Namen im inkriminierten Werke genannt werden dürfen?
Gewiss: Jeder hat das Recht, sich an den Künsten zu erfreuen oder auch selbst Künstlerisches herzustellen. Ob er aus letzterem aber wird Nutzen ziehen können, das ist noch immer die Frage, aus deren Beantwortung vor allem Rechtsgelehrte ihre Honorare ziehen.
Artikel 27 hat einen zweiten Teil: »Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.« Um unsere folgenden Ideen nicht zu verkomplizieren, wollen wir mal auf korrekte Sprache verzichten, etwa aus »Jeder« noch »Jede« und »Jederix« machen und ständig von »Urheberinnen und Urhebern« sprechen. Wir wollen uns zudem nur der geschriebenen Sprache zuwenden, auch künstlerische Installationen mit Licht und Gerüchen vernachlässigen.
Was wir nicht vernachlässigen können: das Internet. Zu Brechts Zeiten war es noch relativ einfach, in Fragen des geistigen Eigentums etwas lax zu sein. In Zeiten von Copy, Paste & Content schaut man schärfer hin, obwohl alles viel einfacher zu sein scheint.
Wer einen Text geschrieben hat, den er für wichtig und wertvoll hält, kann ihn zum Beispiel als Buch drucken lassen. Bei einem seriösen Verlag – der nicht unbedingt hohe Summen für derlei Dienstleistungen verlangt, bisweilen sogar Honorar auszahlt – ist damit die Urheberrechtsfrage geklärt. Da gibt es ein Copyright für lange Zeiten und alle noch zu entwickelnden neuen Medien und basta.
Landet der Text im Internet, so kann der Urheber eine Bezahlschranke einrichten (lassen). Jeder Leser, der auf Deutsch jetzt User heißt, leistet somit ein Scherflein fürs Wohlergehen des Urhebers. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die wichtigen und wertvollen Texte überall genutzt und – Gipfel der Frechheit – mit einem anderen Urhebernamen versehen werden. Eine jetzt etwas kleiner gewordene Partei namens »Piraten« will ohnehin die kostenlose Nutzung schöpferischer Leistungen für alle und jeden erreichen – wir vergröbern jetzt leicht unzulässig –, was nicht ungerechtfertigt erscheint: Warum soll jemand, der einmal einen blitzgescheiten Zweizeiler erdachte, ewig davon profitieren?
Was aber das Menschenrecht auf angemessene Vergütung betrifft, so können wir an Lohnuntergrenzen denken. Jedoch hat ein normaler Autor, der nicht eben Auflagenmillionär ist, aber dennoch mit Verlagshilfe ein paar Tausend Exemplare absetzen kann, einen Durchschnittsbruttostundenlohn von einem Euro siebzehn, nach zwei Jahren Arbeit am Buch. Und wenn er clever ist, sich Lesungen und Preise organsiert, steigt dieser auf 3,33 Euro oder schnellt gar auf über fünf Euro hinauf. Nun gut, er hat ja auch das Menschenrecht der freien Berufswahl genossen.
Ein frei Schreibender aber, steht er in der Tradition eines Theodor Fontane oder eines Thomas Mann, nimmt sich die Wirklichkeit als Material. Er beobachtet eine fremde Familie am Kaffeetisch, merkt sich die Porzellanmarken und die Speisezubereitungen, forscht gar nach deren Familiengeheimnissen und schreibt das dann alles ab – oder auf. Kam dann bei Thomas Mann zum Beispiel ein Gustav von Aschenbach vor, konnte zwar eine Ähnlichkeit mit Gustav Mahler gefolgert werden, Urheberrechtsprozesse hingegen gab es eher selten – wenn man von Arnold Schönberg absieht. Auch das Vorbild der Effie Briest, eine gewisse Elisabeth von Plotho, hat nie gegen Fontane geklagt. Sie hätte ja darauf bestehen können, dass dieser komische Onkel Theodor mit dem Aufschreiben ihres Schicksals eine Urheberrechtsverletzung beging …
Heute, wo Suchmaschinen noch eine jede irgendwo an fremden Kaffeetischen abgeschriebene Porzellanmarke aufspüren, ist das Menschenrecht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen ein überaus gern von Rechtsgelehrten praktiziertes. Die Prozesse, die gegen Maxim Biller und Alban Nikolai Herbst vor über zehn Jahren wegen Verletzung von persönlichen Intimsphären geführt wurden, waren nur der Beginn dessen, was die digitalisierte Welt bereithält. Denn bei entsprechender Suche kann man einen jeden erdachten Personennamen, jede Handlungslinie und alle Requisiten für einen ordentlichen Krimimord in Texten versteckt finden. Es sollte nicht schwerfallen, im Umfeld eines »Urhebers« all das aufzuspüren, was dieser sich für sein – angebliches – Phantasieprodukt aneignete.
Das »freie künstlerische Tätigsein« wird folglich zunehmend umstellt und eingeengt von juristischen Besonderheiten. Man wird sich einstellen müssen auf solche Fragen: Ist der Wald, in dem der beschriebene Sonnenuntergang erfolgte, privates Eigentum? Hat der Eigentümer seine Einwilligung zur Nutzung gegeben? Ist das Collier, das der Täter stahl, versichert? Darf es einer Öffentlichkeitsfahndung, wie im Roman angegeben, ausgesetzt werden? Haben alle Personen von Adorno, Theodor Wiesengrund bis Zitterbacke, Alfons beziehungsweise deren gesetzliche Erben ihre Zustimmung gegeben, dass ihre Namen im inkriminierten Werke genannt werden dürfen?
Gewiss: Jeder hat das Recht, sich an den Künsten zu erfreuen oder auch selbst Künstlerisches herzustellen. Ob er aus letzterem aber wird Nutzen ziehen können, das ist noch immer die Frage, aus deren Beantwortung vor allem Rechtsgelehrte ihre Honorare ziehen.
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