Donnerstag, 23. Januar 2020

Internationales Treffen von Agrarministern setzt auf Digitalisierung der Landwirtschaft

Mehr Kontrolle - mehr Profite

Bundesagrarministerin Julia Klöckner nennt es einen »Meilenstein«. Nach einem Jahr Diskussion auf Fachebene haben rund 70 Agrarminister*innen beim 12. Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) in Berlin die Einrichtung eines Internationalen Digitalrates beschlossen. »Weltweit bietet die Digitalisierung die Möglichkeit, Ertragssicherung und Ressourcenschutz zusammenzubringen, die ländlichen Räume zu stärken und so auch Fluchtursachen zu bekämpfen«, so Klöckner. Der Rat solle künftig die »sogenannte digitale Kluft verringern und den Zugang zu digitalen Technologien verbessern - auch für kleine Bauernfamilien auf der ganzen Welt«.
Angesiedelt werden soll der Digitalrat bei der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen, der FAO. Er soll die Staaten in Fragen der Digitalisierung beraten und den Austausch von Ideen und Erfahrungen vorantreiben. Die größte Herausforderung beim Wissenstransfer sei, den ländlichen Gemeinden Zugang zu grundlegenden digitalen Technologien und Lösungen zu verschaffen, heißt es im Kommuniqué.
Kleinbäuer*innen, Kirchen, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen sind skeptisch. Sie haben gemeinsam ein Positionspapier erarbeitet, in dem sie davor warnen, dass mit der Digitalisierung »das industrielle Agrarmodell einfach fortgesetzt und die menschenrechtlichen sowie Umweltprobleme sogar noch verschärft werden«. Sie kritisieren vor allem, dass die Interessen der Agrar- und Internetkonzerne bislang die Digitalisierung in der Landwirtschaft dominieren. Konzerne aus den beteiligten Branchen wollten mit den gesammelten Daten in erster Linie mehr Kon-trolle über Betriebe gewinnen und »ihre Profite steigern«, warnte Lena Luig von der Entwicklungsorganisation Inkota bei der Vorstellung des Positionspapiers in Berlin. Sie sprach von einem »Freifahrtschein« für die Konzerne und forderte die Bundesregierung auf, »für klare Verhaltensregeln zu sorgen und den Aufbau konzernunabhängiger digitaler Plattformen zu fördern«.
Der Grad der Zustimmung, ob digitale Dienstleistungen die landwirtschaftlichen Betriebe sinnvoll unterstützen können, ist dabei unterschiedlich. So sagt Demeter-Vorstand Alexander Gerber: »Digitale Technologien können auch in der Landwirtschaft Arbeitsabläufe erleichtern und damit dabei helfen, tierfreundlicher und ökologisch nachhaltiger zu wirtschaften.« Er schränkt aber ein: »Gerade weil sich die Technologien und die damit verarbeiteten Datenmengen mit großer Geschwindigkeit entwickeln, muss die Bundesregierung sich dringend dafür einsetzen, dass dieser schnell wachsende Markt so reguliert wird, dass die Digitalisierung tatsächlich den Umbau hin zu einer sozial und ökologisch nachhaltigeren Landwirtschaft unterstützt.« Bäuerinnen und Bauern, die vor Ort leben und wirtschaften, müssten die Hoheit über ihre Daten behalten.
»Anders als oft behauptet, führt eine sogenannte Präzisionslandwirtschaft keineswegs automatisch zur Einsparung von Energie, Pestiziden und Düngemitteln«, sagte Christian Rehmer vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Dafür brauche es eine umfassende Agrarwende. »Digitale Instrumente sollten gezielt zur Förderung von Agrarökologie eingesetzt werden.«
Konkret fordern die beteiligten Organisationen, das Internet müsse überhaupt erst einmal allen Menschen zugänglich gemacht werden und die digitalen Instrumente müssten an den Bedürfnissen von Kleinbäuer*innen ausgerichtet sein. Zudem sollen Landwirt*innen selbst über ihre Daten bestimmen, auch Arbeitsrechte von Saisonarbeiter*innen dürften durch digitale Kontrolle nicht ausgehebelt werden. Entgegen den aktuellen Trends fordern sie, dass weitere Monopolbildung im Agrobusiness verhindert und nicht über die planetaren Grenzen etwa der Rohstoffgewinnung hinaus investiert werden soll.
Neben dem Digitalrat wollen die Agrarminister*innen den internationalen Agrarhandel fördern. Hierfür sollen Handelshemmnisse abgebaut und globale Standards eingeführt werden. Klöckner forderte in diesem Zusammenhang die Stärkung der Welthandelsorganisation. Die Beschlüsse seien »ein starkes Zeichen für einen regel- und wertebasierten Freihandel«, so Klöckner. Die Ministerin hatte sich zur Eröffnung der Grünen Woche in Berlin trotz aller Kritik von Bauernorganisationen und anderen Nichtregierungsorganisationen für die Ratifizierung des EU-Abkommens mit den Mercosur-Staaten ausgesprochen.
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