Sonntag, 30. Dezember 2018

CSU und AfD Hand in Hand: Rassismus beider Parteien prägte bayerischen Landtagswahlkampf. Ein Gespräch mit Anton Tanner

»Verantwortliche Akteure benennen«


Interview: Sebastian Lipp
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Protest der Kampagne »Keine Stimme für Rassismus« gegen einen Auftritt des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) in Lindau (8.8.2018)
Anton Tanner ist Sprecher der Kampagne »Keine Stimme für Rassismus«
Sie haben in Ihrer antirassistischen Kampagne während des bayerischen Landtagswahlkampfs im Oktober wiederholt auf »ein anderes Bayern« Bezug genommen. Was meinen Sie damit?
Die CSU hat in Bayern seit Jahrzehnten eine politische Vormachtstellung. Die nutzt die Partei häufig für rechtspopulistische Vorstöße im Bund, etwa zur Verschärfung der Migrationspolitik. Auch während des Landtagswahlkampfs und zuvor haben führende Köpfe der Partei immer wieder lautstark mit rassistischen Äußerungen Stimmung gemacht. Mit den gleichen Mitteln drängt auch die AfD in die Öffentlichkeit – und zog in den bayerischen Landtag ein. Wir haben uns mit unserer Kampagne gegen den Rassismus beider Parteien positioniert und dabei aufgezeigt, dass viele Menschen in Bayern damit überhaupt nicht einverstanden sind.
Wirklich? Die Wahlergebnisse lassen anderes vermuten.
Wir waren einige Male selbst überrascht davon, wie viele Menschen sich unseren Kundgebungen angeschlossen haben, auch in kleineren Orten. Was uns besonders gefreut hat, war die Rückmeldung, dass sich uns viele Menschen nicht trotz, sondern gerade wegen unserer ausdrücklichen Positionierung angeschlossen haben. Viele davon waren zum ersten Mal bei einer Kundgebung dabei.
Sicher waren nicht alle lokalen Akteure von Ihren Aktionen begeistert.
An vielen Orten haben wir durchaus Unterstützung erhalten. Aber ja, mancherorts kam durchaus auch einiges an Gegenwind. Das ging vor allem von Polizei und Ordnungsämtern aus, aber auch von anderen politischen Kräften, die der CSU nahestehen.
Was heißt das konkret?
Bundeskanzlerin Angela Merkel von der CDU hatte im September in Ottobeuren ihren einzigen gemeinsamen Auftritt im bayerischen Wahlkampf mit Ministerpräsident Markus Söder von der CSU. Die AfD plante dort eine Anti-Merkel-Kundgebung auf dem Marktplatz. Wir haben dann unter dem Motto »Keine Stimme für Rassismus – ausgehetzt für CSU und AfD« zum Protest gegen beide Veranstaltungen aufgerufen.
Wie haben die örtlichen CSU-Vertreter darauf reagiert?
Uns wurde von seiten der Behörden und Funktionsträger sehr schnell signalisiert, dass auch von Leuten vor Ort eine Kundgebung geplant sei, und wir unsere deshalb absagen sollten. Wiederholt wurde dabei von der örtlichen CSU behauptet, unsere Kundgebung sei unerwünscht. Der Tourismusbeauftragte der Stadt drohte mit einer unsinnigen Zivilklage, um uns einzuschüchtern. Letztlich stellte sich heraus, dass eine weitere Gegenkundgebung unter dem Motto »Ottobeuren bleibt bunt« erst später, unter dem Eindruck unserer Anmeldung, ins Leben gerufen worden war. Deren Initiatoren hatten vorher nicht auf unsere Kontaktaufnahme reagiert. Viele Bürger aus der Gemeinde haben sich bewusst unserer Aktion angeschlossen – eben weil es ihnen darum ging, sich nicht allein der AfD entgegenzustellen, sondern auch ihrem Unmut gegen die rassistische Politik der bayerischen Landesregierung und der Bundesregierung Ausdruck zu verleihen.
Verscherzt man es sich so nicht mit potentiellen Bündnispartnern?
Das ist aus meiner Sicht gar nicht anders zu machen. Wer ohne eine klare inhaltliche Positionierung immer nur mit einem undifferenzierten »Wir sind mehr« symbolisch gegen die AfD ins Feld zieht, spielt rechtspopulistischen Kräften damit letztlich in die Hände. Dabei sind es die amtierenden Regierungsparteien, die in den vergangenen Jahren eine Asylrechtsverschärfung nach der anderen auf den Weg gebracht haben. Zudem hat die CSU mit verbalen Angriffen auf Schutzsuchende nachdrücklich zur Verrohung der öffentlichen Debatte beigetragen. Uns geht es um konsequentes Einschreiten gegen Rassismus. Dabei gilt es, die verantwortlichen Akteure jeglicher Couleur zu benennen und auch direkt zu konfrontieren. Das setzen wir zur anstehenden Europawahl fort.

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