Propaganda und Drohungen
Trump hat den Konflikt mit Iran erneut angeheizt: Straßenszene vor der ehemaligen US-Botschaft in Teheran
Foto: Morteza Nikoubazl/REUTERS
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Hintergrund: Folgen der Strafmaßnahmen
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Die Folgen der Sanktionen für die Bevölkerung und die Wirtschaft des Landes sind jetzt schon schwerwiegend. Der iranische Erdölexport als deren wichtigster Träger liegt zur Zeit um mindestens eine Million Barrel pro Tag oder fast 50 Prozent unter dem Durchschnitt der letzten zwei Jahre. Teheran kann diesen Verlust auf keine Weise kompensieren und ist zudem mit niedrigen Ölpreisen konfrontiert, die vermutlich auch 2019 nicht so schnell wieder ansteigen werden. Wie hoch der Anteil der Ölexporte an den iranischen Staatseinnahmen ist, ist nicht zuverlässig bekannt. 80 Prozent, wie die US-Propaganda behauptet, sind es sicher nicht. Offiziell soll der Beitrag der Ölexporte zum nächsten Staatshaushalt, der gerade im Parlament diskutiert wird, bei 30 Prozent liegen.
Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt die iranische Ölausfuhr im November 2018 auf 1,28 Millionen Barrel pro Tag, 550.000 Barrel pro Tag weniger als im Vormonat. Der Durchschnitt der letzten zwei Jahre lag bei etwa 2,3 Millionen Barrel pro Tag. Im April und Mai 2018 erreichte der Export mit 2,82 und 2,72 Millionen Barrel pro Tag Rekordhöhen. Viele traditionelle Kunden Irans nutzten die Zeit vor der voraussehbaren Reaktivierung der US-Sanktionen für Großeinkäufe. Zu den Schätzungen verschiedener Stellen ist anzumerken, dass sie hauptsächlich auf Grundlage der Beobachtung von Schiffsbewegungen durch Satellitensysteme erfolgen. Die Ergebnisse weichen deutlich voneinander ab. Es gibt Schätzungen, die noch niedriger liegen als die der IEA. Iran selbst macht gegenwärtig keine Angaben.
Taiwan und sieben weitere Staaten bekamen Anfang November eine Ausnahmegenehmigung Washingtons, in stark reduziertem Umfang weiter iranisches Öl zu beziehen, ohne die mit den Sanktionen verbundenen Nachteile in den USA fürchten zu müssen. Unter ihnen sind mit China, Indien, Südkorea und Japan die wichtigsten Kunden der Iraner. Hinzu kommen die Türkei, Italien und Griechenland. Diese acht Sonderregelungen, »Waivers« genannt, gelten aber nur bis Anfang Mai 2019. Zudem sind sie an die Bedingung gebunden, dass Irans Verkaufserlöse in keiner Form und Währung ausgezahlt werden dürfen, sondern auf Treuhandkonten festgelegt werden müssen. Die Iraner können mit den Erträgen ihrer Ölausfuhr lediglich Waren in den jeweiligen Ländern kaufen. Natürlich versuchen sie, diese Beschränkung im Zusammenwirken mit ihren wichtigsten Partnern zu umgehen.
Die EU, insbesondere das am Wiener Abkommen beteiligte Trio Frankreich, Deutschland und Großbritannien, hat dem Iran die Schaffung eines speziellen Verrechnungssystems in Aussicht gestellt. Das Projekt trägt den Namen Special Purpose Vehicle, abgekürzt SPV. Vereinbart wurde es am 24. September bei einem Ministertreffen in New York, an dem neben dem EU-Trio und dem Iran auch Russland und China als Unterzeichner des Wiener Abkommens teilnahmen. Die Iraner hätten es am liebsten gesehen, wenn das SPV zum Zeitpunkt der Reaktivierung der US-Sanktionen gegen ihre Erdölausfuhr Anfang November anwendungsbereit gewesen wäre. Statt dessen vertröstete sie die Außenpolitikchefin der EU, Federica Mogherini, Anfang Dezember auf das Jahresende 2018. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur Reuters am 28. November gemeldet, dass das »Vehikel« ausgerechnet für Irans Ölverkäufe nicht gelten solle, um die US-Regierung nicht zu verärgern. Das wurde vom iranischen Außenminister Mohammad Dschawad Sarif nur schwach und vom EU-Trio gar nicht dementiert.
Iranische Hardliner schreiben offen, dass man von der EU zum Narren gehalten werde und dass diese keinen einzigen praktischen Schritt unternommen habe, um die wirtschaftlichen Folgen der US-Sanktionen abzumildern. Am Wiener Abkommen halte das EU-Trio nur formal fest, um Iran zu neuen Verhandlungen über weitreichende politische Zugeständnisse zu erpressen, schrieb der Chefredakteur der Tageszeitung Siasat-e-Rooz, Mohammed Safari, in einem Leitartikel. Wiedergegeben wurde der scharf formulierte Text am 17. Dezember auf der Website des englischsprachigen iranischen Fernsehsenders Press TV. Iran müsse der EU eine Frist setzen, um ihren nicht konkret bezeichneten »Verpflichtungen nachzukommen«, und nach deren Verstreichen aus dem Wiener Abkommen aussteigen, forderte Safari.
Diese Drohung wird aber auch von iranischen Regierungsvertretern schon seit Monaten immer wieder eingesetzt, wenn der Stillstand in den Verhandlungen mit der EU zu offensichtlich wird. Das Instrument hat sich so abgenutzt, dass Ali Akhbar Salehi, der Leiter der Iranischen Atomenergiebehörde, am 12. Dezember die Klarstellung für nötig hielt, dass die Drohung »kein Bluff« sei. Als Anlass wählte er ausgerechnet einen Besuch in der unter einem Bergmassiv liegenden Anlage von Fordow, wo Iran bis zum Wiener Abkommen eine 20prozentige Urananreicherung betrieben hatte.
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