Nach dem Streik ist vor dem Streik
Wir streiken: Transparent am Eingang des Essener Uniklinikums (27.6.2018)
Foto: Roland Weihrauch/dpa
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Der öffentlichkeitswirksamste, aber auch längste Arbeitskampf für »Entlastung« und mehr Personal am Krankenhaus in diesem Jahr wurde an den Unikliniken (UK) Düsseldorf und Essen ausgetragen. Nach 44 bzw. 35 Streiktagen hatten die Beschäftigten Anfang September unter anderem 180 Vollzeitstellen für jedes der beiden Krankenhäuser erkämpft. Zusätzlich sollen bedarfsgerechte Regelbesetzungen für jede Schicht bestimmt werden. Außerdem sieht die Vereinbarung vor, dass bei kurzfristigem Personalausfall kein Ersatz bereitgestellt werden soll. Statt dessen sollten Patienten verlegt, abbestellt (sogenannte Bettenschließungen) bzw. weniger Operationen angesetzt werden.
Bereits kurz nach der Einigung versuchte sich die Uniklinik Essen vor dem Hintergrund der ihr abgerungenen zusätzlichen 180 Stellen als Leuchtturm in der Krankenhauslandschaft zu präsentieren: »Damit sind wir bundesweites Vorbild für eine optimale Krankenversorgung«, rühmte sich die Universitätsmedizin Essen. Das dokumentierte die Verdi-Betriebsgruppe am 7. September auf ihrer Facebookseite. Die Umsetzung der »schuldrechtlichen Vereinbarung«, wie das Tarifergebnis offiziell heißt, ist dagegen mangelhaft. Ende November zog Verdi in einer E-Mail an die Beschäftigten des UK Essen Bilanz: »Nach unserer Einschätzung ist in den letzten Wochen trotz des Einsatzes von Leiharbeit nach wie vor keine spürbare Entlastung in den Bereichen angekommen.« Für die vereinbarten 140 zusätzlichen Pflegekräfte sollten plötzlich keine neuen Stellen geschaffen werden. Statt dessen sollten sie bestehende Arbeitsplätze ausfüllen, die gerade nicht besetzt sind (z. B. weil jemand eine Zeit lang ausgefallen ist oder das Klinikum verlassen hat). Ein Teil der erkämpften Zusatzstellen im nichtpflegerischen Bereich sollte zunächst befristet eingerichtet werden. Und die Sollbesetzung, auf die sich Verdi und Vorstand geeinigt hatten und die bis zur Ermittlung des tatsächlichen, »objektiven« Personalbedarfs gelten sollte, hielt die Klinikleitung nun nicht mehr für verbindlich. »Der Vorstand will, dass einzig die Leitung und die zuständigen Ärzte entscheiden, ob eine Station unterbesetzt ist und ob entsprechend Konsequenzen wie Bettenschließungen erfolgen«. Das war den Kolleginnen und Kollegen zuviel. Anfang Dezember startete die Betriebsgruppe eine Unterschriftenkampagne bei den Kollegen, mit der sie den Vorstand an die Einhaltung der vereinbarten Entlastungsmaßnahmen erinnerte.
Weiter ging das »Konsequenzenmanagement«, das Verdi Mitte September für die Uniklinik Homburg im Saarland durchgesetzt hatte. Danach sollen die betroffenen Beschäftigten sogenannte Belastungstage erhalten, wenn die Klinikleitung nicht in der Lage ist, Überlastungssituationen innerhalb von drei Tagen zu beseitigen. Wer acht Belastungstage auf dem Konto hat, bekommt im Folgemonat einen zusätzlichen Tag frei. Verdi hatte im »Monat November von 29 Stationen und Bereichen 560 Situationen gemeldet bekommen, in denen die vereinbarte Anzahl von Personal in Früh-, Spät oder Nachtschicht unterschritten und in der die Mindestbesetzung in OPs nicht eingehalten« wurde, erklärte die Gewerkschaft Anfang Dezember. Schon die »Vereinbarung, nachts nicht mehr allein arbeiten zu müssen«, sei 200mal nicht erfüllt worden, sagte Gewerkschaftssekretär Michael Quetting. Würden bereits jetzt die Belastungstage gezählt, wie es ab 1. April 2019 geschehen soll, hätten sich nach den Meldungen an Verdi 1.426 Belastungstage angehäuft. Dies bedeutet Quetting zufolge, dass die Beschäftigten im Monat »Dezember über 178 bezahlte Freischichten hätten bekommen müssen«.
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