Rüsten, sonst knallt’s
So sieht es die deutsche Rüstungsindustrie gern: Saudische Polizisten mit »MP5«-Gewehren von Heckler und Koch (3.3.2012)
Foto: Hassan Ali/REUTERS
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Einige Vertreter der deutschen Rüstungsindustrie werden wohl voller Sehnsucht dem Silvesterfest entgegensehen, können sie doch dann endlich ungehindert mit Böllern jeglicher Art vor sich hin knallen. Zwar brummt das milliardenschwere Geschäft mit Waffenexporten nach wie vor, dennoch wird kurz vor Jahresende ein Warnschuss abgefeuert. Grund ist der Stopp der Lieferungen nach Saudi-Arabien. In diesem Zusammenhang seien »natürlich auch Schadenersatzforderungen denkbar«, drohte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), Hans Christoph Atzpodien, in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur, das am Freitag veröffentlicht wurde. Zudem forderte er die Koalition aus CDU/CSU und SPD auf, »rein politische Themen« nicht auf dem Rücken der Unternehmen auszutragen.
Atzpodien und seine Kollegen scheinen erbost, hatten sie sich doch auf den halbgaren Kompromiss der Bundesregierung verlassen. So war zwar schon im März ein Exportstopp für alle »unmittelbar« am Jemen-Krieg beteiligten Staaten im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden, zunächst galt aber eine Ausnahme für bereits erteilte Genehmigungen. Dadurch konnten die Waffenschmieden munter weiterliefern: In den ersten neun Monaten des Jahres erlaubte die Bundesregierung die Lieferung von Rüstungsgütern im Wert von rund 400 Millionen Euro an das saudische Königreich. Der Wind drehte sich im Oktober aufgrund der Ermordung des saudischen Journalisten Dschamal Chaschukdschi. Zunächst hieß es, neue Genehmigungen für Rüstungsexporte würden nicht mehr erteilt. Dann wurde im November erklärt, es bestehe ein kompletter Lieferstopp.
Strengere Regeln mögen die Kunden der Rüstungskonzerne, die Atzpodien vertritt, ganz und gar nicht. Die deutsche Exportpolitik sei »unvorhersehbar« und »durch überraschende Wendungen oft nicht nachvollziehbar«, gab der Branchenchef zu Protokoll. Ganz neu sind seine Forderungen indes nicht. Bereits im Oktober hatte Atzpodien im Handelsblatt von einem »Vertrauensschutz« gesprochen, den die Rüstungsunternehmen dringend bräuchten.
Die Sorge ums mörderische Geschäft drückt sich auch in Zahlen aus. Bis zum 13. Dezember wurden in diesem Jahr Waffen und andere Rüstungsgüter im Wert von gut 4,6 Milliarden Euro ausgeführt. 2017 waren es insgesamt mehr als 6,2 Milliarden Euro. Den Grund für diesen Rückgang sieht Atzpodien in einer strengeren Genehmigungspraxis der Bundesregierung bei Lieferungen an Staaten, die außerhalb der EU und des Militärbündnisses NATO sind. Ein Schreckgespenst geht um: Der drohende Rückgang der Rüstungsexporte im dritten Jahr in Folge.
Von restriktiven Richtlinien für den Export deutscher Waffen könne keine Rede sein, betonte Tobias Pflüger, verteidigungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Die Linke, am Freitag gegenüber jW. Vielmehr bestehe der Skandal darin, dass nicht schon längst ein grundsätzliches Verbot von Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien bestehe und das Land aus Sicht der Bundesregierung weiterhin ein »strategischer Partner« sei. Das Drohen mit Schadensersatz bezeichnete Pflüger als »unverschämt«. Dennoch zeigte er sich ob möglicher Konsequenzen gelassen. Die Konzerne sollten »das einfach mal probieren« – es werde nicht funktionieren.
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