Marines Marionette
Faschisten mit Zulauf: Ein Mann füllt das Formular zum Eintritt in den Rassemblement National aus (Frejus, 16.9.2018)
Foto: Eric Gaillard/REUTERS
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»Er ist ein junger Alter«, loben die betagten Kader der französischen Faschisten ihren Spitzenkandidaten für die EU-Wahl im kommenden Mai. Jordan Bardella hat mit seinen erst 23 Jahren schon eine steile Karriere hinter sich. Der neue Stern des Rassemblement National (RN), bis vergangenen Juni noch unter dem Namen Front National marschierend, wird voraussichtlich die Liste der neofaschistischen Formation anführen – so will es Parteichefin Marine Le Pen, die ihn im Sommer aus den Pariser Banlieues holte und zum Parteisprecher machte. Mit Blick auf den 41 Jahre alten Staatschef Emmanuel Macron, der alles ändern wollte und doch fast alles beim alten beließ, behauptet Bardella: »Die neue Welt, das sind wir.«
Mit 16 Jahren schloss sich Bardella dem Front National an. Damals, das muss erwähnt werden, hetzte noch der Alte – Jean-Marie Le Pen, Gründer der Partei und Vater Marines – gegen dunkelhäutige Immigranten und nannte den Holocaust eine »Randnotiz« der Geschichte. Mit 19 Jahren saß Bardella bereits im Regionalrat der Île-de-France, dem Parlament des Pariser Umlands. Drei Jahre später soll er die französischen Neofaschisten in die Wahlen zum EU-Parlament führen – zumindest nominell. Bardella gilt, berichten in diesen Tagen unisono die Hauptstadtzeitungen und diverse Fernsehsender, als »Marines Marionette«. Le Pen schicke ihn in die Öffentlichkeit, heißt es, weil sie selbst zwar weiter als unumstrittene RN-Chefin die Fäden ziehe, sich selbst aber nicht mehr aufreiben wolle in endlosen TV-Talks und in zähen Zeitungsinterviews.
28 Fernsehauftritte des jungen Sohnes einer italienischen Immigrantin hat die Zeitung Libération allein im Dezember gezählt. Redakteure des größten Nachrichtenkanals BFM TV bereiten derzeit einen »grand angle« mit Bardella vor, eine zehn Minuten lange »Nahaufnahme« mit Weitwinkelobjektiv – im rasenden 24-Stunden-Fernsehen eine kleine Ewigkeit. Der Hunger auf neue Gesichter sei immens, sagen die Auguren der demoskopischen Institute, und seien sie auch nur die Masken eines sich schnell etablierenden, Europa bedrohenden rassistisch-nationalistischen Ungeistes.
Die Umfragen scheinen ihnen recht zu geben: RN-Bardella, Marine Le Pen hinter sich, führt bei den bekanntesten Meinungsforschern von Odoxa und Ifop mit geschätzten 24 Prozent vor Macrons Präsidentenpartei »La République en marche«, die auf 18 Prozent kommt. Weit abgeschlagen die Linke: Jean-Luc Mélenchons »France insoumise« mit zehn bis 11,5 Prozent, die Kommunisten mit zwei bis zweieinhalb Prozent und die Reste des Parti Socialiste mit vier bis sieben Prozent. Eine gemeinsame linke Plattform, das verdeutlichen jüngste Äußerungen der Parteispitzen, wird es wohl nicht geben.
Die an sich parteienferne Bewegung der »Gelbwesten«, die seit Mitte November die neoliberale Regierung Macrons vor sich hertreibt und die »Reformen« des Staatschefs als arbeiterfeindliche Schimäre entlarvte, habe Le Pen und ihrem Zögling Bardella den »Startschuss« zur Wahlkampagne gegeben, triumphieren die RN-Kader in Medien und sogenannten sozialen Netzen. Die vom Straßenprotest formulierten Forderungen an Macron – Steuergerechtigkeit, Volksreferendum, höhere Löhne – deckten sich »vollkommen« mit dem Wahlprogramm des RN.
Sollte das Exekutivkomitee der Partei Bardellas Spitzenposition in der zweiten Januarwoche bestätigen, dann stünde ihm auch die außenpolitische Bühne offen. Mit dem Innenminister des Nachbarlandes, Matteo Salvini, und dessen rassistischer Partei Lega pflegen Le Pen und ihre Leute bereits beste Beziehungen. Einmal in Brüssel angekommen, will Bardella – der sich ebenso wie Macron als eine Art demokratischer Napoleon sieht – diese Freundschaft vertiefen und deren Einfluss in einer Fraktion aus Neofaschisten der »neuen Generation« konzentrieren. Auf einem gemeinsamen Treffen in Genua formulierten die »jungen Alten« beider Parteien im Sommer 2017 bereits eines ihrer Hauptziele: »Stop immigration«.
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